Berlin. Getarnte E-Bikes, Pedelecs der SUV-Klasse und cleverer Stauraum: Wir zeigen, was 2022 auf Millionen Hobbyradler in Deutschland zukommt.

Die Fahrradampel leuchtet rot. Der Blick nach rechts auf die saftigen Spritpreise der Tankstelle bringt die Erkenntnis: Momentan mit dem Rad von A nach B durch die Stadt zu pedalieren, spart ordentlich Geld – vom Schadstoffausstoß ganz zu schweigen. Die Ampel springt auf Grün. Drei, vier Tritte in die Pedale genügen, schon holt man Vorsprung heraus auf Fußgänger und behäbige Autos.

Was niemand sieht: Das Anfangstempo liegt weniger an trainierten Beinen als am kleinen E-Bike-Motor im Hinterrad. Der Akku? Clever versteckt im unauffällig schlanken Unterrohr des neuen Pedelec-Modells „Curt“ von Hersteller Ampler. Sieht aus wie ein klassisch-sportliches Fitnessfahrrad für die Stadt, unterstützt den Besitzer aber als motorgetriebenes Pedelec bis zur gesetzlich erlaubten Höchstgrenze von 25 Stundenkilometern. „Stealth Bike“ heißen die als herkömmliches Fahrrad „getarnten“ E-Bikes in der Branche – und sind einer der Trends des Jahres.

E-Bike-Trend: Der Akku versteckt im schlanken Rahmen

Das gerade erst erschienene Curt-Modell der zweiten Generation von Ampler – einem jungen Hersteller aus Estland mit Onlineshop und Läden etwa in Berlin und Köln – soll zu den derzeit leichtesten E-Bikes überhaupt gehören, nur 14,4 Kilogramm bringt es mit Carbonriemen auf die Waage.

Den Trend der sogenannten Urban Pedelecs oder Commuter, die sich vor allem an Pendler in Städten als grüne Alternative zum Auto richten, haben zahlreiche Hersteller erkannt: Sie heißen Cowboy, Sushi, Urwahn, Bonvelo oder Geero. Auch der populäre Hersteller Vanmoof aus Amsterdam stellt Anfang April neue Modelle seiner auffällig designten E-Stadträder vor.

Fast allen gemeinsam: Sie haben trotz Motor-Unterstützung samt Akku optisch nichts mehr mit den klobigen E-Bikes der ersten Jahre zu tun. Vielfach punkten sie mit eigener App fürs Smartphone, die den Motor steuert, als Tacho dient, als Navi den Weg weist und das Rad bei Diebstahl über GPS wiederfindet.

Etwa 2000 bis 3000 Euro und mehr müssen Käufer dafür investieren – oder eines leasen (siehe unten). „Das Thema Fahrrad hat sich gewandelt vom klapprigen Drahtesel zum echten Hightech-Gerät“, sagt Gunnar Fehlau vom Pressedienst Fahrrad (pd-f), der seit Jahren mit seinem Team in die Herstellerszene hineinhorcht.

Zwei Millionen verkaufte Elektroräder pro Jahr

Weitere Erkenntnis: Das typische Elektrorad gibt es so nicht mehr. „Es gibt dort wie in allen Radkategorien immer feinere Verästelungen“, sagt Fehlau. Heißt: Radbegeisterte können heute genau das für sich und den gewünschten Untergrund passende Rad oder E-Bike im Handel finden.

Wobei der Trend zum E-Bike ungebrochen ist: Die Zahlen für Elek­troräder und Pedelecs bis 25 km/h kletterten auch im Jahr 2021 weiter. Deutschlandweit werden pro Jahr rund zwei Millionen Fahrräder mit Motor verkauft. Ein leichter Anstieg gegenüber dem Vorjahr, wie der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) Mitte März verkündete. Insgesamt machen Elektroräder schon 43 Prozent am gesamten Fahrradmarkt aus. Zum Vergleich: Die Verkäufe von klassischen Rädern waren zuletzt mit 2,7 Millionen Stück leicht rückläufig.

Vier von zehn Befragten (42 Prozent) nutzen für Tagesausflüge per Rad mittlerweile ein E-Bike, wie eine Umfrage des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) ergab.

SUV-E-Bikes: Starker Motor und Platz für Kinder und Gepäck

Den Gegentrend zum schlanken Pendler-Pedelec stellen E-Bikes der sogenannten SUV-Klasse dar, benannt nach den robusten Autos. Sie besitzen größere Akkus, die man am dicken Rahmen auch sieht. Dafür kommen sie teils fast auf die doppelte Reichweite wie die leichten Stadt-Pedelecs, die nur um die 50 bis 100 Kilometer bis zur nächsten Ladung halten. Breitere Reifen sorgen für bequemes Fahren.

Firmen wie etwa Riese & Müller, Giant oder Corratec bieten diese Alleskönner, mit kräftigerem Motor im Vorder- oder Hinterrad, auch als Variante für lange Touren oder Familien: Hinten und/oder vorn bieten sie Platz für Gepäcktaschen oder aber für mehrere Kinder.

Oder man setzt den Nachwuchs in einen geschlossenen Kinderanhänger mit Sichtfenster. Das Zusatzgewicht ziehen Eltern dank Motor auch ohne Schwitzen. Wer oft etwas transportiert, kann gleich ein Lastenrad mit oder ohne Motor anschaffen, bei dem Kind, Hund oder Gepäck auf der Ladefläche vorn mitfahren.

Cargo Bikes genannte Lastenräder – mit oder ohne Motor – transportieren bei Bedarf vorn auch Kinder oder die Einkäufe.
Cargo Bikes genannte Lastenräder – mit oder ohne Motor – transportieren bei Bedarf vorn auch Kinder oder die Einkäufe. © iStock | istock

Alternative zum Rennrad: Gravelbikes fürs Gelände

Auch wer sportlich radeln will, muss heute nicht mehr auf Motorunterstützung bis 25 km/h verzichten. Händler nehmen zunehmend auch E-Rennräder und E-Mountainbikes ins Sortiment. Damit kann man entweder auf Straße oder im Gelände etwas für seine Fitness tun, überwindet aber mit einem Tastendruck für den Antrieb auch besonders steile Anstiege und meistert lange Etappen. Beide Typen ermöglichen auch längere Touren in der Gruppe mit älteren Mitfahrern.

Beim analogen Rad hält der Trend zum vielseitigen Trekking-Bike mit Schutzblech, Gepäckträger und kompletter Beleuchtung an. Damit sind Tagesausflüge genauso machbar wie längere Radreisen. Im Kommen sind hierbei clevere Lösungen der Hersteller, um wetterfeste Taschen am Gepäckträger anzuklipsen. Inzwischen gibt es sogar größere Taschen, die sich auch ohne Gepäckträger ans Sattelrohr klemmen lassen.

Unter Rennradlern geht der Trend hin zum sogenannten Gravelbike. Das sieht mit Hörnchenlenker aus wie ein Rennrad, lässt sich dank breiterer, profilierter Reifen aber auch bequem abseits von Asphaltstraßen im Gelände fahren.

Worauf sollte ich beim Fahrradkauf achten?

Trotz teils anhaltender Lieferschwierigkeiten: Der Boom auf dem Fahrradmarkt hält an, das Angebot in Fahrradläden (fast drei Viertel aller Verkäufe) und bei Direktversendern wie Canyon oder Rose Bikes ist riesig. Bleibt die Frage: Wie findet man sein passendes Rad?

Experte Fehlau rät, nicht nur auf den Preis zu schauen, sondern sich zu fragen: Wofür nutze ich das Rad in neun von zehn Fällen? Für Straße oder Gelände, kurze Pendlerstrecken oder lange Tagestouren, sportlich-agil oder voll bepackt mit Gepäck und Kindern? Beim E-Bike kommt dazu: Lässt sich der Akku zum Laden in der Wohnung entnehmen oder ist er fest im Rahmen verbaut – und ich muss das schwere Gefährt stets ins obere Stockwerk hieven?

Kaufpreise und Finanzierung

Elektroräder treiben die Preise hoch: Im Schnitt lag der Verkaufspreis bei Rädern laut ZIV zuletzt bei knapp 1400 Euro – fast dreimal so hoch wie vor zehn Jahren. Ein Grund: der Anteil an im Vergleich teureren E-Bikes. Laut VDZ werden durchschnittlich 3332 Euro für ein E-Bike ausgegeben, für ein klassisches Fahrrad lediglich 654 Euro. Eine Versicherung fürs E-Bike kann sich unter Umständen lohnen.

Bei der Radfinanzierung kann auch der Arbeitgeber helfen. Viele Firmen bieten inzwischen Leasing-Modelle wie Jobrad, Business Bike oder Eurorad an. Dabei können Beschäftigte den eigentlichen Kaufpreis durch Entgeltumwandlung ihres Bruttolohns reduzieren und das Dienstrad auch privat nutzen. So lassen sich oft mehrere Hundert Euro sparen und die jährliche Inspektion ist auch mit drin. Für den Kauf eines Lastenrads bieten Kommunen teils Fördermittel an.