Tambach-Dietharz/Erfurt. Mit Lkw aus dem Kreis Gotha wurden Drogen geschmuggelt. Der Europäische Gerichtshof bringt nun neuen Schwung in den Prozess gegen einen Fuhrunternehmer.

Die Sitzung ist eigentlich schon beendet, da macht die Verteidigung auf eine aktuelle Entwicklung in Luxemburg aufmerksam. Die ist vor allem für internationale Ermittlungen relevant. Und sie könnte den Rechtsanwälten des 39-jährigen Angeklagten in die Hände spielen.

Am Landgericht Erfurt muss sich derzeit ein Fuhrunternehmer aus Tambach-Dietharz verantworten. Ihm wird bandenmäßige Einfuhr von Betäubungsmitteln sowie Beihilfe zum bandenmäßigen Handel vorgeworfen. Der Mann soll zwischen November 2020 und März 2021 in zwei Fällen Marihuana von Spanien nach Deutschland geschmuggelt haben.

Obwohl eine Ladung von 263,8 Kilogramm im November 2020 von der französischen Polizei abgefangen werden konnte, soll der Angeklagte im März einer Lieferung von Marihuana von Deutschland nach Italien zugestimmt haben. Es ist jedoch nicht bekannt, ob das Geschäft tatsächlich zustande kam.

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Vier Männer aus Kreis Gotha zu fünf Jahren Haft verurteilt

Weil mehrere Zeugen nicht zur Verhandlung erschienen sind, geht das Gericht die Urteile gegen die in Frankreich verhafteten Männer durch. Die Protokolle geben Einblicke, wie die Drogenschmuggler vorgegangen sind.

Vier Angestellte des Fuhrunternehmers aus Tambach-Dietharz wurden im November 2020 von der französischen Polizei festgenommen. Zwei Männer befanden sich in einem Lkw, die zwei anderen in einem vorausfahrenden Transporter. Letztere kundschafteten die Strecke aus und tauschten sich mit den Personen im Lkw regelmäßig aus.

Ein Strafgericht in Montpellier (Frankreich) verurteilte zwei Männer zu je vier Jahren Haft, die anderen zwei zu je drei Jahren. Zudem sollten die Männer eine Zollstrafe von 260.000 Euro gesamtschuldnerisch zahlen. Die Männer legten Widerspruch ein. Doch ein Berufungsgericht verschärfte die Strafen: Alle vier Beteiligten erhielten fünf Jahre Haft sowie fünf Jahre Einreiseverbot. Die Zollstrafe wurde aufrechterhalten.

Zweifel an Verwertbarkeit von Beweismitteln

Zeitgleich mit der Verhandlung in Erfurt sitzen Richter des Europäischen Gerichtshofes (EUGH) in Luxemburg zusammen. Dort verhandelt das Gericht über die Verwertbarkeit des Kommunikationsdienstes Encro-Chat. Der Anbieter von Kryptohandys und abhörsicherer Infrastruktur war insbesondere bei mutmaßlichen Kriminellen beliebt.

Der Polizei in Frankreich sowie in den Niederlanden gelang es im Frühjahr 2020, die Software zu knacken, die Handys abzuhören und Daten auszulesen. In der Folge kam es europaweit zu Verhaftungen. Auch Staatsanwaltschaften in Deutschland forderten Daten von den ausländischen Behörden an.

Weil es Zweifel an der Zulässigkeit als Beweismittel gab, geht die Verteidigung des Fuhrunternehmers aus Tambach-Dietharz davon aus, dass ihr Mandant womöglich entlassen werden müsse. Nach der Sitzung am Landgericht Erfurt kommt das Urteil aus Luxemburg: Die Daten können angefordert und verwendet werden. Der EUGH grenzt seine Entscheidung aber auch ein.

Auswirkungen auf das Verfahren in Erfurt noch unklar

Das Gericht schreibt vor, dass die Wahrung der Grundrechte Betroffener geprüft werden müsse. „Außerdem müsse ein EU-Land einen anderen Mitgliedsstaat vorab über Überwachung von Telekommunikation auf seinem Hoheitsgebiet informieren“, berichtet „Unternehmen Heute“ mit Verweis auf die französische Presseagentur AFP. Wurde ein Grundrecht verletzt, dienen die Daten nicht als Beweis.

Der Bundesgerichtshof hat die Verwendung solcher Daten im Jahr 2022 genehmigt. Eine Entscheidung aus Karlsruhe gibt es aber noch nicht. Unklar ist auch, ob die Entscheidung des EUGH auch auf andere Kommunikationsdienste wie Sky-Ecc ausgeweitet werden kann. Der angeklagte 39-Jährige soll dieses Netzwerk für die Organisation seiner Geschäfte genutzt haben. Die Verhandlung wird am 16. Mai fortgesetzt.

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