Berlin. Fünf Arbeitstage im Jahr dürfen die meisten Arbeitnehmer für die eigene Weiterbildung bezahlt freinehmen. Was Sie dazu wissen sollten.

Nach fast zwei Jahren Pandemie möchten viele im neuen Jahr etwas für sich tun: eine neue Fähigkeit erlernen, sich besser gegen die Alltagshektik wappnen oder einfach den Horizont erweitern. Das ist leichter als gedacht, denn Angestellte dürfen dafür in den meisten Bundesländern fünf Tage bezahlten Urlaub nehmen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich bereits im Jahr 1974 völkerrechtlich verpflichtet, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Bildungsurlaub zu ermöglichen. Da Bildung aber Ländersache ist, gibt es ihn nicht in allen Bundesländern. Bayern und Sachsen haben noch keine Regeln für den Bildungsurlaub erlassen. Allerdings nutzen auch dort, wo es ihn gibt, nur wenige ihren Anspruch. Befragungen in Hessen und Baden-Württemberg zeigen, dass nur knapp 1 von 100 Arbeitnehmern das Angebot wahrnimmt.

Dabei bringt es viel, sich für ein paar Tage nur um sich selbst zu kümmern. Denn das Berufsleben verlangt heutzutage von allen, flexibel zu sein und sich ständig weiterzuentwickeln. Viele müssen darüber hinaus Beruf und Familie vereinbaren.

Bildungsurlaub: Das Kurs-Angebot ist riesig

Wer sich für Bildungsurlaub interessiert, kann aus diversen Angeboten wählen: Von „English Business Classic“ über Yoga-Kurse auf Norderney bis zu „Souverän kommunizieren in Beruf und Alltag“ ist vieles möglich. Voraussetzung ist nur, dass es den Teilnehmer oder die Teilnehmerin beruflich oder politisch weiterbringt.

Daher können zum Beispiel auch Reisen und Wanderungen mit entsprechendem Fokus anerkannt werden. Sogar der Besuch von Kursen im Ausland ist grundsätzlich möglich. Die Regeln variieren allerdings von Bundesland zu Bundesland.

Arbeitnehmer und Firmen streiten hin und wieder darüber, ob ein Kurs anerkannt ist. Dann müssen Gerichte entscheiden. Das Landgericht Berlin etwa urteilte im Jahr 2019, dass „Yoga I – erfolgreich und entspannt im Beruf mit Yoga und Meditation“ als Bildungsurlaub gilt. Ein Seminar zur politischen und sozialen Situation auf Kuba hingegen erkannte das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2000 nicht an.

Wer sichergehen möchte, kann in den meisten Bundesländern in Listen anerkannte Seminare suchen. Hamburg, Berlin und Hessen zum Beispiel haben solche Datenbanken. Tipp: Wer eine Extra-Qualifikation für ein Ehrenamt benötigt, kann auch diese in einem Bildungsurlaub erwerben.

Bildungsurlaub: Das sind die Regeln

Bildungsurlaub können Arbeitnehmer in der Regel nehmen, sobald sie sechs oder zwölf Monate in ihrem Unternehmen angestellt sind. Ob und unter welchen Bedingungen Beamte und Auszubildende das Angebot nutzen dürfen, unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Mehr zu den Regelungen in den einzelnen Bundesländern hat der Geld-Ratgeber Finanztip zusammengefasst.

In den meisten Bundesländern stehen jedem Angestellten fünf Tage pro Jahr für Weiterbildung zu. Wer sie in einem Jahr nicht genommen hat, kann die Tage in vielen Bundesländern ins folgende Jahr mitnehmen. In Hamburg und Nordrhein-Westfalen gilt beispielsweise von vornherein: Arbeitnehmer haben zehn Tage in zwei Jahren.

Den Kurs müssen Bildungsurlauber zwar selbst zahlen, sie können ihn unter Umständen aber als Werbungskosten von der Steuer absetzen – etwa wenn er in engem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit steht. Darüber hinaus zahlen manche Krankenkassen einen Zuschuss für bestimmte Kurse.

Bis Ende 2021 gab es vom Bundesbildungsministerium eine Bildungsprämie von bis zu 500 Euro. Eine Verlängerung ist aktuell nicht geplant. Wer in Nordrhein-Westfalen arbeitet, kann unter Umständen einen individuellen Bildungsscheck bekommen. Näheres dazu bietet auf seiner Website das Arbeitsministeriums von Nordrhein-Westfalen.

Für einen Sprachkurs nach Barcelona? In einigen Bundesländern und Firmen zählt das grundsätzlich als Bildungsurlaub.
Für einen Sprachkurs nach Barcelona? In einigen Bundesländern und Firmen zählt das grundsätzlich als Bildungsurlaub. © iStock | istock

Antrag auf Bildungsurlaub rechtzeitig stellen

Der Antrag auf Bildungsurlaub muss in der Regel erst sechs bis acht Wochen vor Beginn beim Arbeitgeber sein. Interessierte haben also genug Zeit, sich einen Überblick über das Angebot für dieses Jahr zu verschaffen. Trotzdem empfiehlt es sich, den Chef möglichst früh anzusprechen, denn in vielen Firmen ist Bildungsurlaub eher unbeliebt.

Arbeitnehmer sollten vorher überlegen, mit welchen Argumenten sie die Chefin oder den Chef überzeugen wollen. Wohl immer gilt: Wer sich Zeit für einen Bildungsurlaub nimmt, ist hinterher motivierter und deutlich zufriedener. Am Ende profitiert also auch die Firma.

Den Antrag auf Bildungsurlaub ablehnen dürfen Arbeitgeber nur, wenn dringende betriebliche Belange oder Urlaubszeiten von Kollegen dagegensprechen – sofern der Kurs anerkannt ist. Eine Ablehnung muss der Arbeitgeber begründen.

Damit es mit dem Antrag klappt, sollten Interessierte beim Arbeitgeber mit dem Antrag auch eine Anmeldebestätigung des Veranstalters, einen Ablaufplan und eine Bestätigung über die grundsätzliche Anerkennung als Bildungsurlaub einreichen. Wer nicht alles selbst formulieren will, kann auch das Musterschreiben von Finanztip nutzen.

Bildungsurlaub: Trotz Corona möglich

Wer einen Präsenzkurs buchen möchte, sollte bedenken, dass es wahrscheinlich mindestens bis in den April hinein Corona-Einschränkungen gibt. Da derzeit nicht absehbar ist, wie sich die Situation im Laufe des Jahres entwickeln wird, empfiehlt es sich, genau auf die Fristen für die Stornierung zu achten. Diese Information stellen die Veranstalter in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereit.

Alternativ ist es Arbeitnehmern in einigen Bundesländern wegen der Pandemie aktuell auch möglich, sich Online-Kurse als Bildungsurlaub anrechnen zu lassen. Niedersachsen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen etwa haben Sonderregelungen erlassen.

Dieser Beitrag erscheint in Kooperation mit finanztip.de. Der Geld-Ratgeber für Verbraucher ist Teil der Finanztip-Stiftung.