Erfurt. Der Erfurter Opernsänger Máté Sólyom-Nagy befasst sich mit der Frage, warum seine Zugehörigkeit bisweilen angezweifelt wird.

Die deutsche Sprache hat mich schon immer fasziniert. „Fernweh“. „Schadenfreude“. „liebestrunken“. Ich konnte vielleicht deswegen ganz schnell die Sprache lernen.

Die Deklination der Pronomina ist manchmal immer noch ein Problem, aber die Schwierigkeit höre und lese ich bei vielen, die allerdings schon immer hier gelebt haben.

Ich bin demnach gut in Deutschland und Thüringen integriert. Auch ich gehe zum Italiener und zum Griechen essen. Wie die Deutschen. Hätte ich Haare, würde auch ich selbstverständlich zum türkischen Frisör gehen. Die können das gut! Oder könnte im billigen Chinaladen „Krimskrams“ einkaufen. Wie die Deutschen.

Ich will ja dazugehören.

Nach über 20 Jahren in Erfurt die neue Staatsbürgerschaft erhalten

Mir fällt gerade ein, ich bin ein Deutscher. Auf dem Papier. Als ich vergangenes Jahr, nach über zwanzig Jahren in Erfurt, die Urkunde über die neue Staatsbürgerschaft bekommen habe, sagte ein Freund: „Schön, aber ein richtiger Deutscher bist du nicht“.

Natürlich musste ich auch meine Deutschkenntnisse unter Beweis stellen, habe leider nur 97 Prozent erreicht. Das wurmt mich bis heute. Die Pronomina, „ferflixt und zugenäht!“

Ich bin ein – die Sprache fasziniert mich – „Passdeutscher“. Dabei bin ich „kartoffeliger“ als eine gute Freundin, die in Franken geboren ist. Sagt sie zumindest. Und im nächsten Satz fragt sie immer, wann ich wieder meinen guten ungarischen Gulasch mache.

Ein Teil meiner Familie wurde Siebzehnhundert-schlag-mich-tot – die Sprache fasziniert mich – aus Baden-Württemberg nach Ungarn umgesiedelt. Habe ich mich jetzt also selbst „remigriert“? Ich falle nicht auf im „christlichen Abendland“, denke ich. Zum Glück sieht man mir nicht an, dass ich von anderswoher komme. Trage kein Kopftuch, keine Kippa. Ich bin sogar ein Christ, wie die meisten Deutschen, oder? Bald gibt es den Katholikentag in Erfurt. Ich bin dabei. Wie die meisten Deutschen, oder?

Und wahrscheinlich auch viele Menschen mit „Migrationshintergrund“ – die Sprache fasziniert mich – aus der ganzen Republik. Vielleicht auch nicht einmal „Passdeutsche“. Dürfen sie mitfeiern? Oder werden sie schräg angeschaut? Katholisch sieht man ja nicht aus der Entfernung. Hautfarbe schon. Werden sie ausgeladen?

„Remigriert“? Hoffentlich werde ich nicht „remigriert“. Ich habe mich schon an diese schöne Sprache gewöhnt. Weniger an furchtbare neue Wortschöpfungen wie „Asyltourismus“, „Bevölkerungsaustausch“, „Aderlass“ und „Klimaterroristen“. Mir fällt gerade auf, manche davon sind gar nicht so neu. Die sind schon fast hundert Jahre alt.

Und genau deswegen werde ich diesmal auch wählen gehen. Jetzt darf ich ja. Wie jeder „Biodeutsche“, oder? Damit wir wieder mehr „Augenweide“ und „Glückseligkeit“ haben. Und „liebestrunken“ sind. Die Sprache fasziniert mich.

Máté Sólyom-Nagy ist Opernsänger am Theater Erfurt seit 2002.