Berlin. Ökostrom wird immer beliebter. Wenn auch Sie mit dem Gedanken an einen Tarifwechsel spielen, sollten Sie ein paar Punkte beachten.

Auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft spielt die Stromversorgung eine bedeutende Rolle. Kohlekraftwerke gelten wegen ihres besonders hohen CO2-Ausstoßes als Klimakiller Nummer eins. Und im Fall von Braunkohle hinterlassen die ausgebeuteten Tagebaue zudem noch riesige, unbewohnbare Kraterlandschaften. Immer mehr Menschen setzen daher auf Ökostrom, vor allem aus Solarzellen und Windparks. Doch wie kommt grüner Strom aus Ihrer Steckdose? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Kommt aus meiner Steckdose wirklich Ökostrom?

Technisch gesehen gibt es im Stromnetz keinen Unterschied zwischen Strom aus einem Kohlekraftwerk oder von einem Windrad. Aus der Steckdose kommt daher immer ein Mix entsprechend der aktuellen Stromproduktion. An sonnigen und windigen Tagen ist das mehr Ökostrom von Windrädern und Solaranlagen. Nachts und bei bewölktem Himmel werden Kohle- und Gaskraftwerke hochgefahren.

Im Gesamtjahr 2020 standen erneuerbare Energien für 50,5 Prozent des deutschen Strommixes. Kohle und Gas hatten einen Anteil von 24,1, beziehungsweise 12,1 Prozent. Atomkraftwerke kamen auf 12,5 Prozent. Deren Ende steht jedoch bevor: Die letzten drei Reaktoren in Deutschland müssen Ende 2022 vom Netz gehen.

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Bekomme ich immer Ökostrom, wenn ich einen grünen Tarif buche?

Das ist tatsächlich nicht immer so. "Ökostrom" oder "grüne Energie" sind in Deutschland keine geschützten Begriffe. "Deshalb ist es für VerbraucherInnen wichtig, auf entsprechende Siegel zu achten", rät Marktexperte Edgar Kirk vom Online-Vergleichsportal Check24. Das sind etwa das seit 20 Jahren etablierte ok-power-Siegel und das noch ein Jahr ältere Grüner-Strom-Label.

Denn nicht jeder Stromanbieter habe ausschließlich Ökostrom im Angebot und nicht jeder Ökotarif unterstütze auch die Energiewende in Deutschland: In einigen Fällen wird Ökostrom auch importiert, sodass er zwar umweltfreundlich ist, die Energiewende in Deutschland aber nicht gefördert wird. Hinzu kommt ein weiterer Fallstrick, sagt Kirk: "Außerdem haben Anbieter auch die Möglichkeit, grüne Zertifikate einzukaufen und dadurch ihren konventionell erzeugten Strom umzuetikettieren und als Ökostrom zu vermarkten."

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Wie kann ich den Ausbau der erneuerbaren Energien unterstützen?

Wer sich keine Solaranlage aufs Dach setzen kann, kann die Energiewende mit einem geeigneten Ökostrom-Tarif vorantreiben. "Dazu sollte man Tarife wählen, bei denen die Anbieter garantieren, lokale Ökostromproduktionen zu fördern und damit den Anteil an konventionell erzeugtem Strom auf dem Markt zu verringern", sagt Kirk.

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Wie hoch sind die Mehrkosten für Ökostrom?

Dass Ökostrom mehr kostet als "normale" Stromtarife, stimmt heute nicht mehr. "Moderne Anlagen zur Erzeugung von Ökostrom stellen Strom auf wettbewerbstauglichem Preisniveau bereit", sagt Edgar Kirk von Check24. "Basis-Ökostromtarife gehören häufig sogar zu den günstigsten Angeboten im Markt." Im Vergleich zur örtlichen Grundversorgung seien auch nachhaltige Ökostromtarife häufig günstiger. "Ein Vergleich der Angebote lohnt sich in jedem Fall", sagt der Experte.

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Welche Möglichkeiten habe ich, meinen eigenen Ökostrom zu nutzen?

Das ist für Eigenheimbesitzer am einfachsten möglich mit einer Kombination aus einer Solaranlage auf dem Dach und einem Stromspeicher im Keller. Das wohl bekannteste Produkt in diesem Segment stammt vom US-Elektroautopionier Tesla, die Tesla Powerwall. Das Speichermodul hat eine Kapazität von 13,5 Kilowattstunden – das entspricht etwa dem täglichen Stromverbrauch einer vierköpfigen Familie. Solche Anlagen gibt es auch von zahlreichen weiteren Herstellern, auch aus Deutschland.

Für Mieter in größeren Wohnhäusern ist die Lage schwieriger. Trotz einer staatlichen Förderung des sogenannten Mieterstroms lohnt sich der Verbrauch des auf dem Dach erzeugten Stroms oft nicht. Vorteilen wie dem Entfallen von Netz­entgelten, Konzes­sions­abgaben und Strom­steuer stehen teure Messtechnik und viel Bürokratie gegenüber.

Wie läuft der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland?

Kritiker sagen: Zu langsam, um die Klimaerwärmung zu begrenzen. Tatsächlich ist der Ökostrom-Anteil von sechs Prozent im Jahr 2000 auf zuletzt 50,5 Prozent gestiegen – und liegt damit weit über dem Ziel der bisherigen Bundesregierung von 35 Prozent für das Jahr 2020. Bei den Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und FDP geht es nun um eine weitere Beschleunigung.

So sollen künftig bis zu zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft genutzt werden können – bislang sind laut Umweltbundesamt 0,9 Prozent für Windkraft ausgewiesen. Einige Bundesländer wie Niedersachsen (6352 Windräder), Brandenburg (3900) und Schleswig-Holstein (3373) setzten bereits sehr stark auf Windkraft.

Andere, wie Bayern und Baden-Württemberg, haben Nachholbedarf: In den großen Bundesländern stehen nur 1172, beziehungsweise 735 Windräder. Je weniger Ökostrom vor Ort erzeugt wird, umso mehr muss dieser mit Hochspannungsleitungen aus Norddeutschland herangeschafft werden.

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Warum sind weiterhin Kohle- und Gaskraftwerke nötig?

Das hat mit der Versorgungssicherheit zu tun. Solarzellen liefern nur tagsüber Strom und der Wind treibt Windräder nicht immer gleich stark an, manchmal auch gar nicht. Und Stromspeicher gibt es kaum – es handelt sich um den wunden Punkt der Energiewende, für den es bislang keine Strategie gibt. Daher bleiben konventionelle Kraftwerke weiterhin erforderlich. Für den schlimmsten Fall der Dunkelflaute – nachts und Windstille – müssen weiterhin so viele konventionelle Kraftwerke bereitgehalten werden, um den gesamten Strombedarf der Bundesrepublik zu decken.