Athen. Papst Franziskus besucht ein Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Lesbos. Die Europäer mahnt er zur Solidarität mit Migranten.

Ein Selfie mit dem Papst: Für einige Migranten im Lager Mavrovouni auf der griechischen Insel Lesbos geht dieser Wunsch am Sonntag in Erfüllung. Gleich bei seiner Ankunft vor dem Camp steigt Papst Franziskus aus seinem kleinen Fiat, geht auf die Menschen hinter den Absperrungen zu, schüttelt Hände und tätschelt Kindern die Köpfe.

Für viele Menschen, die in diesem Lager auf ihre Asylbescheide warten, verkörpert der Papst eine Hoffnung, auch wenn sie in ihrer großen Mehrheit Muslime sind und in ihm nicht den Oberhirten sehen. Es ist eine eher weltliche Verheißung, die auf eine gesicherte Zukunft in Europa.

Papst: Auch die Mi­gration ist ein „Weltproblem“

Etwa 100 Migranten finden in dem weißen Zelt Platz, das eigens für den Besuch des Papstes im Lager errichtet wurde. Sie hören eine eindringliche Ansprache. In der Pandemie habe die Welt gelernt, dass der Kampf gegen das Virus nur im globalen Maßstab erfolgreich sein könne, sagt der Papst.

Im Umgang mit Geflüchteten sei dagegen „ein schrecklicher Stillstand“ festzustellen, kritisiert Franziskus. Dabei sei doch auch die Mi­gration ein „Weltproblem“. Franziskus erinnert an das Schicksal vieler, die keine rettende Insel erreichten. Er spricht von einem „Schiffbruch der Zivilisation“: Das Mittelmeer sei heute ein „kalter Friedhof ohne Grabsteine“, warnt der Papst.

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Man dürfe nicht zulassen, dass „aus dem Mare Nostrum ein Meer der Toten wird“. Immer wieder kommt Franziskus auf das Leid der Flüchtlingskinder zu sprechen. „Lasst uns in die Gesichter der Kinder sehen und den Mut finden, uns zu schämen“, mahnt Franziskus.

Papst besucht Lesbos schon zum zweiten Mal

Es war bereits der zweite Besuch des Papstes auf Lesbos. „Ich bin wieder hierhergekommen, um euch in die Augen zu sehen und zu sagen, dass ich euch nahe bin“, betont Franziskus. Schon im April 2016 hatte er das berüchtigte Flüchtlingslager Moria besucht. Damals nahm er drei muslimische Familien aus Syrien mit in den Vatikan. Später stieg die Zahl der Migranten von 4000 auf zeitweilig 23.000.

Im September 2020 brannte das Lager Moria ab. Heute leben etwa 2200 Schutzsuchende im provisorischen Lager Mavrovouni am Rand der Inselhauptstadt Mytilini.

Griechenland, Zypern und Italien tragen Hauptlast

Ein neues Erstaufnahmelager mit Wohncontainern ist im Bau. Mit ihrer Forderung nach einer gemeinsamen europäischen Migrations- und Asylpolitik haben sich die Griechen immer noch nicht durchsetzen können. Die Vorstöße scheitern bislang vor allem am Einspruch mehrerer osteuropäischer Mitgliedstaaten, die überhaupt keine Mi­granten aufnehmen wollen.

Länder wie Griechenland, Zypern und Italien tragen deshalb die Hauptlast. Darauf ging Franziskus ein, als er mahnte: „Lasst uns aufhören, ständig Verantwortung wegzuschieben, die Migrationsfrage an andere weiterzugeben, als ob sie niemanden angehe und eine Bürde sei, die jemand anderes schultern soll.“

Kritik an „Gleichgültigkeit des Westens“

Schon am Sonnabend hatte Franziskus in einer Rede in Athen an die europäischen Regierungen appelliert, jedes Land möge „entsprechend seiner Möglichkeiten Migranten aufnehmen“. Der Pontifex beklagte, Europa mache sich in der Migrationspolitik zum „Opfer nationalistischer Eigeninteressen, statt ein Antrieb der Solidarität zu sein“.

Das Migrationsthema nahm auch auf Zypern, wo Franziskus am Donnerstag seine Reise begonnen hatte, breiten Raum ein. Bei einem Treffen in der Kirche Santa Croce in Nikosia erzählten Geflüchtete von ihren traumatischen Erlebnissen.

Der Papst geißelte das Elend auf den Flüchtlingsrouten und die Ausbeutungspraktiken der Schleuserbanden: „Das ist die Geschichte einer universalen Sklaverei“, unterstrich Franziskus und kritisierte die „Gleichgültigkeit des Westens“ gegenüber Migranten: „Wir sehen, was passiert. Noch schlimmer, wir gewöhnen uns daran.“