Berlin. Ständige Bauchschmerzen bei Kindern können extrem belastend sein. Die Analyse von 33 Studien zeigt, welche Therapien wirklich helfen.

Bauchschmerzen gehören bei Kindern zu den häufigsten Beschwerden. Findet sich trotz gründlicher Untersuchung dafür keine organische Ursache, spricht man von funktionellen Bauchschmerzen. „Für die betroffenen Kinder und ihre Familien können die häufigen Bauchschmerzen ohne erkennbaren Grund extrem belastend sein. Aber dass keine körperliche Ursache gefunden wird, heißt nicht, dass die Schmerzen eingebildet oder gar vorgetäuscht sind“, sagt Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin.

Es ist bekannt, dass es sich bei etwa 80 Prozent der wiederkehrenden Bauchschmerzen um funktionelle Bauchschmerzen handelt. Wie sie entstehen, ist noch nicht vollständig geklärt. Es gibt Hinweise darauf, dass eine familiäre Veranlagung bestehen kann. Aber auch vorangegangene Darminfektionen können zur Entstehung beitragen.

Bauchschmerzen – ist die gestörte Kommunikation schuld?

In der Medizin geht man davon aus, dass bei funktionellen Bauchschmerzen die Kommunikation zwischen Magen-Darm-Trakt und Gehirn gestört ist. Rodeck erklärt: „Bei den betroffenen Kindern werden ‚normale‘ Körpersignale, etwa die Dehnung des Darms bei der Nahrungs- und Stuhlpassage, im Gehirn sehr viel schneller der Kategorie Schmerz zugeordnet als bei anderen Menschen.“

In der Praxis hat sich gezeigt, dass pflanzliche Präparate wie Pfefferminzölkapseln bei einigen Kindern die funktionellen Bauchschmerzen lindern können. „Sie dämpfen die Intensität der aus dem Magen-Darm-Trakt an das Gehirn gesendeten Signale“, so Rodeck. „Manche Kinder profitieren auch von der Einnahme von Probiotika.“ Geht es den Kindern mit diesen Präparaten nicht besser, bietet ihnen der Kinderarzt oft eine psychotherapeutische Maßnahme an.

Dass dieses Vorgehen genau richtig ist, zeigen die Ergebnisse einer jüngst veröffentlichten Analyse von wissenschaftlichen Studien. Darin zeigte sich, dass funktionelle Bauchschmerzen am besten durch eine kognitive Verhaltenstherapie gelindert werden. Auch eine Hypnotherapie kann von Nutzen sein. Dabei werden Trance und Suggestionen therapeutisch genutzt, um eine Heilung zu fördern.

Funktionelles Bauchweh führt oft in einen Teufelskreis

Für Burkhard Rodeck kommen die Ergebnisse der wissenschaftlichen Analyse nicht überraschend: „Psychosoziale Faktoren spielen bei funktionellen Bauchschmerzen eine wichtige Rolle. Oft ist es deshalb für die Kinder und auch deren Eltern bereits sehr entlastend, wenn sie vom Arzt über die Zusammenhänge und Mechanismen, die bei funktionellen Bauchschmerzen eine Rolle spielen, aufgeklärt werden“, sagt der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin. Auch interessant: Online-Therapie: Können Apps gegen Depressionen helfen?

Denn häufig geraten Kinder mit funktionellen Bauchschmerzen in einen Teufelskreis: „Bei einigen Menschen ist das ‚Tor‘ für die Wahrnehmung von Schmerz im Gehirn sehr klein, nur starke Signale, die aus dem Magen-Darm-Trakt ankommen, werden als Schmerzen eingestuft“, so Rodeck. Bei anderen, etwa Kindern mit funktionellen Bauchschmerzen, sei dieses Tor aber sehr groß, sodass bereits schwächste Signale als Schmerzen wahrgenommen werden. Nähmen Kinder mit funktionellen Bauchschmerzen das Schmerzsignal wahr, würden aber von Eltern oder Arzt nicht ernst genommen, führe das zu Frustration und Verzweiflung. Diese negative Erfahrung kann das Schmerztor noch weiter öffnen.

Das Therapieziel bei funktionellen Bauchschmerzen ist deshalb, diesen Teufelskreis zu durchbrechen und die Schmerzwahrnehmung herunter zu regulieren – etwa mit kognitiver Verhaltenstherapie, Erziehungshilfe, Hypnotherapie, Entspannungsübungen, Yoga oder Osteopathie. Geklärt war bisher aber nicht, welche dieser Verfahren tatsächlich wirksam sind.

33 Studien mit mehr als 2600 Kindern ausgewertet

Eine Gruppe britischer Forschender analysierte deshalb 33 Studien, in denen verschiedene Therapieverfahren bei mehr als 2600 Kindern mit funktionellen Bauchschmerzen untersucht wurden. Professor Morris Gordon von der University of Central Lancashire in Preston und seine Kollegen berichten, dass Kinder mit funktionellen Bauchschmerzen unter all den untersuchten Therapieverfahren am meisten von einer kognitiven Verhaltenstherapie oder einer Hypnotherapie profitierten. Lesen Sie auch:Operationen unter Hypnose - was Ärzte sagen

Kinder, die eine kognitive Verhaltenstherapie erhielten, hatten deutlich seltener funktionelle Bauchschmerzen als Kinder ohne eine solche Therapie. Traten dennoch Bauchschmerzen auf, waren diese meist weniger stark ausgeprägt. Ähnliches war bei Kindern zu beobachten, die mit einer Hypnotherapie behandelt wurden.

„Im Schnitt führten diese Therapien bei einem von fünf Kindern zum Erfolg“, schreiben die Forschenden im Fachjournal „Jama Psychiatry“. Die anderen untersuchten Therapieverfahren waren in den Studien nicht wirksamer als gar keine Therapie. Morris und sein Team weisen aber darauf hin, dass die Ergebnisse der untersuchten Studien nicht immer eindeutig gewesen seien.

Es braucht nicht immer eine professionelle Begleitung

„Die Therapie funktioneller Bauchschmerzen ist nicht vergleichbar mit der Therapie zum Beispiel einer Scharlacherkrankung, bei der Penizillin gegeben wird in dem Wissen, dass sie dadurch garantiert geheilt wird“, erklärt Rodeck. „Es gibt auch aus der täglichen Praxis Hinweise, dass eine kognitive Verhaltenstherapie und möglicherweise auch eine Hypnotherapie helfen können, aber dies muss nicht für jeden Patienten gelten.“

Für Kinder mit funktionellen Bauchschmerzen müsse man sich als Arzt Zeit nehmen, um zu reden, zu erklären und Möglichkeiten sowie Strategien aufzuzeigen, die zur Schmerzbewältigung beitragen, erklärt der Kinder- und Jugendmediziner. Das bedeute nicht direkt die Überweisung zum Psychologen. Erste verhaltenstherapeutische Maßnahmen könnten auch direkt beim Kinderarzt erfolgen.

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„Manche Patienten kommen mit dem aus, was wir an verhaltenstherapeutischen Ansätzen auch als Kinder- und Jugendärzte anbieten, andere benötigen eine professionelle Begleitung“, berichtet Rodeck. Sollte eine ambulante Behandlung nicht zum Erfolg führen, gebe es auch noch die Option einer stationären Therapie in speziellen psychosomatischen Kliniken.