Berlin. Der künftige Kanzler Olaf Scholz kann von Kevin Kühnert als SPD-Generalsekretär profitieren. Die Personalie birgt aber auch Risiken.

Die alte Tante SPD ist für handfeste Überraschungen wirklich gut. Dass Olaf Scholz– von vielen schon ab- und runtergeschrieben – nächste Woche zum Bundeskanzler der Bundesrepu­blik Deutschland vereidigt wird, ist eine politische Sensation.

Dass Kevin Kühnert, der immerhin alles unternahm, um einen SPD-Vorsitzenden Scholz zu verhindern, jetzt mächtiger Generalsekretär der Partei wird, fällt in dieselbe Kategorie. Unvergessen ist der Freudentanz, den Kühnert vor den Kameras des NDR vollführt hat, nachdem Scholz bei der Wahl zum SPD-Chef gescheitert war.

Jörg Quoos, Chef der Zentralredaktion
Jörg Quoos, Chef der Zentralredaktion © Dirk Bruniecki

Nicht ohne Zustimmung von Olaf Scholz

Für Olaf Scholz liegt in dieser Personalie, die nicht ohne seine Zustimmung laufen kann, ein großes Risiko und eine große Chance zugleich.

Im besten Fall ist der Parteilinke Kühnert als Generalsekretär eingehegt und kann sich größere Illoyalitäten nicht mehr leisten, wenn der erste SPD-Kanzler seit 16 Jahren Tritt fassen will.

Bleibt Kühnert loyal, kann er dem Kanzler den Rücken freihalten und Jusos sowie Parteilinke bändigen, denen vielleicht zu wenig reine SPD-Lehre unter einem sozialdemokratischen Ampel-Kanzler gepredigt wird. Schon in den vergangenen Monaten hat Kühnert eine Pirouette Richtung Scholz hingelegt, die für diese These spricht.

Mehr Informationen: Lars Klingbeil: So tickt der designierte Chef der SPD

Quälgeist im Nacken? Möglich

Bleibt Kühnert aber machthungrig – wie viele Generalsekretäre vor ihm – und seiner linken Agenda zu stark verbunden, hat Scholz einen Quälgeist im Nacken, der ihm die tägliche Regierungsarbeit erschwert.

Als SPD-Kanzler in der Koalition mit so gegensätzlichen Partnern wie FDP und Grünen muss Scholz viele Kompromisse eingehen und in seiner täglichen Arbeit pragmatische Realpolitik machen. Ein linker Generalsekretär Kühnert, der ihm dabei die Beinfreiheit rauben will, wäre das Letzte, was er braucht.