Dortmund. Selbst über Weltstars wie Neymar oder Kylian Mbappé wird nur am Rande geredet. Vor dem Champions-League-Duell des BVB mit Paris Saint-Germain dominiert der ehemalige BVB-Coach Thomas Tuchel die Schlagzeilen - zum Leidwesen der Dortmunder.

Thomas Tuchel ging in die Charme-Offensive. Ungeachtet seiner schwierigen Vergangenheit bei Borussia Dortmund wirkte der Fußball-Lehrer bei seiner ersten Rückkehr an die alte Wirkungsstätte seit Sommer 2017 geradezu gelöst.

"Es war ein Traum, hier Trainer zu sein. Das waren auf jeden Fall aufregende Jahre", schwärmte er vor dem Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League zwischen dem BVB und Paris Saint-Germain am Dienstag (21 Uhr/DAZN). Seinen Auftritt vor zahlreichen Kameras im übervollen Presseraum des Dortmunder Stadions am Vorabend meisterte er mit einem Dauerlächeln: "Ich sehe viele bekannte und freudige Gesichter."

Weniger locker als Tuchel reagierten die Dortmunder auf das Rendezvous mit der Vergangenheit. Die Erinnerungen an die zweijährige Zusammenarbeit bereitete eher Unbehagen als Freude. Weder Profis noch Führungskräfte des Revierclubs wollten zum aktuellen Hype um den ehemaligen BVB-Coach beitragen. "Wir spielen gegen PSG und nicht gegen den FC Tuchel. Er wird an der Seitenlinie stehen, aber das wird uns nicht interessieren", kommentierte Torhüter Roman Bürki genervt.

Schlagzeilen wie die über den "Eiszeit-Gipfel" (Sport Bild) sorgen ohnehin für genügend Brisanz. Sie erinnern an das zerrüttete Verhältnis zwischen Thomas Tuchel und BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und die Gründe für die krachende Trennung im Sommer 2017. Schon nach der Auslosung im Dezember gab es im Netz erste Kommentare, dass diesmal Tuchel den BVB und Watzke rauswirft - nicht umgekehrt. Tuchel sieht das Wiedersehen mit seinem ehemaligen Club jedoch nicht als Gelegenheit, alte Rechnungen zu begleichen. "Meine persönliche Situation hat damit sehr wenig zu tun. Wir spielen hier ein Fußballspiel."

Scheitern die Franzosen jedoch zum vierten Mal in Serie im Achtelfinale des Wettbewerbs, könnte Dortmund erneut für Tuchel Schicksal spielen. Nicht auszuschließen, dass für den 46-Jährigen in diesem Fall auch die Zeit in Paris zu Ende geht.

An solchen Spekulationen mag sich beim BVB niemand beteiligen. Auch Watzke vermied es, an alte Dissonanzen zu erinnern. "Wir haben zwei Jahre gut zusammengearbeitet, und zum Schluss wurde es etwas zäh. Aber das ist drei Jahre her. Er ist ein großartiger Trainer, und wenn ich ihn sehe, werde ich ihn sicherlich begrüßen und ich denke, dass er das auch tun wird", sagte der Geschäftsführer im Interview mit Spox und DAZN.

Bei den Profis liegt der Fokus ohnehin voll und ganz auf der sportlichen Aufgabe. Denn die wird schwer genug. Schließlich ist der Gegner seit 23 Pflichtspielen unbesiegt. Trotz dieser imposanten Bilanz sieht Lizenzspielerchef Sebastian Kehl keinen Grund für allzu große Ehrfurcht: "Wir werden definitiv mit breitem Kreuz antreten, Paris hat auch Respekt vor unserer Truppe."

Die Partie könnte zu einem Spektakel werden. Schließlich verfügen beide Teams über reichlich Offensivpower. Für die Borussia dürfte das jüngste Bundesligaspiel gegen Frankfurt (4:0) als Blaupause dienen. Nach zuvor schwachen Abwehrleistungen und reichliche Gegentoren wirkte das Team erstaunlich stabil.

Das war ganz im Sinne von Lucien Favre, der für Dienstag eine noch vorsichtigere Gangart in Aussicht stellte. "Natürlich sehe auch ich gern schöne Spiele. Aber schön ist es manchmal auch, eine bessere Defensive als Offensive zu haben. Ich habe nichts dagegen, nur 1:0 zu spielen." En passant erinnerte er an die starke Gruppenphase der Franzosen: "Sie waren in einer Gruppe mit Real Madrid. Und sie hatten am Ende 16 Punkte, Madrid nur 11. Das sagt alles."

Das laut "Kicker" geschätzt "eine Milliarde Euro teure Team" mit Weltstars wie Neymar und Kylian Mbappé dürfte die BVB-Abwehr jedoch vor größere Probleme stellen als die am Freitag biederen Frankfurter. Als Mutmacher dient der starke Auftritt im Gruppen-Heimspiel gegen den FC Barcelona, als der BVB beim 0:0 eine seiner besten Saisonleistungen bot. "Barcelona ist der Maßstab", sagte Mittelfeldspieler Axel Witsel. Lächelnd fügte er an: "...und wenn wir dann auch noch selber treffen."