Berlin. Wo Rauch ist, ist auch Feuer? Oder doch bloß: Fake-News? Gerüchte über Putins Gesundheit und seine Doppelgänger werden immer grotesker.
Seit Wochen reißen die Gerüchte nicht ab, Kremlchef Wladimir Putin sei tot. Längst hätten Doppelgänger seinen Platz eingenommen. Man kann das belächeln. Ignoriert werden die Gerüchte nicht. Auch nicht im Kreml. „Putin – haben wir einen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow Anfang November auf dem Forum „Rossija“. Peskow nahm es mit Humor, er versuchte es mit Ironie.
Gerüchte sollten halbwegs plausibel klingen. Über die Gesundheit des 71-Jährigen wird seit Langem spekuliert, auch in britischen und amerikanischen Geheimdienstkreisen. Mitten im Ukraine-Krieg spiegeln sie womöglich nur westliches Wunschdenken wider. Und über Doppelgänger wird wiederum schon seit Sommer 2020 getuschelt.
Putin: „Ich habe auf Doppelgänger verzichtet“
Doppelgänger sind eine realistische Option. Putin hatte selbst mal gesagt, dass ihm aus Sicherheitsgründen ein Doppelgänger bei offiziellen Terminen ans Herz gelegt worden sei. Putin: „Die Idee kam auf, aber ich habe auf Doppelgänger verzichtet.“
Selbstredend geht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj davon aus, dass Putins Tage gezählt sind, erst recht seit dem Tod von Jegweni Prigoschin, dem früheren Chef der Söldnergruppe Wagner. Seither sieht Selenskyj-Berater Mychailo Podoljak den Kremlchef in seiner Machtposition stark geschwächt. Und genau darauf setzt das jüngste Gerücht über Putin politisch auf.
Die Verschwörungstheorie vom Putsch und Machtkampf
26. Oktober 2023: Über das soziale Netzwerk Telegram geht eine Meldung viral. „Derzeit gibt es in Russland einen Putschversuch! Der russische Präsident Wladimir Putin ist heute Abend in seiner Residenz in Waldai gestorben. Um 20.42 Uhr Moskauer Zeit stoppten die Ärzte die Wiederbelebung und erklärten den Tod..“
460.000 Abonnenten hat der Account. Der Inhaber bezeichnet sich als General des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR. Er behauptet, Putins Leiche werde in einem Kühlfach aufbewahrt. Seither laufe hinter den Kulissen ein Machtkampf: Zwischen Ministerpräsident Michail Mischustin und Nikolaj Patruschew, der ehemalige Chef des FSB und jetzt Sekretär des Sicherheitsrates. Solange der nicht entschieden sei, würden Doppelgänger die Illusion vom ewigen Putin aufrechterhalten.
„Die Zweitbesetzung fühlt sich sehr wohl im Umgang mit Menschen“
Der russische Journalist Mikhail Zygar schreibt im „Spiegel“, „Putin im Kühlschrank“ sei in seiner Heimat „zum wichtigsten Meme des Jahres“ geworden. Das Doppelgängermotiv hat in Russland eine Tradition. In der russischen Geschichte machten schon mal falsche Zaren von sich reden. Über Prigoschin glauben viele Russen, dass er noch lebt. Auch über die Gesundheit des weißrussischen Diktator Lukaschenko wird in schöner Regelmäßigkeit auch spekuliert. Schließlich: Wie heißt eine der populärsten Erzählungen des russischen Schriftstellers Fjodor Dostowjewski? „Der Doppelgänger.“
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Erstaunlich ist, dass der Kreml solche Spekulationen laufen lässt, wenn nicht sogar fördert. Eine Erklärung für diese Annahme ist Waleri Solowej – ein ehemaliger Professor des Moskauer Staatlichen Instituts für Internationale Beziehungen. Ihm wird eine Nähe zum Telegram-Kanal nachgesagt; auf ihn gehen zahlreiche Spekulationen über Putin zurück. Und trotzdem lebt er nach ZDF-Recherchen unbehelligt in Moskau. Warum? Weil das Verwirrspiel politisch gewollt ist?
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Vollends absurd wird es, wenn der Kanal seine Abonnenten über Putins Doppelgänger auf dem Laufenden hält. O-Ton: „Liebe Abonnenten und Gäste des Kanals! Gestern ging der Doppelgänger des russischen Präsidenten Wladimir Putin seiner Lieblingsbeschäftigung nach – Treffen mit Gouverneuren. Die Zweitbesetzung fühlt sich sehr wohl im Umgang mit Menschen.“
Patriarch bringt Zuhörer auf komische Ideen
Was viele stutzig macht, sind keine äußerlichen Unterschiede zwischen Putin und mutmaßlichen Doppelgängern, sondern die Brüche in Putins Verhalten: Zwei Jahre ließ er niemanden ohne Corona-Quarantäne in seine Nähe, Gäste wurden an einen absurd langen Tisch platziert, und das orthodoxe Weihnachtsfest beging er einsam in einer Kirche. Aber derselbe Putin gönnte sich dann im Juli 2023 ein Bad in der Menge. Mal strotzte er vor Kraft, mal staunte das Netz über Videos, wie Putin seine Füße und Beine während eines Treffens mit Lukaschenko vor laufenden Kameras nicht stillhalten kann.
Ebenfalls Ende Juli, während des Russland-Afrika-Gipfels, nannte Patriarch Kirill, das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Putin „Wladimir Wassiljewitsch“. Um sich gleich hastig zu korrigieren – Verschwörungstheoretiker Solowej fühlte sich bestätigt.
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