Berlin Bei "Markus Lanz" ging es diesmal um die Bundestagswahl, Spahn, Masken und heftige SPD-Attacken. Doch deren Generalsekretär blieb cool.
Im Studio von Markus Lanz tobt genau wie im Rest Deutschlands der Wahlkampf zur Bundestagswahl. Doch trotz der bohrenden Fragen von Lanz wollte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil nicht so recht mittoben und blieb lieber gelassen und analyisierend.
Seine Partei befindet sich gerade im Clinch mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Der soll laut Medienberichten von "Zeit "und "Spiegel" darüber nachgedacht haben, minderwertige FFP2-Masken an Wohnungslose und Menschen mit Behinderung abzugeben. Stimmt so nicht, sagt Spahn. "Menschenverachtende Politik", sagen die SPD-Spitzen Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Spahn solle zurücktreten. Und was sagt Klingbeil?
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Die Beweislast der Vorwürfe liegt für ihn anscheinend schon einmal bei "Zeit" und "Spiegel". Diese würden ja "behaupten, Belege zu haben", sagte Klingbeil. Dabei rückt mit Arbeitsminister Hubertus Heil, auch ein SPD-Politiker als Mitwisser immer weiter in den Fokus der neuen Masken-Affäre. Laut Heil hatte das Arbeitsministerium von den Plänen aus dem Gesundheitsministerium gewusst, diesen aber eine Absage erteilt. Nun müsse Spahn Fragen beantworten.
Also doch Rücktritt fordern? Dem wollte sich Klingbeil nicht so recht anschließen. Die harten Attacken von Esken und Walter-Borjans seien berechtigt, befand der SPD-Generalsekretär zunächst, nur um dann doch zu relativieren: "Wenn es denn stimmt, dass Jens Spahn davon wusste."
Interessanterweise saß parallel zu "Lanz" SPD-Kanzlerkanditat Olaf Scholz bei "Maischberger. Die Woche". Auch er vermied im Fernsehstudio eine klare Rücktrittsforderung an Spahn. Vielleicht hat Scholz nämlich auch erkannt, was Klingbeil bei Lanz aussprach. Der Streit sei "nichts, was Menschen dazu bewegt, ihr Kreuzchen an anderer Stelle zu machen".
„Markus Lanz“ – Das waren die Gäste:
- Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär
- Anne Hähnig, "Zeit"-Redakteurin
- Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Mitglied des FDP-Bundesvorstandes
- Dr. Dirk Heinrich, Leiter des Hamburger Impfzentrums
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SPD: Protestplakate gegen die eigene Regierungsarbeit
Lanz deckte mit seinen Fragen nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Landesebene ein Dilemma der SPD im Wahlkampf auf. Die Union anzugreifen, bedeutet als aktueller Koalitionspartner eben auch manchmal die eigene Regierungsarbeit anzugreifen. Fassungslos nannte Lanz Beispiele aus dem Wahlkampf in Sachsen-Anhalt. „Mit unserer Gesundheit zockt man nicht“ oder „Chaos in den Schulen beenden“ zitierte der Moderator zwei SPD-Slogans. Wie kam die SPD nur auf die Idee, Protestplakate zu kleben, auf denen die eigene Regierungsarbeit torpediert wurde, wollte er von Klingbeil wissen?
Selbst an dieser Stelle ließ sich der Mann mit dem derzeit "undankbarsten Job Deutschlands" (Lanz) nicht aus dem Konzept bringen: "Verbietet Teil einer Regierung zu sein, dass man darüber nachdenkt, welche Konsequenzen man aus einer Situation ziehen muss?", fragte Lars Klingbeil zurück.
Klingbeil bei Lanz: Die nächste Regierung muss einiges fundamental ändern
Der SPD-Generalsekretär meinte damit natürlich die Pandemie. Die hätte in vielen Bereichen Schwachstellen aufgezeigt, erläuterte er. Die nächste Regierung müsste dafür sorgen, dass sich einiges "fundamental ändert", und nannte unter anderem "bessere Bezahlung der Pflegekräfte" und "bezahlbaren Wohnraum" als Ziele sozialdemokratischer Bundespolitik. "Wir müssen deutlicher sagen, was wir wollen, auch in Abgrenzung zur Union."
Markus Lanz erkannte lediglich, dass die SPD in Sachsen-Anhalt "völlig weit weg von den Leuten" war. Was war da nur passiert, wollte er von Anne Hähnig wissen, dass eine Partei, die vor ein paar Jahren noch bei einer Bundestagswahl alle in Sachsen-Anhalt gewonnen hatte, bei der Landtagswahl nun nur 8,4 Prozent holen konnte?
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Die junge, in Leipzig lebende "Zeit"-Redakteurin vermisste bei der SPD auf jeden Fall einen "Kernslogan" – eine "größere Erzählung, wie das Land in zehn Jahren aussehen könnte".
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Lanz-Gäste sehen Unterschiede zwischen Stadt und Land
Mit einem speziellen Blick auf den Osten, für den die "Nachwendejahre wahnsinnig anstrengend, verzehrend" gewesen wären, kritisierte Hähnig aber auch, dass die Berliner Politik kaum Unterschiede zwischen Stadt und Land berücksichtigte: "Menschen auf dem Dorf stört es, wenn ihnen Städter Maßstäbe setzen, wie sie leben sollen", erläuterte sie. In Sachsen-Anhalt, einem Land der Pendler, hätten deshalb "alle Fragen zum Klimawandel gleich Ängste ausgelöst, wie das konkret gelingen kann".
Auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Mitglied des FDP-Bundesvorstandes, forderte, dass die Bundesregierung aus der "Großstadt-Perspektive" rauskommen müsste, und bezogen auf einen Ausbau der Digitalisierung und des öffentlichen Nahverkehrs mehr Investitionen in die Infrastruktur: "Wenn wir gleichwertige Lebensverhältnisse haben wollen, müssen wir damit anfangen."
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FDP hat sehr große Lust zu regieren
Steuererhöhungen zur Finanzierung schloss die Bundestagsabgeordnete „mit dem langen Namen“ (Lanz), aber auch mit dem "losen Mundwerk" (sie selbst) allerdings radikal aus – wie schon ihr Bundesvorsitzende Christian Lindner beim letzten FDP-Parteitag. "Wir haben sehr große Lust zu regieren", bekräftigte sie, aber nur wenn der Mittelstand nicht weiter belastet würde.
"Dann aber mit wem?", fragte Markus Lanz spitz nach, weil doch sowohl die SPD wie auch die Grünen Steuererhöhungen angekündigt, die CDU aber bisher noch nicht einmal ihr Wahlprogramm vorgelegt hatte. Mit der SPD wohl am allerwenigsten, ließ die FDP-Politikerin durchblicken. Auf mehr wollte sie sich aber nicht festlegen lassen – was zum Schluss der Sendung noch einmal die Diskussion heiß laufen ließ, weil Markus Lanz mit seinen Nachfragen nicht lockerlassen wollte.
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"Lanz": Bundestagswahl schlägt Corona
Da hatte Dirk Heinrich als vierter Studiogast längst Sendepause. Der medizinische Leiter des Hamburger Impfzentrums hatte zu Anfang des "Lanz"-Talks berichtet, wie sich der Wegfall der Priorisierung auf die Nachfrage auswirkte. Und dass es regelmäßig zu langen Schlangen vor dem Impfzentrum kam, weil die Impfwilligen selbständig ihren Termin vorverlegten. "Wir impfen, was wir können", erklärte er – bis zu 11.000 Menschen pro Tag. "Aber es gibt keinen zusätzlichen Impfstoff, die Gesamtmenge wird nur anders verteilt."
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Die Impfmoral sei weiter hoch, freute er sich. Und rechnete damit, dass bis Ende Juli „70 Prozent der Bevölkerung“ geimpft sein könnten. Aber festlegen mochte er sich nicht. „Das ist sehr schwer zu berechnen“, erklärte Dirk Heinrich: Der Impfstoff müsste jeweils zwischen Erst- und Zweitimpfung aufgeteilt werden. Die Zweitimpfung erhöhte die Gesamtstatistik aber nicht mehr.
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