Gera. Ein Pfarrer aus dem Saale-Holzland-Kreis wollte in der Corona-Pandemie Zugang zu einem Heim in Jena erlangen. Darum ist seine Tochter nun angeklagt.

Am Landgericht Gera hat am Montag der Prozess gegen eine ehemalige Richterin begonnen. Die Staatsanwaltschaft Erfurt wirft ihr vor, eine Rechtsbeugung begangen zu haben.

Die heute 37 Jahre alte Rechtsanwältin soll während des Corona-Lockdowns einen Fehler begangen haben. Demnach habe sie mit ihrem Vater, einem Pfarrer, über dessen Probleme gesprochen, dass er als Seelsorger eine Palliativpatientin in einem Seniorenheim nicht besuchen darf. Die damalige Corona-Schutzverordnung untersagte solche Besuche im Heim.

Bei Verurteilung droht eine Freiheitsstrafe

Die Proberichterin war je mit der Hälfte ihrer Arbeitskraft als Strafrichterin am Amtsgericht Altenburg und als Bereitschaftsrichterin für den Landgerichtsbezirk eingesetzt. Während dieser Bereitschaftszeit ist sie auch für Fälle aus Jena zuständig. Ihr Vater habe am 14. April 2020 um 16.06 Uhr auf dem Bereitschaftshandy angerufen und wie vorbesprochen einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz angekündigt. Kurz darauf folgte der Antrag an die private Mailadresse der Richterin. Diesen Antrag habe die Richterin bearbeitet, obwohl sie über Anträge von Familienangehörigen nicht entscheiden dürfe und mit der Sache vorbefasst gewesen sei, so die Staatsanwaltschaft. Bei einer Verurteilung wegen der Rechtsbeugung droht ihr eine Freiheitsstrafe zwischen einem und fünf Jahren.

Zum Prozessauftakt rügte der Verteidiger Jörg Geibert, einst Innenminister von Thüringen, die Besetzung der elften Strafkammer. Seit Eingang des Verfahrens im Jahr 2021 seien ihm 21 verschiedene richterliche Besetzungen mitgeteilt worden. Es gebe sieben richterliche Erklärungen auf Befangenheit und darüber hinaus zwei Anträge auf Befangenheit. Unter anderem ist die Vorsitzende der Kammer, Andrea Höfs, ausgeschlossen, weil sie in das damalige Disziplinarverfahren involviert war.

Verteidiger rügt die Gerichtsbesetzung

Problematisch sei, dass der heutige Landgerichtspräsident Götz Herrmann der Ermittlungsführer gewesen und deshalb die Anklage vor einem anderen Landgericht geboten sei. Geibert rügte, dass eine Proberichterin der Kammer angehöre. Sie müsse die Glaubwürdigkeit des als Zeugen geladenen Gerichtspräsidenten einschätzen, der wiederum zu beurteilen habe, ob die Richterin auf Lebenszeit geeignet sei. Die Kammer will den Antrag bis zum nächsten Verhandlungstag bescheiden.

Auch interessant

Die Angeklagte äußerte sich zum Prozessauftakt nicht. Aus der Verlesung des Antrags ihres Vaters und ihres Beschlusses geht hervor: Die 89-jährige Frau wurde wegen einer unheilbaren Herz- und Nierenerkrankung palliativ behandelt. Das Heim hatte dem Seelsorger den Zugang mit Verweis auf die Corona-Verordnung untersagt und den Zutritt nur für die letzten sechs bis zehn Stunden des Sterbeprozess in Aussicht gestellt. Der Pfarrer versuchte nun, den Zugang durch eine einstweilige Verfügung zu erreichen. Diese erließ seine Tochter noch am selben Abend und erlegte dem Heim die Verfahrenskosten auf. Am nächsten Tag besuchte der Pfarrer aus dem Saale-Holzland-Kreis das langjährige Gemeindemitglied, das wenige Wochen später verstorben ist.

Das Gericht hat sechs weitere Verhandlungstage angesetzt.

Weitere aktuelle Gerichtsberichte