Berlin. Der erste von drei Reichsbürger-Prozessen beginnt am Montag. Hinter Glaswänden wird der „militärische Arm“ der Gruppierung angeklagt.

Unter dem braun-rot-karierten Sakko blitzen die Handschellen. Eine weiße FFP2-Maske umspannt das Gesicht. Flankiert wird Heinrich XIII. Prinz Reuß von drei maskierten Polizisten: Das Bild seiner Verhaftung im Dezember 2022 zeigte der Bundesrepublik, dass es sich bei den sogenannten „Reichsbürgern“ nicht um harmlose Spinner handelt, die sich ihr eigenes Reich erträumen. Hinter Rädelsführer Reuß versammelte sich ein Sammelsurium aus Ex-Militärs, Politikern und gewaltbereiten Verschwörern. Sie soll der Gedanke geeint haben, die demokratischen Institutionen zu stürzen.

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Der Fall entwickelte schnell ein Ausmaß, das die Kapazität einzelner Gerichte gesprengt hätte. Und so kam es, dass unterschiedlichen Beteiligten an unterschiedlichen Orten der Prozess gemacht wird. Am Montag macht das Oberlandesgericht Stuttgart den nicht ungefährlichen Anfang: Hinter dicken Glasscheiben sollen die neun Angeklagten sitzen, die mutmaßlich dem „militärischen Arm“ der Gruppe Reuß angehörten. Lediglich per Mikrofonen sollen sie sich mit ihren insgesamt 22 Anwälten austauschen können.

Markus L. soll bei Razzia auf Polizisten gefeuert haben

Die Sicherheitsvorkehrungen sind nicht zuletzt auf die Festnahme von Markus L. zurückzuführen. Er muss sich vor den fünf Richtern zu Beginn der Verhandlung auch wegen versuchten Mordes rechtfertigen. Bei einer Razzia in Reutlingen im März 2023 soll er auf das Sondereinsatzkommando mit einer Schnellfeuerwaffe geschossen haben. Dabei wurde ein Polizist verletzt.

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    Im Zentrum der Anklage gegen die neun Angeklagten steht laut Generalbundesanwalt die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens. Reuß selbst wird der Prozess Ende Mai in Frankfurt gemacht. Für weitere Beteiligte folgt die Anklage im Juni in München. Dennoch ist es nicht ausgeschlossen, dass Reuß auch in Stuttgart als Zeuge geladen wird.

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    Die Gruppe soll laut Generalbundesanwalt eine tiefe Ablehnung staatlicher Institutionen und der demokratischen Grundordnung verbunden haben. Ihr Denken soll von Verschwörungsmythen geprägt sein, die nicht zuletzt auf Ideen der rechtsextremistischen QAnon-Bewegung fußen. Deutschland werde von einem „Deep State“, also einem tiefen Staat regiert, der von einer „Allianz“ befreit werden müsse, so die Vorstellung der Verschwörer. Aus der Anklageschrift des Frankfurter Prozesses, die in Teilen auch dieser Redaktion vorliegt, geht hervor, dass damit ein geheimer Bund aus Regierungen, Geheimdiensten und Armeen unterschiedlicher Staaten gemeint ist. In der Ideologie der Verschwörer wird diese „Allianz“ oft als Synonym für die Siegermächte im Zweiten Weltkrieg verwendet.

    An „Tag X“ sollte das System gestürzt werden

    Man hätte auf ein Zeichen der Allianz gewartet, die an „Tag X“ den Umsturz vollzieht. Der Generalbundesanwalt wirft der Gruppe vor, vor diesem Hintergrund die bewaffnete Erstürmung des Reichstages geplant zu haben. Der „militärischen Arm“, dem in Stuttgart der Prozess gemacht wird, hätte die Machtübernahme mit Gewalt durchsetzen sollen. Die Angeklagten haben laut Generalbundesanwalt dazu sogenannte „Heimatschutzkompanien“ aufbauen wollen. Die Vereinigung „hatte Zugriff auf ein massives Waffenarsenal, bestehend aus insgesamt rund 380 Schusswaffen, beinahe 350 Hieb- und Stichwaffen und fast 500 weiteren Waffen – sowie mindestens 148.000 Munitionsteilen“, heißt es von Seiten des Generalbundesanwalts.