Berlin. Seit vier Monaten bestimmt das Coronavirus den Alltag in Deutschland. Markus Lanz zog mit seinen Gästen Lauterbach und Streeck Bilanz.

Fast vier Monate sind vergangen, seit Jens Spahn zusammen mit Lothar Wieler vom Robert Koch-Institut und dem Virologen Christian Drosten eine der ersten Pressekonferenzen zum Coronavirus gab. Shutdown, Toilettenpapier-Knappheit und unzählige Videokonferenzen später, beginnt Deutschland sich nun wieder locker zu machen. Doch ist das die richtige Devise?

Markus Lanz zog mit seinen Gästen Bilanz und warf einen Blick darauf, wie die Pandemie sich in den nächsten Monate entwickeln könnte. Denn obwohl das Leben fast überall wieder den gewohnten Gang geht und in Berlin sogar jegliche Kontaktbeschränkungen aufgehoben wurden, wird Sars-CoV-2 weiter den Alltag in Deutschland beeinflussen. Dass die Gefahr der Infektionsherde noch nicht gebannt ist, haben Fälle wie der der Firma Tönnies im Kreis Gütersloh deutlich gezeigt.

Markus Lanz – das waren die Gäste:

  • Karl Lauterbach, SPD-Bundestagsabgeordneter und Epidemiologe
  • Prof. Hendrik Streeck, Direktor des Institutes für Virologie an der Universität Bonn
  • Prof. Karl-Heinz Leven, Medizinhistoriker
  • Cerstin Gammelin, Redakteurin „Süddeutsche Zeitung“

„Markus Lanz“: War der Corona-Lockdown übertrieben?

Doch war der anfängliche Lockdown vielleicht doch vermessen? Markus Lanz fragt den Virologen Hendrik Streeck, wie er die drastische Reaktion der Politik im Rückblick beurteilt. „Wir hatten Angst vor dem Virus, in dieser Zeit war es richtig, dafür zu sorgen, dass sich das Virus nicht ausbreitet“, sagte der Wissenschaftler von der Universität Bonn. Ihm fehle aber weiterhin ein politischer Plan, „ein Kompass“, wie in den nächsten Monaten verfahren werden soll.

SPD-Gesundheitspolitiker und Epidemiologe Karl Lauterbach sieht den Lockdown weiterhin als wichtiges Instrument zur Kontrolle der Pandemie. „Ich finde der Lockdown war angemessen, denn wir werden weltweit für das, was wir hier erreicht haben, ein Stück weit bewundert.“

Ohne Kontaktbeschränkungen und andere Maßnahmen hätte Deutschland wohl bis zu 500.000 Tote beklagen müssen, so Lauterbach. Am liebsten wolle er einige Einschränkungen sogar noch länger aufrechterhalten – beispielsweise in den Schulen. Bei einem regulären Schulbetrieb sei die Gefahr zu groß, dass sich das Virus im Herbst in den Klassen wieder ausbreiten werde.

Virologe bei Lanz: Hendrik Streeck wünscht sich mehr Pragmatismus

Doch auch hierfür liegt kein Plan in der Schublade. Sollten sich, wie zuletzt in Israel geschehen, die Schulen nach den Sommerferien zu Infektionsherden entwickeln, drohe erneut ein „Fiasko“, sagte Lauterbach bei Lanz.

Hendrik Streeck wünscht sich dagegen eine weniger „apokalyptische“ Herangehensweise und will, dass eher „pragmatisch“ vorgegangen wird. Bisher habe man nicht erkennen können, dass es in Kitas und Schulen ein erhöhtes Infektionsrisiko gebe.

In vielen Bundesländern haben Kitas den Regelbetrieb wieder aufgenommen. Aber wie groß ist die Gefahr, dass sich Kitas und Schulen zu Infektionsherden entwickeln? Die Gäste bei „Markus Lanz“ sind sich uneinig darüber, ob die Öffnung von Kitas und Schulen das richtige Vorgehen ist.
In vielen Bundesländern haben Kitas den Regelbetrieb wieder aufgenommen. Aber wie groß ist die Gefahr, dass sich Kitas und Schulen zu Infektionsherden entwickeln? Die Gäste bei „Markus Lanz“ sind sich uneinig darüber, ob die Öffnung von Kitas und Schulen das richtige Vorgehen ist. © dpa | Rolf Vennenbernd

Während Lauterbach vor schweren Covid-19-Verläufen warnt und Erkrankungen möglichst vermeiden möchte, glaubt der Virologe nicht an ein extrem restriktives Vorgehen: „Nehmen wir mal an, wir geben unser Bestes, keine neuen Infektionen zuzulassen. Wie lange soll das gehen?“

„Markus Lanz“: Lauterbach glaubt nicht an schnellen Impfstoff

Gar keine Neuinfektionen zu haben, sei illusorisch, pflichtete ihm Lauterbach bei. Trotzdem gelte es, Menschen, für die das Coronavirus eine Gefahr sei, zu schützen.

Streeck und Lauterbach mögen den langfristigen Nutzen des Lockdowns unterschiedlich beurteilen, sie sind sich aber einig, was die Zukunft angeht: Wir werden mit dem Coronavirus leben müssen. „In meinen Augen wird Corona ein Teil unseres Alltags sein“, stellte Streeck fest.

Lauterbach erklärte zu Beginn der Talkshow immerhin tröstend: „Die gute Nachricht ist, dass auch dieses Virus in fünfzig Jahren völlig harmlos sein wird.“ Die Hoffnung, dass ein Impfstoff gegen das Coronavirus gefunden wird, habe er zwar nicht aufgegeben, aber optimistisch zeigte sich der SPD-Politiker bei Lanz keineswegs: „Ich glaube nicht, dass wir so schnell etwas haben werden.“

Die ganze Folge „Markus Lanz sehen Sie hier.

So wurde die Corona-Krise bisher bei „Markus Lanz“ diskutiert: