Silverstone. Nico Hülkenberg ist zurück in der Formel 1. Kein Tag liegt zwischen der Anfrage und den ersten Kilometern im Auto mit der Startnummer 27. Wie lange er für Racing Point fährt? Das hängt auch davon ab, wie mit dem ersten Coronavirus-Fall unter den Fahrern umgegangen wird.

Ohne Zwischenfälle verlief die Blitz-Rückkehr von Nico Hülkenberg in die Formel 1 nicht. "Meine rechte Po-Backe wird ein bisschen taub", funkte der 32-Jährige an die Box und bat gleich beim ersten Training um eine kurze Pause.

Der Routinier sprang am Freitag überraschend für den mit dem Coronavirus infizierten Sergio Perez beim Team Racing Point ein und steuerte den Wagen schon 15 Minuten nach Bekanntwerden des Deals erstmals auf die Strecke.

Keine 24 Stunden lagen zwischen der Anfrage und dem Comeback im Rennauto, mit dem er am Sonntag (15.10 Uhr/RTL und Sky) beim Grand Prix von Großbritannien starten wird. "Es fühlt sich ein bisschen unwirklich an", sagte Hülkenberg, der sich Rennanzug und Helm leihen musste: "Ich mag Herausforderungen und das ist ganz sicher eine. Ich springe ein und versuche, das Beste für das Team zu machen."

Zuvor hatte der Rheinländer stressige Stunden erlebt. Am Donnerstag war er angereist, musste in der Racing-Point-Fabrik noch seinen Fahrersitz anpassen und vor allem einen negativen Coronavirus-Test nachweisen. Das klappte ganz knapp vor dem ersten Training. Erst danach durfte er auf das Streckengelände, legte einen Dauerlauf zur Garage hin und war plötzlich zurück in einem Formel-1-Wagen.

Hülkenberg, der die Erfahrung von 177 Rennen mitbringt, fuhr schon vier Jahre lang für Racing Points Vorgänger Force India. Zuletzt saß er von 2017 bis 2019 im Renault und hatte im Vorjahr keinen neuen Kontrakt erhalten. Der Traum von einer längerfristigen Rückkehr lebt beim Sieger des 24-Stunden-Rennens von Le Mans 2015 aber nun wieder.

Der Deutsche hält den unrühmlichen Rekord für die meisten Rennstarts ohne Podestplatzierung und schaffte es in seinem Premierenjahr 2010 einmal auf die Pole Position. Nun kann er das Intermezzo für sich nutzen, um sich für einen festen Sitz zu empfehlen. Der Auftakt gelang jedenfalls mit den Plätzen neun und sieben in den Trainings. Hülkenberg spulte sicher viele Kilometer ab und leistete sich keine Fahrfehler. Dabei drückte jedoch der von Teamkollege Lance Stroll geborgte Anzug zunächst ein wenig.

Noch ist nicht klar, wie lange er den 30 Jahre alten Perez ersetzt. Der erste prominente Corona-Fall der Formel 1 wurde am Donnerstag publik. Der Mexikaner kam sofort in Quarantäne und kann womöglich auch beim zweiten Silverstone-Rennen nächste Woche nicht starten. Dies hängt von der Dauer der Isolation ab. Es herrscht Verwirrung, ob diese sieben oder zehn Tage dauern muss. "Wenn es zehn Tage sind, wird Nico beide Rennen fahren", sagte Teamchef Otmar Szafnauer.

Perez sprach derweil von einem der "traurigsten Tage meiner Karriere. Es zeigt, wie verwundbar wir alle für dieses Virus sind", sagte der WM-Sechste in einem Video bei Twitter. Nach dem vergangenen Großen Preis von Ungarn sei er für zwei Tage mit einem Privat-Flugzeug in seine Heimat geflogen, um seine kranke Mutter zu besuchen, die einen Unfall hatte. Anschließend ging es direkt zurück nach Europa. "Ich habe es bekommen, aber ich weiß nicht, woher es kommt", sagte Perez und versicherte: "Ich habe mich an alle Vorschriften gehalten."

Offen ist, ob der Vorfall Konsequenzen für seine Karriere hat. Eigentlich besitzt Perez noch einen Vertrag bis zum Ende der Saison 2022, doch zuletzt wurde viel darüber spekuliert, dass er schon in der nächsten Saison vom viermaligen Weltmeister Sebastian Vettel abgelöst wird. Der Heppenheimer muss bei Ferrari gehen und könnte 2021 ein Cockpit bei Racing Point bekommen. Der Rennstall wird dann zum neuen Werksteam des englischen Autobauers Aston Martin.

Während ein Sitz durch den Kanadier Lance Stroll, den Sohn des Mitbesitzers Lawrence Stroll, fest besetzt scheint, kann der Vertrag von Perez laut Medienberichten gegen ein üppiges Trennungsgeld aufgekündigt werden. Pikant: Stichtag für diese Entscheidung soll ausgerechnet dieser Freitag (31. Juli) sein. Szafnauer bestritt diese Option und auch Vettel gab beim TV-Sender Sky an, davon nichts zu wissen. Stattdessen sagte der Hesse zu seiner Zukunft: "Ich denke nicht, dass dieses Wochenende etwas passieren wird."

Der 33 Jahre alte Vettel will seine Laufbahn gerne fortsetzen, sich bei einer Entscheidung aber genügend Zeit lassen. "Es könnte ein paar Wochen dauern oder aber auch länger. Es hat sich nichts geändert", sagte der Ex-Champion bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Silverstone: "Es ist eine aufregende Zeit. Ich will sicher sein, dass ich das richtig mache. Gute Dinge sollten nicht überhastet werden."

Auf der Strecke wird sich Vettel nun erstmals seit dem Saisonfinale im November 2019 in Abu Dhabi wieder mit Hülkenberg messen. Wie schon im Vorjahr gibt es zumindest vorübergehend zwei deutsche Piloten. Die Aussichten für die Zukunft sind hingegen trüb: Bislang hat über 2020 hinaus niemand aus dem Autoland einen Platz hinter dem Steuer sicher.

© dpa-infocom, dpa:200730-99-987092/16