Jena. Seit mehr als sieben Tagen ist der größte Hörsaal der Universität Jena besetzt – einer Aufforderung zur Räumung folgten die Protestierenden nicht.
Mehrere Vertreter der Universitätsleitung hatten sich am Dienstag im Hörsaal 1 eingefunden, der seit mehr als einer Woche von Studierenden besetzt wird. Nach einer halben Stunde allerdings verließen die Universitätsvertreter den Hörsaal, ohne ein Wort gesagt zu haben.
Neben dem Erhalt des Lehrstuhls für Geschlechtergeschichte fordern die Studierenden mehr Mitbestimmung sowie ein Handeln der Universität gegen die prekären ökonomischen Verhältnisse von Studenten, unter anderem durch Tarifverträge für studentisch Beschäftigte.
Am vergangenen Freitag habe es ein Gespräch zwischen Universitätsleitung und einer Gruppe von Studierenden gegeben, dessen Verlauf beidseitig positiv eingeschätzt wurde. Am Montag, 5. Dezember, forderte die Universitätsleitung dennoch das Verlassen des Hörsaals als Bedingung für weitere Verhandlungen. Daraufhin mobilisierten die Besetzerinnen und Besetzer, um eine Räumung zu verhindern. Etwa 500 Studierende fanden sich im Hörsaal ein. Zunächst machten die Protestierenden ihre Positionen deutlich, mehrmals wurde skandiert: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns den Lehrstuhl klaut“.
Da sich die Uni-Leitung weigerte, für Fragen zur Verfügung zu stehen, folgte ein basisdemokratischer Abstimmungsprozess, ob ein Vertreter der Universität dennoch sprechen dürfe. Aus dem Auditorium hieß es dazu: Ein Monolog habe nichts mit einem Dialog zu tun. Schließlich deutete sich eine Lösung an: Fragen könnten schriftlich gestellt werden und im Nachhinein von der Uni-Leitung beantwortet werden. Es kam nicht dazu. Nach etwa einer halben Stunde verließen die Vertreter der Universität den Saal ohne gesprochen zu haben. Man sei interessiert gewesen am Statement der Unileitung, sagt Besetzer Toni.
Doch „basisdemokratische Prozesse erfordern Geduld“, sie seien zuweilen anstrengend. Zwischenzeitlich hieß es, dass Carolin Lichtenheld, die in Jena Jura studiere und Mitglied der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative sei, über die sozialen Medien zum Gegenprotest aufgerufen habe. Für die Besetzer ein Ausdruck dafür, dass der Erhalt des Lehrstuhls für Geschlechtergeschichte ein politisches Thema sei.
Uwe Cantner erklärte gegenüber unserer Zeitung: „Wir haben die Pflicht, den Lehrbetrieb aufrecht zu erhalten.“ Daher fordere man die Räumung des Hörsaals, biete jedoch einen Ausweichraum an, in dem die Diskussion fortgesetzt werden könne. Man sei in vielen Punkten mit den Besetzern „nahezu gleicher Meinung“, so Cantner. Natürlich sei die Universität nicht interessiert an einem Studentenprekariat.
Einen „Rechtsruck“ gebe es mit der Universität Jena ebenso wenig, da bestehe ein Konsens. Die Unileitung allerdings „tue einen Teufel“, sich in Fakultätsentscheidungen einzumischen. Der Fakultätsrat bestehe aus Experten, und die Entscheidung über den Lehrstuhl für Geschlechtergeschichte sei demokratisch und juristisch ordentlich abgelaufen, so Cantner. Geräumt werden soll zunächst nicht, die Besetzung bleibt bestehen.