Hamburg. Nach 16 Jahren als „Tagesschau“-Chefsprecher Jan Hofer moderiert am Montag seine letzte Sendung –und blickt auf seine Karriere zurück.

Am Montagabend geht eine Ära im deutschen Fernsehen zu Ende: Nach 36 Jahren bei der „Tagesschau“, davon 16 Jahre als Chefsprecher, moderiert Jan Hofer seine allerletzte Folge. Vor seiner letzten Sendung hat der Nachrichtensprecher im Interview mit dem „Hamburger Abendblatt“ seine Karriere Revue passieren lassen.

Als Gast in der „Abendblatt“-Reihe „Entscheider treffen Haider“ mit Chefredakteur Lars Haider sprach der 68-Jährige über seinen bisherigen Alltag als „Tagesschau“-Chefsprecher, den Druck in der Branche, besonders emotionale Momente in seiner Laufbahn und die witzigsten Irrtümer.

36 Jahre bei der „Tagesschau“: So bereitete sich Hofer auf die Sendungen vor

„Mein Arbeitsalltag sieht so aus, dass ich in der Redaktion zunächst einmal die von den Kollegen vorbereiteten Texte lese und gegebenenfalls Änderungsvorschläge für Formulierungen mache. Außerdem muss ich auf grammatikalische oder andere Fehler achten, die ja in der Sendung auf mich zurückfallen würden“, sagte Hofer.

Deshalb habe er immer versucht, früh genug im Studio zu sein – auch, um sich zu vergewissern, wie man bestimmte Wörter, Namen und mehr ausspricht. „Ich sage immer meinen Kolleginnen und Kollegen: Ihr macht nicht für 14 Millionen Zuschauer eine Sendung, ihr müsst euch vorstellen, dass ihr das für einen einzigen Menschen macht. Das funktioniert. Ich gehe inzwischen in das Studio rein wie in ein Wohnzimmer, da gibt es kein Lampenfieber mehr.“

Seine heutige Selbstsicherheit sei das Ergebnis jahrelanger Übung: Der Druck, sich vor rund 14 Millionen Zuschauern beweisen zu müssen, habe ihn zu Beginn belastet: „Die Reaktionen nicht persönlich zu nehmen, ist nicht einfach. Ich habe früher schlaflose Nächte deswegen gehabt. Man muss außerdem begreifen, dass man nie als eigenständige Person, sondern immer als Vertreter des Systems gesehen wird. Wenn jemand die ARD oder die ,Tagesschau’ ablehnt, wird er auch dich als Sprecher ablehnen.“

Jan Hofer verlässt nach 36 Jahren die „Tagesschau“.
Jan Hofer verlässt nach 36 Jahren die „Tagesschau“. © dpa | Swen Pförtner

Chefsprecher der „Tagesschau“: Jan Hofer rund um die Uhr abrufbereit

Hofer fertigte stets die Dienstpläne für alle der inzwischen 20 Sprecher an – bei plötzlich auftretenden Lücken fiel die Arbeit offenbar immer auf ihn selbst zurück: Für kurzfristige Ausfälle komme ihm sein Anwesen in Lokstedt, unweit vom Studio, besonders gelegen.

„Es hat zwei Fälle gegeben, in denen ich Weihnachten beziehungsweise Silvester innerhalb weniger Minuten wegen besonderer Lagen in den Sender musste. Einmal haben die Kollegen um fünf vor Zwölf angerufen und um fünf nach Zwölf saß ich im Studio. Das ist halt der Job“, so Hofer.

Als Sprecher der „Tagesschau“ werde man nicht dafür bezahlt, lediglich um 20 Uhr vor der Kamera zu stehen – sondern dafür, das Format an 365 Tagen 24 Stunden lang zu repräsentieren. Neben spontanen Einsätzen vor der Kamera würde auch die Kontaktpflege zu Zuschauerinnen und Zuschauern auf der Straße dazugehören.

Honorar: Jan Hofer spricht offen über das Gehalt eines „Tagesschau“-Sprechers

Beim Thema Gehalt zeigte sich Hofer ebenfalls offen wie nie: „Insgesamt kann man von den Einnahmen als „Tagesschau“-Sprecher ordentlich leben, reich werden kann man nicht. Es entspricht dem Gehalt eines gut bezahlten Angestellten“, sagte der gebürtige Rheinländer Sprecher. Bezahlt werden die Sprecher demnach pro Folge, das höchste Honorar von etwa 260 Euro bekomme man für die 20-Uhr-Sendung.

„Im Schnitt macht man drei bis vier Sendungen pro Arbeitstag, die dann aber deutlich anders bezahlt werden. Da kann man für sechs Stunden Aufwand auch mal nur auf 300 Euro Honorar kommen“, so Hofer.

„Tagesschau“: Jan Hofers denkwürdigsten Augenblicke

Seit 1985 ist Hofer bereits bei der „Tagesschau“. Einige Augenblicke wird Hofer trotz beachtlicher Anzahl an eingesprochenen Sendungen offensichtlich niemals vergessen – zum Beispiel den bewegendsten Moment seiner Karriere: „Das war mit Sicherheit die Grenzöffnung und die Wiedervereinigung.“

Jan Hofer 1985 als Sprecher der
Jan Hofer 1985 als Sprecher der "Tagesschau". © dpa | Detlef Drische

Aber auch einige Irrtümer bleiben Hofer bis heute im Kopf: Abgesehen von seinem offenbar falsch redigiertem Wikipedia-Eintrag, den er trotz etlicher Versuche nicht habe anpassen können, teilte er eine witzige Anekdote mit dem „Hamburger Abendblatt“: Offenbar war ihm ein Flirt angedichtet worden.

„Die lustigste Story hat mir neulich Verona Pooth erzählt, mit ihr und ihrem Mann sind meine Frau und ich gut befreundet. Eine Zeitschrift hatte ein Foto von Verona und meiner Frau veröffentlicht, auf dem beide ein rotes Kleid trugen. Und weil beide etwa gleich alt sind und die gleiche Haarfarbe haben, schloss der Journalist daraus, dass ich heimlich in Verona verliebt sei. Deshalb würde ich auch immer ihre Instagram-Posts liken, vor allem die Bilder, auf den sie besonders sexy aussehe“, lachte Hofer über die Falschmeldung.

Jan Hofers Ausstieg bei der „Tagesschau“: Das hat der Sprecher danach vor

Bevor Hofer endgültig seinen Sprecherplatz räumt, habe er noch eine besondere Geste geplant: „Es wird eine ganz normale ,Tagesschau’ sein, am Ende werde ich ein paar persönliche Worte sagen“, versprach er. Bei den Abschieden seiner Vorgänger Dagmar Berghoff und Jo Brauner seien alle Kolleginnen und Kollegen zusätzlich ins Studio gekommen – aufgrund der Pandemie und den entsprechenden Hygiene- und Abstandsregeln könne er sich ein derartiges Zusammenkommen nicht wirklich vorstellen.

Hofers Bewunderer müssen trotz seines „Tagesschau“-Ausstiegs offenbar nicht gänzlich auf den Sprecher verzichten: „Ich habe nicht vor, mich komplett aus den Medien zu verabschieden. Ich höre bei der ,Tagesschau’ auf, aber ich werde nicht aufhören zu arbeiten. Ich rede zum Beispiel mit meinem Management darüber, ob ich vielleicht einen Podcast machen sollte“, sagte Hofer dem „Hamburger Abendblatt“. Er selbst höre sehr gern und sehr viele Podcasts – einer seiner Favoriten sei „Zärtliche Cousinen“. (day)

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