Saale-Holzland. Zum Schmücken der Fichte gab‘s neben Schleifen und alten Krawatten auch schonmal einen BH und eine Glocke. Wie das Fest an Himmelfahrt ablaufen soll.

In einem kleinen Ort steht ein großes Jubiläum an: Zum 300. Mal wird in Bobeck, einer Gemeinde mit 285 Einwohnern, der Maibaum gesetzt. An Christi Himmelfahrt, dem 9. Mai, wird die neue Fichte auf dem Festplatz aufgestellt.

„Bei schönem Wetter können wir durchaus mit etwa 800 Gästen rechnen, bei schlechtem vielleicht mit 400 bis 500 Besuchern“, sagt Uwe Köhler. Er ist 1985, im Alter von 16 Jahren, unter die Maibaumsetzer gegangen – und bis heute geblieben. „Für mich ist das Arbeit mit Spaß. Man trifft zum Fest viele Leute, die mal in Bobeck gewohnt haben und die zum Maibaumsetzen vorbeikommen. Die Veranstaltung ist ein absoluter Anziehungspunkt.“

Saale-Holzland: Zum Schmücken des Maibaums gibt‘s Schleifen, alte Krawatten - und einen BH

Am Mittwoch, 8. Mai, ab 16 Uhr werden noch notwendige Arbeiten erledigt: Das Ausgraben des alten Maibaumes, der ein Jahr lang auf dem Dorfplatz thronte, wird – natürlich in Handarbeit, mit Schaufel und Spitzhacke – erledigt. Noch ist seine Aufgabe nicht vollends erfüllt. Nach dem Setzen des neuen Baumes wird der alte versteigert. Zwischen 80 und 120 Euro seien auf diese Weise jährlich in die Vereinskasse geflossen.

Am Abend ist es dann Tradition, dass eine größere Gruppe um den Vorstand der Maibaumgesellschaft Bobeck von Haus zu Haus zieht, um Schleifen oder alte Krawatten einzusammeln, die später an die Fichte gebunden werden. „Einen BH hatten wir auch schon mal am Baum sowie eine kleine Glocke, die bei Sturm läutete“, sagt Uwe Köhler.

Weitere Nachrichten aus dem Saale-Holzland-Kreis

Der große Tag, der 9. Mai, beginnt für einige Männer in aller Frühe. Gegen 6 Uhr zieht die erste Gruppe los, um die Fichte mit Schrotsäge und Axt zu fällen. Welchen Baum sie umlegen dürfen, sehen die Männer an der entsprechenden Markierung. Denn bereits vorab waren Förster und Richtmeister im Wald und haben nicht nur einen, sondern zwei Bäume ausgewählt. „Einen Ersatzbaum, falls der andere beim Umlegen kaputt geht.“ Das komme zwar äußerst selten vor, doch für genau diesen Fall will man vorbereitet sein. Zwischen 60 bis 80 Euro zahle der Verein für eine Fichte. Diese sollte optimalerweise nicht dürr, dafür gerade, schlank und etwa 25 Meter hoch sein. Ein Durchmesser von 40 bis 45 Zentimetern am Stamm sei ideal.

Archivbild: Maibaumsetzen in Bobeck.
Archivbild: Maibaumsetzen in Bobeck. © Jens Henning

Gegen 7 Uhr treffen sich die Maibaumsetzer im Schenkenhof, dem Domizil des Bobecker Jugendvereins. Pfarrer i.R. Eckhard Waschnewski ist mit vor Ort und gibt den Segen für den Tag. Das sei in Bobeck vor 25 Jahren das letzte Mal so gemacht worden, sagt Uwe Köhler. 7.30 Uhr heißt es dann für die Männer: „Abmarsch!“ zur Blutbuche am Fuße des Weißen Berges, um den neuen Maibaum einzuholen. Ist der erste Kraftakt des Tages geschafft, gibt es ein gemeinsames Frühstück auf dem Parkplatz „An der Blutbuche“. Für die musikalische Unterhaltung sorgen das erste Mal seit vielen Jahren wieder die „Tautenhainer Blasmusikanten“.

Gegen 11 Uhr steht der Aufbruch zurück nach Bobeck an. Der Maibaum wird per Langholzwagen, der von zwei Kaltblütern gezogen wird, transportiert. Fahrend und per pedes geht es von Musik begleitet für alle zurück in den Ort. Gegen 12 Uhr ist der Einmarsch auf dem Festgelände, dem Dorfplatz, geplant.

Im Saale-Holzland-Kreis werden Maibäume „angeschuht“

Noch immer ist es nicht an der Zeit, die Fichte aufzurichten. Erst wird ab 13 Uhr „angeschuht“. Dafür braucht es einen zweiten, kleinen Baum, der zwischen zehn und zwölf Metern groß ist. In traditioneller Handarbeit und nicht mit der Kettensäge wird der kleine Baum unten und der große Baum oben angeschrägt und beide anschließend passend zusammengeführt. Das Anschuhen des Maibaumgipfels hat einen einfachen, aber wichtigen Grund: „Das wird gemacht, damit man den größten Maibaum hat“, sagt Uwe Köhler.

Man erzählt sich im Dorf, dass in den 1970er Jahren auch mal Besucher mithelfen mussten, die Fichte aufzustellen, weil die Burschen zu viel getrunken hatten.
Uwe Köhler - Mitglied der Maibaumgesellschaft Bobeck

Nun ist es soweit: Von etwa 15 bis 18 Uhr steht das eigentliche Maibaumsetzen auf dem Programm. Richtmeister Dietmar Hädrich hat jetzt das Sagen. Allerdings letztmalig, denn er wird das Zepter an seinen Nachfolger Paul Weber abgeben. Für die fleißigen Burschen heißt es jetzt erst einmal Limo statt Bier. Denn Sicherheit geht beim Baumsetzen vor. „Man erzählt sich im Dorf, dass in den 1970er Jahren auch mal Besucher mithelfen mussten, die Fichte aufzustellen, weil die Burschen zu viel getrunken hatten. Kleinere Verletzungen wie einen geklemmten Fuß oder eine eingeklemmte Hand hatten wir auch schon.“ Ganz traditionell mit Holzstangen, die auch Scheren genannt werden und in Bobeck unter dem Namen ‚Folge‘ bekannt sind, wird die Fichte schließlich Stück für Stück aufgerichtet.

Maibaumsetzen in Bobeck im Jahr 2022.
Maibaumsetzen in Bobeck im Jahr 2022. © OTZ | Sarah Nitzschke 2022

Hüpfburg, Kinderschminken, Filmvorführung und kulinarische Köstlichkeiten nach Thüringer Art

Währenddessen können Burschen ab 65 Jahren von einer eigens für sie aufgestellten „Reservistenbank“ das Treiben beobachten. Für die Kinder ist eine Hüpfburg aufgebaut und Kinderschminken wird angeboten. Ab 13 Uhr gibt es im ehemaligen Gasthof „Zum wilden Mann“ eine Premiere. Erstmalig wird eine zirka 45-minütige Präsentation gezeigt mit alten Fotografien und Filmen aus dem Archiv vom Maibaumsetzen in Bobeck aus den vergangenen Jahrzehnten. Wolfram Keller, Ralph Hansemann, Hartmut Marx und Nicole Küßler ist es zu verdanken, dass es diese Vorstellungen am 9. Mai in Dauerschleife geben wird. Kaffee und selbstgebackener Kuchen werden offeriert, genauso wie Spezialitäten vom Grill und aus dem Ausschankwagen.

„Am nächsten Tag helfen dann noch alle beim Aufräumen mit“, sagt Uwe Köhler. Dann ist das große Spektakel erst einmal wieder vorbei – bis zum 301. Maibaumsetzen in 2025.

Eine Anekdote sei noch erzählt: Im Jahr 1996 gab es in Bobeck das erste „nicht-traditionelle Maibaumsetzen“ - und zwar im September. Der Baum vom Mai war bei einem Sturm abgeknickt und auf einen darunter stehenden Lkw gefallen. „Den Fahrzeugschaden bezahlte unsere Versicherung, ebenso den Autokran zum Aufrichten“, sagt Uwe Köhler. Der Krankorb habe damals gleich auch als Aussichtsplattform für Besucher gedient.

Termin: 8. und 9. Mai, 300. Maibaumsetzen in Bobeck