Gera. Die „Euthanasie“-Verbrechen in Stadtroda während der NS-Zeit stehen im Fokus einer Veranstaltung in der Geraer Gedenkstätte Amthordurchgang.

Die Geraer Gedenkstätte „Amthordurchgang“ lädt zum Vortag „Medizinverbrechen im Nationalsozialismus. Zur Geschichte und Nachgeschichte der NS-Krankenmorde in Stadtroda“ mit Martin Kiechle ein. Der Vortrag findet am Donnerstag, 11. April, 18 Uhr, statt, der Eintritt ist frei.

Die Landesheilanstalten in Stadtroda bildeten das Zentrum der „Euthanasie“-Verbrechen in Thüringen während der Zeit des Nationalsozialismus, wird in der Ankündigung erklärt. Wie in anderen psychiatrischen Einrichtungen des deutschen Machtbereiches, hatten sich auch hier Ärztinnen und Ärzte, Pfleger und Schwestern an der systematischen Ermordung psychisch kranker und geistig behinderter Menschen beteiligt, die als vermeintlich „minderwertige Ballastexistenzen“ galten.

Eine Auseinandersetzung mit den Medizinverbrechen in Stadtroda sei jedoch lange Zeit ausgeblieben, heißt es. Zwar hatte es nach Kriegsende erste Ermittlungen gegeben. Auf Anweisung der Oberstaatsanwaltschaft in Weimar kamen diese aber Anfang September 1948 zum Erliegen, angeblich aus Mangel an Beweisen. Fast zwei Jahrzehnte später gerieten die „Euthanasie“-Morde erneut in den Blick. Nun ermittelte das Ministerium für Staatssicherheit. Schnell zeigte sich das ganze Ausmaß der Verbrechen. Doch anstatt ein Verfahren einzuleiten, entschieden die Verantwortlichen des MfS, den Operativen Vorgang zu schließen, heimlich alle Dokumente nach Ost-Berlin abzutransportieren und den Mantel des Schweigens über die Angelegenheit auszubreiten.

Der Grund dafür: Da „Beschuldigte aus der DDR in höheren Positionen des Gesundheitswesens“ arbeiteten, so hieß es in der internen Einstellungsanweisung, „könnte bei Auswertung ein unseren gesellschaftlichen Verhältnissen widersprechendes Ergebnis erreicht werden.“ Erst nach dem Untergang des SED-Regimes setzte eine kritische Auseinandersetzung mit den NS-Krankenmorden in Stadtroda ein, teilweise begleitet von hitzigen Diskussionen. Über all diese Entwicklungen berichtet Martin Kiechle in dem Vortrag. Er ist seit 2018 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.

Noch bis 30. April kann außerdem die Ausstellung „Niños robados. Gestohlene Kinder. Stolen Children“ während der Öffnungszeiten der Gedenkstätte besichtigt werden.