Berlin. Hitzewellen in Städten sind schon jetzt gefährlich - und es wird noch heißer. DWD-Experte Andreas Matzarakis erklärt, was das bedeutet.

Es wird heiß in Europa. Schneller als im globalen Durchschnitt erwärmt sich der Kontinent durch den menschengemachten Klimawandel, das bestätigte der Weltklimarat IPCC in seinem jüngsten Bericht erneut. Hitze gehört laut IPCC zu den vier Kernrisiken der Klimakrise in Europa. Und am heißesten wird es in den Städten werden. Andreas Matzarakis ist Medizin-Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst und forscht zu Klimafolgen und Stadtklimatologie. Im Kurzinterview erklärt er, für wen die Hitze in den Städten zum Problem werden wird und wie wir uns darauf vorbereiten können.

Herr Matzarakis, der neue IPCC-Bericht bestätigt erneut, dass der Klimawandel voll im Gang ist und die Erde immer wärmer wird. Was heißt das für das Leben in Städten in Zukunft?

Andreas Matzarakis: Städte sind Wärmeinseln, vor allem in den Nächten ist die Temperatur in der Stadt höher als im Umland. Das liegt daran, dass die Sonnenstrahlen, die auf die Gebäude treffen, nicht zurückgeworfen werden in den Himmel, sondern zu großen Teilen auf andere Gebäude, die sie wieder reflektieren. Die Wärme bleibt zwischen den Gebäuden gefangen. Zum anderen bestehen Städte aus Materialien wie Beton, die Wärme speichern und nachts wieder abgeben. Schon jetzt sind Städte deswegen zwischen 1,5 Grad und 3 Grad heißer als ihre Umgebung – das ist der genau der Korridor an Erwärmung, den wir auch durch den menschengemachten Klimawandel bis zum Ende des Jahrhunderts erwarten. Diese Erwärmung kommt dann nochmal oben drauf. Die Städte erwärmen sich also weiter, Hitzewellen werden noch heißer.

Was bedeutet das für Menschen, die in der Stadt wohnen?

Matzarakis: Die Hitze trifft vor allem vulnerable Gruppen – das sind kleine Kinder, Kranke, alte Menschen, Obdachlose und Menschen, die draußen arbeiten. Für sie bedeutet die Hitze ein ernsthaftes gesundheitliches Risiko. Aber auch für alle anderen wird es sehr beschwerlich, zum Beispiel, weil Hitze den Schlaf beeinträchtigt und verschlechtert. Je länger die Hitze dauert, umso größer wird der Hitzestress. Besonders betroffen sind Stadtviertel, die dicht bebaut sind und wenig Grünflächen haben.

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Wie können wir uns an die höheren Temperaturen anpassen?

Matzarakis: Wir müssen die Faktoren, die zu einer Intensivierung der Hitze führen, reduzieren. Das betrifft zum Beispiel die Breite von Straßen und die Oberflächen von Gebäuden. Wir brauchen viel mehr Grün in der Stadt, in Form von Parks oder Bäumen, aber auch als Fassadenbegrünung. Das ist die langfristige Lösung. Solche Umbauten dauern, mehrere Jahrzehnte. Kurzfristig müssen wir die Menschen über die Gefahren informieren.

Wir brauchen Frühwarnsysteme für Hitze, damit wir uns vorbereiten können und zum Beispiel nicht gezwungen sind, in der größten Hitze mittags das Haus zu verlassen. Und wir sollten uns umeinander kümmern. Viele ältere Menschen leben allein, für sie kann Hitze sehr bedrohlich werden. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, dass Freiwillige regelmäßig nach ihren Nachbarinnen und Nachbarn schauen. Kühle Gebäude wie Kirchen oder Stadien können als Orte zur Abkühlung genutzt werden. Wir haben inzwischen Hitzeaktionspläne in vielen Städten und Gemeinden. Das Thema ist bei den Menschen angekommen.

Muss sich unser Verhalten verändern?

Matzarakis: Wir müssen nicht unbedingt Siesta machen, aber ja, wir müssen unser Verhalten anpassen. Man könnte zum Beispiel die Arbeitszeiten anpassen, da wo es geht – früher anfangen, früher aufhören. Mehr Gleitzeit und Homeoffice, damit die Menschen zuhause bleiben können und weniger der Hitze ausgesetzt sind. Wir werden uns an mehr Zeiten gewöhnen müssen, in denen wir die Fenster abschatten, um die Innenräume kühl zu halten. Ansonsten gilt, was wir auch jetzt schon von sehr heißen Tagen kennen: Wenig Aktivität, leichte Kost. Nicht unbedingt joggen gehen, wenn 35 Grad sind.