Berlin. Auch in Zeiten von Spotify und Co. werden Millionen Tonträger weiterhin verkauft. Meist läuft das Geschäft mit Gebrauchtware über das Internet.

Eines der wohl größten Lager gebrauchter CDs in Deutschland befindet sich hinter schier endlosen Gängen in einer riesigen Halle im Norden Leipzigs. Auf 80.000 Quadratmetern und vier Etagen sind die deckenhohen Regale mit Secondhandware vollgestopft, die von Kunden angekauft und im Internet angeboten wird: Bücher, Kleidung, DVDs – und eben auch CDs. Das Lager gehört dem Unternehmen Momox, eigenen Angaben zufolge der größte europä­ische Re-Commerce-Händler.

Re-Commerce beschreibt den Onlinehandel mit gebrauchten Sachen. Darauf fokussiert haben sich unter anderem Rebuy, Zoxs oder Momox. Gegenüber digitalen Flohmärkten wie Ebay Kleinanzeigen oder Vinted haben sie einen Vorteil: Kunden müssen beim Verkauf nicht selbst aktiv werden. Das nehmen ihnen die Händler ab, die das Erworbene wieder veräußern, meist mit einem satten Aufschlag.

„Das zeigt, wie viel Potenzial Secondhand hat“

„Bei uns wächst das Geschäft mit gebrauchten CDs“, sagt Momox-CEO Heiner Kroke im Videotelefonat. Seit 2013 ist er Chef des Unternehmens, das 2021 etwa 335 Millionen Euro Umsatz machte. Kundinnen und Kunden ginge es vor allem um Nachhaltigkeit und Bequemlichkeit. „Sie müssen keine Fotos von den Artikeln schießen, sich keine Gedanken über den Preis machen und nicht mit Käufern in Kontakt treten.“ Allein in den letzten vier Jahren seien bei Momox die Absatzzahlen von CDs um rund 30 Prozent gestiegen. „Das glaubt man gar nicht, aber das zeigt, wie viel Potenzial Secondhand hat.“

Moment: Ist hier wirklich von CDs die Rede? Dieses altbackene Medium, das einst im Musikbusiness den Absatzmarkt dominierte, bis erst illegale Downloads (Napster), dann legale Downloads (iTunes) und schließlich Streamingdienste (Spotify) die Dominanz zum Einsturz brachten. Folgende Frage ist also durchaus berechtigt: Wer kauft das überhaupt noch?

Schaut man auf die Zahlen, stellt man aber schnell fest: Physische Tonträger sind längst nicht in der Versenkung verschwunden. 2020 wurden in Deutschland noch mehr als 32 Millionen CD-Alben verkauft. Zum Vergleich: Der Bundesverband Musikindustrie zählte im selben Jahr 139 Milliarden Streams. Auch die Infos von Momox und den konkurrierenden Plattformen überraschen. Momox berichtet von über 30 Millionen CDs, die seit der Firmengründung 2004 abgesetzt wurden. Bei Rebuy waren es in den vergangenen zehn Jahren 13 Millionen.

14 Millionen Artikel auf 80.000 Quadratmeter: das Momox-Lager in Leipzig.
14 Millionen Artikel auf 80.000 Quadratmeter: das Momox-Lager in Leipzig. © FUNKE Foto Services | Maurizio Gambarini

Bei den An- und Verkaufspreisen unterscheiden sich die Händler

Das Verkaufsprinzip funktioniert auf den Seiten der Re-Commerce-Dienstleister ähnlich. Wer auf Momox seine Platten loswerden möchte, wählt zuerst den Artikel aus – das geschieht über die Eingabe der EAN oder ISBN. Alternativ kann man auch den Strichcode mithilfe der App des Anbieters scannen. Anschließend errechnet ein Algorithmus, was das Unternehmen bereit zu zahlen ist. Dabei werden mehrere Parameter berücksichtigt, darunter die Verfügbarkeit eines Albums, die Nachfrage und der Neupreis. Auch dadurch grenzen sich Momox, Rebuy und Zoxs beispielsweise von Ebay Kleinanzeigen ab. Wer dort seine Sachen abgeben will, dem schlägt das Portal nur eine Preisspanne vor. Den gewünschten Preis muss man selbst festlegen.

In der Praxis zeigt sich, wie die Angebote der digitalen Gebrauchtwaren-Händler auseinandergehen. Für die aktuelle CD von Adele, „30“, bietet Momox 2,02 Euro, um sie für 11,78 Euro weiterzuverkaufen. Eine bessere Offerte macht Rebuy: 3,51 Euro. Auch der Verkaufspreis von 6,29 Euro ist günstiger.

Für David Bowies finales zu Lebzeiten aufgenommene Album „Blackstar“ würde Momox 85 Cent hinlegen. Der hohen Nachfrage und geringen Verfügbarkeit, wie es auf der Internetseite steht, zum Trotz. Im Verkauf fordert es dann aber 3,70 Euro für die Platte. Rebuy würde Kunden immerhin 2,35 für „Blackstar“ bezahlen. Im Online-Shop ist es mit 4,99 Euro teurer als beim Rivalen.

Alben, die in den Charts weit oben stehen, sind stark nachgefragt

Im Hause Momox ermittelt der Algorithmus die Variablen für die 14 Millionen Artikel im Leipziger Logistiklager alle 30 Minuten neu, erklärt eine Sprecherin beim Rundgang durch die eingestaubten, grellen Hallen. Daher komme es vor, dass der jeweilige An- und Verkaufswert eines Artikels an einem Tag mehrmals schwanke. Oder auch, dass etwas gar nicht erst angenommen werde.

An „Rubber Soul“ von den Beatles hat das Unternehmen offenbar kein Interesse. Artikel, die wenig nachgefragt sind, werden nicht angekauft, informiert der Händler auf der Webseite. Und vertröstet: „Probieren Sie es gerne in Kürze noch einmal.“

„Im Schnitt gehen 50 Prozent der CDs innerhalb von vier Wochen wieder weg“, sagt Heiner Kroke. „Wenn jemand ein Album verkauft, das in den Charts relativ weit oben ist, dann werden wir es auch sehr schnell wieder los.“ Die Bestsellerlisten der Händler sind jedoch mit Gassenhauern aus früheren Jahrzehnten besetzt: „Metallica“ von Metallica, „Greatest Hits“ von Abba, „Back to Black“ von Amy Winehouse.

Innerhalb weniger Tage landet der Erlös beim Verkäufer

Damit Momox CDs, Bücher und andere Ware überhaupt erst akzeptiert, muss sie einen Gesamtwert von mindestens zehn Euro erreichen. Darunter geht nichts. Kunden können ihre Artikel versandkostenfrei an das Unternehmen schicken. Auch Rebuy zahlt den Versand ab zehn Euro Warenwert. Zoxs hingegen übernimmt das Porto erst ab 30 Euro. In ihren Lagern prüfen die Händler die Sachen auf mögliche Schäden. Ist der Qualitätscheck bestanden, erhalten die Kunden ihr Geld – bei Momox soll der Erlös binnen einer Woche auf dem Konto landen. Die Auszahlung bei Rebuy ist umständlicher – aber schnell: Nach etwa drei Tagen haben Kundinnen den Ertrag auf ihrem Account. Das Geld kann man für weitere Einkäufe nutzen oder auf sein Bankkonto überweisen.

Im Gebrauchtwarenhandel lässt sich mit CDs weiterhin Geld verdienen. Wer auf den Plattformen Momox oder Rebuy verkaufen will, sollte am ehesten chartträchtige Alben oder ganze CD-Sammlungen abgeben, damit sich das Geschäft finanziell lohnt. Die Seite Bonavendi ermöglicht eine Preisübersicht über die verschiedenen Portale, auch hier funktioniert die Suche per EAN- und Titeleingabe.

Wer jedoch darauf erpicht ist, möglichst viel Profit zu machen mit seinen CDs und den größeren Aufwand hinnimmt, der ist auf Ebay Kleinanzeigen besser aufgehoben. Das betont selbst Momox-Chef Kroke.

Dieser Text erschien zuerst auf abendblatt.de.