München. Kündigt sich Nachwuchs an, richten sich Eltern ein. Auch im Auto darf ein passender Kindersitz nicht fehlen. Wie sie dabei Fehler vermeiden, erklären Experten von ADAC und Stiftung Warentest.

Für Eltern kommt die Gesundheit ihrer Kinder an erster Stelle. Das gilt auch beim Autofahren. Für Eltern junger Kinder stellt sich die Frage, welchen Sitz sie benötigen. Bei Kauf und Gebrauch passieren schnell Fehler. So ist laut Stiftung Warentest rund die Hälfte aller Kinder falsch angegurtet und wäre bei einem Unfall nicht gut geschützt.

Informieren, informieren, informieren

Woran lässt sich die Qualität eines Kindersitzes ablesen? Reiner Metzger von Stiftung Warentest sagt: Optisch und preislich lassen sich gute und schlechte Kindersitze nicht unterscheiden. Eltern sollten also ein wenig Zeit investieren und sich vorab informieren.

Orientierung können etwa die regelmäßigen Tests von ADAC und Stiftung Warentest bieten. Sie untersuchen das Verhalten beim seitlichen und frontalen Aufprall, die Bedienung, die Anpassung an die Körpergröße, Ergonomie und die Schadstoffbelastung.

Grundsätzlich müssen alle zugelassenen Sitze eine sogenannte UN-ECE-Norm erfüllen, ein internationaler Standard für Kinderautositze. Erfüllt der Sitz alle Anforderungen, erhält er ein Prüfsiegel. Drei Normen sind derzeit laut ADAC zugelassen: i-Size / UN ECE Reg. 129, UN ECE Reg. 44/04 und UN ECE Reg. 44/03. Nicht zugelassen sind ältere Sitze mit der Norm ECE-R 44/01 und 44/02. Alle zugelassenen Modelle erfüllen also Mindestanforderungen - Luft nach oben und unten gibt es aber trotzdem.

Einen Kindersitz kaufen? Oft werden daraus drei

Da Kinder bis zum 12. Lebensjahr oder einer Körpergröße von 1,50 Metern gesichert werden müssen, schaffen Eltern in der Regel zwei bis drei Kindersitze für ihren Nachwuchs an, so die Erfahrung der Warentester. Es beginnt mit der Babyschale für die ersten 15 Monate, gefolgt vom Kindersitz für Kleinkinder bis vier Jahren und endet mit dem Modell für größere Kinder. Genauso gibt es auch Klapp- und mitwachsende Sitze, die sich beliebig verändern lassen.

Gerade zu Beginn könnten Eltern von einer großen Auswahl an guten Modellen profitieren, sagt Reiner Metzger. "Bei Babyschalen ist das Niveau sehr hoch, da gibt es selten welche, die unsicher sind."

Anders sieht es bei den Sitzen für größere Kinder aus. Immer wieder schneiden sie bei Tests schlecht ab. Besonders Kombimodelle wie mitwachsende und Klappsitze müssten gewisse Kompromisse eingehen, was sich oft negativ auf Sicherheit und Handhabung auswirke.

Checkliste für den Kauf

Andreas Ratzek vom ADAC hat für Eltern einen Ratschlag: Sich gut beraten lassen und beim Kauf auf jeden Fall das eigene Auto und vor allem das Kind mitbringen. Als Projektleiter im Bereich Fahrzeugsicherheit testet er regelmäßig Kindersitze und weiß um die Tücken mancher Modelle.

Da sie sehr unterschiedlich ausfallen können, passt nicht jeder Sitz in jedes Auto. Ebenfalls hilft es, sich die Bedienung bei der Beratung zeigen zu lassen, so Ratzek. Nachlässigkeit beim Befestigen der Kindersitze kann im schlimmsten Fall ein Kinderleben kosten.

Daher hat der ADAC eine Checkliste erstellt. Diese Punkte sollten sie unter anderem beachten:

- Der Kindersitz muss sich stramm und standsicher im Fahrzeug einbauen lassen. Bei älteren Autos könnten längere Gurtschlossbefestigungen das verhindern.

- Gurte sollten möglichst geradlinig und faltenfrei verlaufen.

- Reicht die Gurtlänge aus, um Babyschalen zu befestigen? Falls nicht, sollte man zu einer separaten Basis greifen, um Anschnallfehler zu vermeiden. Diese wird per Isofix-Verbindung fest mit dem Auto verankert und der Sitz kann dann dort eingerastet werden. Solange Kinder rückwärts sitzen, raten Experten dazu.

- Der Gurt sollte sich auch bei Sitzerhöhungen mit Rückenstütze wieder selbstständig aufrollen, wenn sich das Kind nach vorne beugt.

- Achtung: Nicht alle Sitze passen in jedes Auto. Jenen mit semi-universaler Zulassung, darunter fallen alle Kindersitze mit Stützfuß, liegt meist eine Liste geeigneter Autotypen bei.

Achtung Anwendungsfehler: Gut anschnallen!

Gerade in der Bedienung der Kindersitze komme es häufig zu Anwendungsfehlern, sagen beide Experten. Obwohl die Hersteller die Handhabung laut Andreas Ratzek stetig vereinfachten, zeigten Befragungen: Kinder sitzen bei fast jeder zweiten Fahrt falsch angeschnallt im Auto, weil Eltern im Alltag zu nachlässig werden.

Dabei müssten Gurte unbedingt straff sitzen. Es darf keine Hand zwischen Gurt und Kind passen, so der Maßstab der Stiftung Warentest. Genauso wenig darf das Gurtband am Hals des Kindes vorbeiführen.

Reiner Metzger erlebt es immer wieder, dass Kinder zu klein für die Sitze sind oder zu schnell vorwärts angeschnallt werden. "Viele Unfälle passieren frontal", sagt er. Deshalb müssen Eltern ihren Nachwuchs bis zu einem Alter von 15 Monaten oder - sofern möglich - auch bis zwei Jahren rückwärts sichern.

Und selbst bei größeren Kindern sollten Eltern achtsam bleiben. Einem Aufprall könnten sie wegen der noch schwachen Muskulatur nicht Stand halten. Für Metzger gehören daher bis zum Ende der Sitzpflicht Rückenstütze und ein Seitenaufprallschutz zu einem guten Sitz dazu. Reine Sitzkissen für größere Kinder fallen für ihn durch.

Wieviel soll ein Kindersitz kosten?

Ist noch die Preisfrage zu klären: Je nach Alter des Kindes müssen Eltern zum Teil tief in die Tasche greifen. Als Richtwert für Babyschalen ohne Basis gibt Warentester Metzger zwischen 100 und 250 Euro an, mit Basis zum Festklicken sind es 100 bis 200 Euro. Jene für Kleinkinder kosten zwischen 200 und 400 Euro, aber auch gerne mehr.

Die gute Nachricht: Für Kinder ab einem Meter werden die Sitze wieder günstiger, gute Modelle sind schon für 100 bis 200 Euro zu haben.

Neue oder gebrauchte Kindersitze?

Können angesichts der Kosten auch gebrauchte Sitze eine passende Lösung sein? Der Warentest-Fachmann tut sich schwer, eine Empfehlung auszusprechen. Denn nach einem Unfall gehöre ein Kindersitz in den Müll. Und da liegt für ihn das Problem: "Man sieht einem Sitz nicht an, ob er bereits Schäden erlitten hat." Man müsse den Vorbesitzer gut kennen, wenn man gebrauchte Sitze nutzen möchte, sagt er.

Und im Urlaub oder im Taxi?

Nicht nur im eigenen Auto müssen Kinder ausreichend gesichert sein. Das gilt auch für Fahrgemeinschaften und Taxis sowie Mietwagen. Wie der ADAC vermerkt, sind Taxifahrer grundsätzlich verpflichtet, einen Kindersitz zu im Auto zu führen, Babyschalen müssen sie hingegen nicht im Repertoire haben.

Befindet sich im Auto keine passende Sicherung für Kinder, haben Eltern Anspruch darauf, dass ihnen ein anderes Fahrzeug mit Kindersitz zur Verfügung steht. Allerdings sei es "ein Glücksspiel", welche Qualität die Eltern erwartet, sagt Reiner Metzger.

Sowohl Taxi- als auch Mietwagenunternehmen müssten schließlich nur die Mindeststandards einhalten. Grundsätzlich gilt: Ohne Kindersitz zu fahren, ist die falsche Entscheidung. Nicht nur haftet der Fahrer für die Sicherheit der Kinder. Passiert ein Unfall, sind Kinder nicht ausreichend gesichert - mit schlimmstenfalls fatalen Folgen.

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