Rudolstadt. Mit feministischen Einflüssen und bedeutungsschwangerer Inszenierung feiert das Theater Rudolstadt Premiere der Wiederaufnahme von „Hamlet“.
Als „Gefängnis“ beschreibt Hamlet, gespielt von Franz Gnauck, sein Land Dänemark und steht dabei vor einer Kulisse aus Beton- und Stahloptik. Kaltes Licht fällt auf die Bühne, wird erzeugt von langen Röhren, die an Trägern angebracht sind, und beleuchtet die aschfahlenen Gesichter der Schauspieler. Düster ist das Bild, das sich den Zuschauerinnen und Zuschauern dank Andrea Eisensee bietet. Wie besagtes Gefängnis ... oder die Ruine eines einst starken Gebildes?
Zerfallen durch Zeit und Zwist, wird der Beton spärlicher und das Stahlskelett wird freigelegt, ähnlich dem inneren Konflikt Hamlets, dessen Wahn Franz Gnauck immer mehr zum Vorschein bringt. Er meistert hervorragend den Balanceakt aus getriebener Rachefigur und trauerndem, zwiegespaltenem Sohn. Füllt die Bühne aus beim spannungsgeladenen Monolog. Sein Hamlet ist energetisch. Einnehmend. Mit einem irren Funkeln in den Augen, das man ihm sofort abnimmt.
Anne Kies spielt eine filigrane Ophelia
Auch andere Schauspieler tun sich bei der Premiere der Wiederaufnahme von „Hamlet“ am Samstag im Theater im Stadthaus in Rudolstadt hervor. Johannes Geißer steht anfangs nur wenige Minuten auf der Bühne und schafft es darin schon mühelos, die Missgunst des ganzen Publikums auf seine Figur Laertes zu ziehen. Ophelia, gespielt von Anne Kies, wandelt als filigrane, weiße Gestalt umher. Sie biegt sich und wird gebogen, ist eine Spielfigur in diesem Mächtespiel der männlichen Protagonisten.
Regisseur Alejandro Quintana bringt aus seinem Heimatland Chile die feministische Bewegung „Der Vergewaltiger bist du“ mit und macht aus Ophelia – der misshandelten, tragischen Ophelia – eine zornige Aktivistin. Obwohl dieser Einfluss zunächst etwas deplatziert wirkt, verfehlt er dennoch nicht seine Wirkung und lässt die beiden weiblichen Figuren Ophelia und Gertrude (Ute Schmidt) in einem neuen Licht erscheinen. Macht aus Mutter und Königin Gertrude plötzlich auch einfach „Frau“.
Brücke in die Moderne
Durch Einsatz von abrupt einsetzender moderner Musik, auf die Bühne geworfenen Projektionen und dunklen stilübergreifenden Kostümen wird eine Brücke in die Moderne gebaut. Die Zeitlosigkeit des 400 Jahre alten Stücks ist sichtbar.
Das Shakespeare-Stück zeigt Ambitionen
Ambitioniert ist diese fast dreistündige Variante des berühmten Shakespeare-Stückes, aber diese Zeit auch gut genutzt. Den Ambitionen wird die Inszenierung durchaus gerecht. Tiefgreifende gesellschaftskritische Thematiken sind verständlich aufbereitet. Humoristische Szenen lockern die Gravitas der Handlung auf, scheinbar mühelos sorgen die Schauspieler für Stimmungswechsel.
Das Publikum ist begeistert von der Premiere – der Applaus hält sich länger als ein Monolog Hamlets, und eine Standing Ovation gibt es auch. Ein Besuch des Stückes lohnt sich für Theater-Fans oder auch Schulklassen auf jeden Fall.