Berlin. Touren planen und sich unterwegs leiten lassen: Europas größte Outdoor-Plattform Komoot hilft, neue Orte zu entdecken. Ein Interview.

Auf Wanderpfaden oder auf dem Rad die Natur entdecken: Das liegt nicht erst seit der Pandemie im Trend. Wer in seiner Umgebung oder auf Reisen neue Routen für die nächste Tour ausfindig machen möchte, findet Hilfe im Netz. Komoot mit Sitz in Potsdam ist heute Europas größte Karten- und Navigationsplattform für Outdoorbegeisterte.

Jonas Spengler (40), Mitgründer und Technischer Leiter (CTO) von Komoot, spricht im Interview über Aktivität bis ins hohe Alter, Fahrradtrends in Deutschland und Europa und ganz neue Freiheiten durch E-Bikes.

Herr Spengler, mit Ihrem Kartendienst Komoot kann jeder am Laptop oder Handy seine Routen fürs Wandern oder Radfahren im In- und Ausland planen. Erleben Sie zum Start der Sommerferien rasanten Zulauf?

Jonas Spengler: Einen Zulauf an Aktivitäten bei uns sehen wir jedes Jahr schon immer im April und Mai. Im Juni dann planen die Leute eher ihre Touren. Im August sehen wir schließlich, dass die Leute extrem viele geplante Touren dann auch wirklich unternehmen.

Wie sieht die Nutzergemeinschaft auf Ihrer Outdoor-Plattform aus?

Spengler: Wir decken ein sehr breites Spektrum ab. Die Altersspanne unserer Nutzerinnen und Nutzer reicht von Menschen in ihren 20ern bis hin zu älteren Personen über 70. Dazu gehören ganz viele aktive Senioren und Seniorinnen, die viel Zeit haben, sehr aktiv sind, und heutzutage auch das ganze Jahr über viel unterwegs sind. E-Bikes sind natürlich ein Riesenthema. Das hat noch mal viel mehr Menschen als früher nach draußen gebracht, um viele unterschiedliche Orte zu entdecken. Radtourismus ist jetzt für Jedermann möglich und nicht mehr nur ein Thema für Leute, die fit und trainiert sind. Unsere Kernzielgruppe sind alle Menschen, die draußen aktiv sein wollen. Sie nutzen Komoot ganz unterschiedlich: Sie gehen Fahrradfahren, machen Wanderungen und viele Touren unternehmen sie allein für den Genuss.

Haben Sie durch die Pandemie, wo Fitnessstudios geschlossen waren, Radfahren und Wandern aber erlaubt, einen Schub festgestellt?

Spengler: Ja, extrem. Es war für die Leute sehr stressig. Sie wollten ihrem kleinen Käfig zuhause entkommen und draußen abschalten. Viele haben auch ihre direkte Umgebung noch mal neu entdeckt, in der sie vielleicht schon seit 30 Jahren leben. Das ist auch ein Ziel von Komoot: Wir zeigen dir neue Dinge in deiner direkten Umgebung, du musst nicht immer weit weg zum Wandern nach Südtirol fahren. Auf den typischen touristischen Plattformen finden die Outdoor-Interessierten kommerziell sehr gut ausgearbeitete Angebote zu den klassischen Reisezielen, wie Österreich oder dem Schwarzwald. Aber unsere Nutzer sind überall verteilt und wollen auch am Wochenende mal etwas in der Umgebung machen.

Man findet auf Ihrem Portal nicht nur vorgefertigte Routen. Jeder kann auch eigene Routen in seiner Umgebung mit Fotos für alle anderen reinstellen. Wollen Sie auch ein soziales Netzwerk sein?

Spengler: Genau das ist unser Grundprinzip. Wir sagen: Am besten kennen sich die Leute aus, die vor Ort sind. Wir sind gut darin, lokalen Communities und interessierten Abenteuerlustigen eine gemeinsame Plattform für ihre Entdeckungen zu bieten. Das Wissen ist aber vor allem bei den Leuten da draußen. Nur sie wissen, was aktuell vor Ort los ist und welche Touren sich vielleicht kurzfristig ändern.

Wandern, Rennrad, Mountainbike, Gravel-Bike, E-Bike: Welche der Aktivitäten wächst in Deutschland besonders rasant, was liegt im Trend?

Spengler: Das Thema Gravel-Bike entdecken inzwischen zunehmend mehr Leute. Anders als beim klassischen Rennradfahren, hat man mit den breiteren Reifen die Möglichkeit, die Natur noch mal stärker und fernab befestigter Wege und Autos zu entdecken. Riesig ist natürlich auch das Thema E-Bike. Die Menschen haben damit plötzlich einen viel größeren Bewegungsradius, um neue Orte zu entdecken. Mit einem Mal kann ich bei einer Tour 60 oder 70 Kilometer weit fahren. Das eröffnet für viele einen ganz neuen Horizont.

Komoot will Radfahrenden und Wanderfans das Planen der Touren im Netz einfach machen. So kann man sich unterwegs auf die Natur einlassen und wird geleitet.
Komoot will Radfahrenden und Wanderfans das Planen der Touren im Netz einfach machen. So kann man sich unterwegs auf die Natur einlassen und wird geleitet. © Shutterstock / Umomos | Umomos

Gibt es beim Entdecken Unterschiede zwischen Nutzern aus Deutschland und denen im europäischen Ausland?

Spengler: In Deutschland ist das Thema Radfahren wesentlich etablierter als in den meisten anderen Ländern. Es gibt eine viel breitere Gruppe von Menschen, die Fahrrad fahren. In Italien zum Beispiel ist Radfahren noch viel sportlicher. Dort und in den anderen Ländern bewegt es sich jetzt aber etwas vom Sport weg, hin zum erlebnisorientierten Fahren. Man merkt dort: Es ist ja unglaublich schön, mit dem Fahrrad beispielsweise durch die Toskana zu fahren. Dadurch entstehen dort auch mehr touristische Angebote, von denen wiederum auch wir Deutsche als Urlauber profitieren.

Komoot gibt es seit zwölf Jahren. Wie ist 2010 die Idee zur Plattform mit sechs Gründern aus Deutschland und Österreich entstanden?

Spengler: Die die meisten meiner Mitgründer kenne ich schon aus der Schule. Dann lebten wir verteilt in München, Berlin und Madrid. Komoot entwickelten wir schon vor 2010 von diesen Standorten aus als Seitenprojekt neben dem Studium. Die Idee war: In der Zukunft wird es Smartphones geben, die GPS zur Navigation besitzen. Das erste iPhone 2007 hatte noch kein GPS. Wir mussten Investoren also in Gesprächen noch davon überzeugen – heute völlig absurd. Dann haben wir die Nachfrage nach einer Plattform wie Komoot festgestellt und die Firma dann immer weiter aufgebaut.

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Auch schon mit dem Traum, einmal von Potsdam aus Europas größte Outdoor-Plattform zu steuern?

Spengler: Es war schon immer unser Traum, damit Menschen weltweit nach draußen zu bringen. Im Moment sind wir die Größten in Europa in diesem Bereich. Wir schauen gerade: Wie können wir diesen Service für möglichst Outdoor-Enthusiasten weltweit in ihrer Muttersprache bereitstellen und damit die individuelle Nutzung der Plattform sowie das Engagement innerhalb der Community stärken. Demnächst gibt es Komoot auch auf Japanisch. Danach ist Lateinamerika an der Reihe.

Sehen Sie sich eher als Potsdamer, als deutsches oder schon als europäisches Unternehmen?

Spengler: Wir haben unsere Wurzeln in Deutschland und sind auch gern hier. Die meisten Komoot-Mitarbeiter leben auch noch in Berlin. Aber unser gesamtes Team mit rund 100 Festangestellten ist schon komplett über ganz Europa verteilt, über 19 Länder hinweg. Damit geht auch unser tiefes Verständnis der unterschiedlichen Marktsituationen sowie unser Wissen über die Bedürfnisse der lokalen Communities einher.

Kritiker bemängeln, seit Navigationsdiensten wie Google Maps oder Komoot würden Menschen unterwegs nur noch aufs Handy starren, die schöne Umgebung verpassen und den Orientierungssinn verlieren. Ist da etwas dran?

Spengler: Ja, da ist schon etwas dran. Wir bei Komoot versuchen aber auch, genau das immer mehr in den Hintergrund rücken zu lassen. Wenn ich zum Beispiel wandern gehe, dann reicht es eigentlich, wenn ich die Navigation nur noch auf meiner Smartwatch am Handgelenk habe, das Handy muss ich eigentlich gar nicht mehr rausziehen. Dann meldet sich nur noch kurz die Uhr und sagt: Jetzt rechts oder links. Das genügt für die Interaktion mit unserer App und ist auch wesentlich sozialer. Unser Ziel ist es ja, Leute in die Natur zu bringen – unabhängig davon, ob sie mit Kompass und Karte umgehen können. Dieses Bild, dass die Leute mit einer großen Papierkarte vor der Nase herumstehen oder aufs Handy gucken – das ist eigentlich unser Anti-Bild, das wir nicht mehr wollen.

Jonas Spengler, Mitgründer und Technischer Leiter von Komoot
Jonas Spengler, Mitgründer und Technischer Leiter von Komoot © Dmytro Prudnikov

Was ist die Alternative?

Spengler: Wir fragen immer: Wie bekommen wir unseren Kartendienst direkt auf die Uhren und auf die Bildschirme der E-Bikes? Wir arbeiten mit vielen Partnern zusammen, damit der Bildschirm in den Hintergrund rückt und das Naturerlebnis den Vorrang hat. Speziell bei Radfahrenden ist auch unsere Sprach-Navigation sehr beliebt. Diese macht ähnliche Ansagen wie man sie aus dem Navi im Auto kennt. Ein Blick auf das Handy bleibt dem Nutzer dann vollends erspart und man kann sich auf seine Umgebung konzentrieren.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Was müsste in Deutschland am drängendsten für die Interessen aller Fahrradfahrenden angepackt werden?

Spengler: Die Infrastruktur ist ein richtig großes Thema. Sichere Fahrradwege sind das Allerwichtigste. Dazu gibt es auch viele Studien. Man hat jetzt schon viel investiert, zum Beispiel in Berlin. Die Leute müssen sich sicher fühlen können, wenn sie unterwegs sind. Aber: International gesehen ist die Infrastruktur in Deutschland schon sehr, sehr gut. Besser geht es aber immer, wie etwa in den Niederlanden. In anderen Ländern aber muss man auf dem Fahrrad teilweise Angst um sein Leben haben. In den USA zum Beispiel ist Fahrradsicherheit ein großes Thema. In Deutschland werden Städte und Infrastruktur aber immer noch vor allem für Autos gebaut. Hier werden Fahrradfahrer und Fußgänger nicht gleichberechtigt behandelt. Da gibt es viel Potenzial.

Das bietet Komoot für Wanderer und Radfahrer

Komoot mit Hauptsitz in Potsdam ist mit über 27 Millionen registrierten Nutzern Europas größte Outdoor-Plattform. Neben der Webseite (www.komoot.de) gibt es den Kartendienst als mobile App für Android und iOS neben Deutsch und Englisch auch auf Französisch, Niederländisch, Italienisch und Spanisch. Weitere Sprachversionen sollen Ende Juli folgen.

Neben einer kostenlosen Version inklusive einer Region nach Wahl lassen sich kostenpflichtig weitere weltweite Karten herunterladen, ein Abomodell enthält zusätzliche Funktionen wie Wetterinformationen oder Live-Tracking. Das Unternehmen wurde 2010 von sechs Personen aus Deutschland und Österreich gegründet. Heute hat Komoot weltweit rund 100 Festangestellte in 19 Ländern.

Dieser Artikel erschien zuerst auf abendblatt.de.