Berlin. Unsere Autorin erklärt, warum eine weibliche 007-Version Quatsch wäre und Daniel Craig den Bond zu einem besseren Menschen gemacht hat.

Freuen Sie sich schon auf den neuen James Bond? „Keine Zeit zu sterben“ soll fulminant sein, bestes Futter für alle ausgehungerten Kinogänger. Bombastische Szenen, Meer, blauer strahlender Himmel, ein zum Dahinschmelzen gut gebauter Daniel Craig, Drinks, sogar Skrupel und Innenleben zeichnen den neuen Bond aus.

Er leidet, er liebt Frauen, die wunderschön in den besten Stoffen ihm optisch in nichts nachstehen. Sogar eine weibliche Spionin ist dabei. Die mit ihm zusammen schießt, haut und trickst, bis die Ordnung wieder hergestellt ist und der Schurke am Ende. Ein Fest fürs Auge, eine Überschwemmung entfernter Sehnsüchte, bester Eskapismus also.

Doch in mir schwingt ein leiser Zweifel mit, ob das alles noch so richtig ist, meine Vorfreude, meine Begeisterung, meine Lust, mich für 163 Minuten, also für fast drei Stunden, selbst und meinen Alltag zu vergessen.

Daniel Craig macht nach dem Bond-Film „Keine Zeit zu sterben“ Schluss.
Daniel Craig macht nach dem Bond-Film „Keine Zeit zu sterben“ Schluss. © imago

Hat James Bond früher Frauen vergewaltigt?

Denn: Vor dem Hintergrund unseres gesellschaftlichen Vorankommens in den vergangenen Jahren kann man gerade als Frau die Figur des James Bond nicht mehr gut finden. Die Bond-Reihe sei „sexistisch“, so sagen es jede Menge Kritiker, Twitterer und sogar der eigene „No Time to Die“-Regisseur Cary Fukunaga ist überzeugt, dass im Grunde der alte James Bond ein Vergewaltiger sei. Das ist schon starke Munition gegen den britischen Geheimagenten.

Gerade die Filme mit Sean Connery strotzen vor Szenen, die man mit der Brille von heute eigentlich unerträglich finden müsste. Wenn die Frau Nein sagt, wird sie trotzdem geküsst und mehr. Und am Tag danach ist er schon wieder weg, rettet die Welt.

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Was macht sie? Schön aussehen, sich vom Schurken gefangen nehmen lassen und darauf warten, dass Bond sie befreit und wieder mit ihr Sex hat. Allein die Namen der Frauen: „Pussy Galore“ oder „Holly Goodhead“ beschreiben, dass sie besondere Talente besitzen, die nichts mit Intellekt zu tun haben.

Im zweiten Bond-Film „Liebesgrüße aus Moskau“ aus dem Jahr 1963 ereignete sich tatsächlich folgender Dialog zwischen James Bond und der Agentin von der russischen Gegenseite: Bond: „Ich muss Ihnen mal mit westlichem Chic sagen: Ich habe noch nie ein so hübsches Mädchen gesehen.“

Tatiana Romanova: „Dankeschön. Aber ich glaube, mein Mund ist zu groß.“ Bond: „Nein, er ist gerade richtig. Für mich wenigstens.“ Wen ekelt es da nicht? Das ist sexistisch, und zwar so sexistisch, wie die Zeit damals war. Mehr Morgenland-Kolumnen hier.

James Bond heute ist verletzlich und oft auch traumatisiert

Gabor Steingart hat in seinem täglichen Podcast „Morning Briefing“ erst kürzlich die These aufgestellt, dass es jetzt, wenn Daniel Craig von der Bühne abtritt, endlich Zeit für eine weibliche 007-Version wäre. Joanna Bond oder so ähnlich.

Das halte ich für Quatsch. James Bond ist nun mal eine männliche Figur. Ihm jetzt ein anderes Geschlecht zu geben würde ja bedeuten, Frauen sind per se nicht sexistisch – am Ende sogar die besseren Menschen. Im Grunde immer die richtige Besetzung, wenn der Mann Probleme macht und sich nicht richtig verhält.

Das ist übrigens ein Teil der Argumentation von führenden Wirtschaftsexperten- und expertinnen für die Quote in Aufsichtsräten und Vorständen gewesen. Denn Frauen sind laut Kriminalitätsstatistik weitaus weniger kriminell, sitzen sie zur Hälfte in Führungsgremien, sinkt auch die Wirtschaftskriminalität, so die Gleichung.

Ich finde, dieser Bond zeigt Besserung. In der Daniel-Craig-Version war er es, der sich in knapper Badehose am Strand zeigen musste, und er war es auch, der nackt auf einem Stuhl gefoltert wurde. Und nach dem Verlust von Frauen oder Chefinnen war der Craig-Bond regelmäßig traumatisiert. Das reicht mir als Gewissensberuhigung – und ich geb dem Mann noch eine Chance.