Erfurt. Mehr Todesfälle trotz rückläufiger Kriminalstatistik. Schmerzmittel- und Fentanylmissbrauch in Thüringen angekommen.

Im Thüringen gab es im vergangenen Jahr wieder mehr Drogentote. Das meldete das Gesundheitsministerium mit Verweis auf die kürzlich veröffentlichte Kriminalstatistik des Landes für das Jahr 2023. Demnach starben 42 Menschen im Alter zwischen 15 und 57 Jahren im Zusammenhang mit missbräuchlichem Betäubungsmittelkonsum. Laut Statistik handelte sich um 9 Frauen und 33 Männer (davon zwei Jugendliche). 32 Personen wurden in ihrer Wohnung aufgefunden. Sieben von ihnen nahmen sich das Leben, meist nach langjähriger Drogenabhängigkeit. Vier Rauschgiftkonsumenten verstarben im Krankenhaus, drei wurden in einer Justizvollzugsanstalt, zwei im öffentlichen Raum leblos aufgefunden. In einem Fall kam es unter Drogeneinfluss zu einem Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang.

Deutlicher Anstieg der Todeszahlen während der Corona-Pandemie

Laut Gesundheitsministerium handelt es sich um die höchste Zahl an Drogentoten seit 2006. 2018 wurden 17 und 2019 noch 26 Thüringer Drogentote registriert. In den Corona-Jahren 2020 und 2021 stieg die Zahl auf jeweils 40 und fiel dann 2022 zunächst wieder auf 33. Rauschgifttodesfälle werden in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht erfasst. Die Statistiken beruhen auf Auswertungen bei der Vorgangsbearbeitung. Berücksichtigt würden neben Todesfällen durch Überdosis oder Langzeitkonsum auch Unfälle unter Drogeneinfluss oder Selbsttötungen, möglicherweise aus Verzweiflung über die Lebensumstände oder unter der Einwirkung von Entzugserscheinungen.

Welche Drogen den Tod verursachen, geht aus der Kriminalstatitsitk nicht hervor. Einerseits war die Zahl der Rauschgiftdelikte zuletzt leicht rückläufig. Andererseits stiegen Sicherstellungen bei allen Drogenarten deutlich an. Besonders betraf dies sowohl Haschisch, Marihuana und Cannabispflanzen als auch LSD, sogenannte neue psychogene Stoffe (NPS) sowie Halluzinogene (DMT-Dimethyltryptamin). Zwar sieht das Gesundheitsministerium keinen starken neuen oder besonders gefährlichen Drogentrend oder offene Crack-Szenen im Freistaat. Opioide oder Fentanyl, das in den USA für Zehntausende Drogentote im Jahr verantwortlich sei, seien aber auch hierzulande angekommen. Sorgen bereite zudem der hohe Anteil an Konsumenten von Crystal Meth, Alkohol und Cannabis. Im Blick habe man zudem Gamma-Butyrolacton, das etwa als Lösungsmittel verwendet werde, und sogenannte Legal Highs.

Suchtärztin Katharina Schoett vermutet eine hohe Dunkelziffer bei Einnahmen von Opioiden und Fentanyl.
Suchtärztin Katharina Schoett vermutet eine hohe Dunkelziffer bei Einnahmen von Opioiden und Fentanyl. © Hanno Müller/furt | Hanno Müller

Schmerzmittelmissbrauch ist in Thüringen angekommen

Vor den Gefahren durch den Missbrauch starker Schmerzmittel hatte zuletzt auch die Krankenkasse Barmer in einem Arzneimittelreport gewarnt. Demnach bekamen 2022 rund 80.000 Thüringer mehr oder weniger starke Opioide verschrieben. Akutbehandlungen in Krankenhäusern wie auch mögliche Verbreitungen über den Schwarzmarkt nicht mitgerechnet. Verwiesen wurde auf das hohe Überdosierungsrisiko, dass zu vermehrten Krankenhausaufenthalten sowie zu einem erhöhten Sterberisiko führe. Laut Barmerbericht sind langfristige Opioidgaben im Vergleich zur Behandlung mit anderen Schmerzmitteln mit einer signifikant höheren Wahrscheinlichkeit zum Versterben assoziiert. Von einer nicht zu messenden Dunkelziffer bei den Einnahmen von Opioiden geht Katharina Schoett, Chefärztin der Abteilung Suchtmedizin am Ökumenischen Hainich-Klinikum in Mühlhausen, aus. So würden privat bezahlte Weiterverordnungen gar nicht erfasst, zudem berichteten Patienten über Opioide aus dem Internet oder aus Schwarzmarktquellen. (mit dpa)