Berlin EU-Zuwanderer sollen nach einem Urteil früher als bisher Kindergeld bekommen. Droht nun eine gezielte Migration in die Familienkasse?
- Wer nach Deutschland umzieht, kann hier Kindergeld beantragen – selbst wenn man keinen Job hat
- Die Familienkasse konnte bislang die Zahlung unter gewissen Voraussetzungen verweigern
- Nach einem neuen EU-Urteil geht das nun nicht mehr
Jeder EU-Bürgerin oder Bürger kann nach Deutschland ziehen und ohne einen Job umgehend Kindergeld beantragen. Die Familienkasse muss zahlen. Seit Montag lässt ihr der Gerichtshof der EU, der EuGH, keine andere Wahl. Droht ein Anstieg der gezielten Migration ins Sozialsystem?
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Um das zu vermeiden, durfte die Familienkasse seit Juli 2019 die Auszahlung verweigern, wenn ein Antragsteller in den ersten drei Monaten keine "inländischen Einkünfte" bezieht. Mit dieser Zeitsperre wollte sich eine Bulgarin nicht abfinden, die mit ihren drei Kindern und ihrem Mann nach Bremen gezogen war. Sie klagte, ihr Fall wurde dem EuGH in Luxemburg vorgelegt – mit einem für sie glücklichen Ende.
Kindergeld: "Dringendes Anliegen" vom Finanzminister
Das Bundesfinanzministerium will das Urteil und seine Begründung "unverzüglich überprüfen". Es sei ein "dringendes Anliegen", das Ziel weiterhin zu erreichen, "eine unangemessene Inanspruchnahme des sozialen Systems in Deutschland zu verhindern", erklärte das Ressort von FDP-Minister Christian Lindner auf Anfrage unserer Redaktion.
Dabei lässt das Urteil zu, die Auszahlung von Kindergeld zu verweigern. Nur muss die Regelung für alle gleich sein. Wenn ein Deutscher aus einem EU-Staat zurückkehrt, bekommt er Kindergeld; unabhängig davon, ob er wirtschaftlich aktiv ist. Doch Unionsbürger sollen genauso behandelt werden wie Inländer. Im Prinzip muss ein Ausländer mit Anspruch auf Kindergeld nur zwei Bedingungen erfüllen:
- Einen gültigen Personalausweis oder Reisepasses vorlegen;
- Und darlegen, dass er in den drei Monaten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und nicht bloß vorübergehend im Land ist, beispielsweise als Tourist.
EuGH-Urteil: Gerichtsniederlage mit Ansage
Das Urteil kam nicht überraschend. Dasselbe Gericht hatte zuvor entschieden, dass Familienleistungen für Wanderarbeitnehmer "exakt" denen für Inländer entsprechen müssen. Auch Politisch war es eine Niederlage mit Ansage. Im Bundestag hatten Verbände vorausgesagt, die dreimonatige Ausschlussklausel werde vor dem EuGH scheitern.
Für die Richter ist Kindergeld keine Sozialhilfe. Es gehe nicht um die Sicherung des Lebensunterhalts, sondern um einen Ausgleich von Familienlasten. Hartz-IV kann verweigert werden – Kindergeld nicht.
Kindergeld: Politiker beklagen Missbrauch
2018 hatten viele Kommunalpolitiker, allen voran Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD), den organisierten Missbrauch beim Kindergeld beklagt; sogar in den Fällen, in denen die Kinder in der Heimat bleiben. Ein Jahr später hatte die Große Koalition von SPD und Union die Vorschriften verschärft, die nun durchgefallen sind.
Offen ist, welche Konsequenzen die Bundesregierung aus dem Urteil ziehen will. Das Sozialministerium fühlt sich nicht zuständig, die Familienkasse sei eine Behörde der Finanzen. Auch die Unions-Fraktion, die einst die Verschärfung forciert hatte, hält sich zurück.
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Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.
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