Syrau/Annaberg-Buchholz/Dresden. Er reift in einer Drachenhöhle oder im Glockenturm, ist vegan oder verfeinert mit Whisky: Der sächsische Weihnachtsstollen wird vielfältiger. Dabei nehmen die Bäcker auch jüngere Kunden in den Blick.

Sechzehn Meter unter der Erde duftet es nach Weihnachtsstollen. Hier in einer Tropfsteinhöhle mit einer Luftfeuchtigkeit von 98 Prozent hat Bäckermeister Volker Wunderlich ideales Klima gefunden, um seine Stollen reifen zu lassen.

Jeweils zwei Wochen lagert er in der Drachenhöhle Syrau im Vogtland einhundert Exemplare des Traditionsgebäcks. Im September beginnt er mit dem ersten Durchgang, der letzte ist kurz vor Weihnachten. „Das Klima ist optimal, macht den Stollen lange haltbar. Außerdem gibt es kein Ungeziefer“, sagt Wunderlich über den Ort, an dem konstant zehn Grad Celsius herrschen.

Drachenhöhlen-Stollen und Stollen-Staffellauf

Seit zehn Jahren experimentiert er mit seinen Weihnachtsstollen und der Lagerung der besonderen Art. „Der Drachenhöhlen-Stollen ist inzwischen gefragt, die Bestellungen laufen gerade gut an.“

Am 16. November soll der 1. Stollen-Staffellauf weitere Aufmerksamkeit bringen. Zwölf Mannschaften zu je vier Personen wollen die traditionellen Kuchen dann in kürzester Zeit die 81 Stufen aus der Höhle nach oben schaffen. Beim Weihnachtsstollen achteten viele Menschen auf Qualität, erklärt Wunderlich. „Sonst machen uns Discounter-Angebote das Leben schwer. Aber beim Weihnachtsgeschäft können wir einige Probleme kompensieren.“

Stollen gehört zu Weihnachten wie der Schwibbogen

Egal ob Corona-Pandemie oder andere weltweite Krisen - die Menschen wollen sich ihren Stollen nicht nehmen lassen, sagt Martin Hübner von der Annaberger Backwaren GmbH und stellvertretender Landesobermeister des sächsischen Bäckerhandwerks. „Als die Weihnachtsmärkte ausfielen, haben sich viele ihren Stollen online gekauft. Vor allem in Sachsen, von Dresden übers Erzgebirge bis ins Vogtland, gehört der Stollen zu Weihnachten wie die Räucherkerze oder der Schwibbogen.“

Und trotz gestiegener Preise für Butter und andere Zutaten, für Personal und Energie: Es scheint eine gute Saison zu werden, bestätigt André Bernatzky von der Vereinigung der Backbranche (VDB). Obwohl sich der Stollen-Kilopreis von rund 20 Euro auf bis zu 25 Euro erhöht habe. „Erste Signale zeigen, dass die Menschen hier nicht sparen wollen. Sie scheinen weiter Wert zu legen auf einen qualitativ hochwertigen Stollen aus der heimischen Bäckerei.“

Mitteldeutschland bislang wenig experimentierfreudig

Während in anderen Bundesländern auch Exoten gefragt seien - von Ananas-, Cranberry-, Bratapfel- bis Orangenstollen - zeigten die meisten Menschen in Mitteldeutschland hier bislang wenig Experimentierfreude. „Die drei klassischen Varianten mit Rosinen, Mandeln oder Mohn machen den Großteil aus“, sagt Bernatzky, der als VDB-Tester in diesen Tagen für die jährliche Stollenprüfung in Dresden verantwortlich war.

Rund 30 Stollenbäcker stellten sich dem Urteil. „Wenn die Qualität überzeugt, gibt es eine Urkunde. Viele Bäckereien sind dankbar für die Hinweise, denn das Weihnachtsgeschäft ist essenziell für sie.“

Einen veganen Stollen führt Bäcker Michael Nötzold aus Zwickau aktuell im Angebot - mit Mandelmilch und Margarine. „Danach wurde immer häufiger gefragt. Die Bäckerbranche steht vor einem demografischen Wandel“, erklärt er.

Bergbau-Stollen oder verfeinert mit Spirituosen

„Der Butterstollen macht noch den größten Anteil aus, wird aber eher von der älteren Generation gekauft.“ Jüngere bevorzugten häufig neue Varianten - etwa mit Nougat oder Marzipan. Eine Spezialität der Konditorei Nötzold seien Stollen, verfeinert mit Spirituosen wie Whisky oder Gin.

Einen Bergbau-Stollen gibt es in Annaberg-Buchholz, mit dem besonderen Klima unter Tage als Hilfe. Im Besucherbergwerk „Im Gößner“ lagert die Annaberger Backwaren GmbH 500 Butterstollen, um ihnen durch die feuchte Kühle des Ortes eine besondere Note zu verleihen.

„Die Rosinen wurden in einem starken Kräuterschnaps eingelegt, dem sogenannten Grubenfeuer. Das gibt ein würziges Aroma“, so Geschäftsführer Martin Hübner. „Wir verkaufen aber auch vegetarischen Bio-Stollen oder Vollkorn-Stollen, die besonders in Großstädten wie Berlin oder Leipzig beliebt sind.“

Den luftigsten Ort, um insgesamt 400 Stollen ausreifen zu lassen, hat sich Meister Rüdiger Zopp von der Mühlenbäckerei in Dresden ausgesucht - in kühlen 29 Metern Höhe. „Es ist windig und klimatisch perfekt“, sagt er über den Ort hinter den Fensterläden eines Glockenturms der Dresdner Frauenkirche.

Schon mehrfach habe er eigenen Dresdner Stollen an die inzwischen gestorbene Queen Elizabeth II. geschickt - verfeinert mit schottischem Whisky. „Zwei Dankesbriefe habe ich von ihr erhalten. Als Dresdner Bäcker ist man mit dem Stollen verheiratet und braucht kreative Ideen.“