Bern. Im fünften Jahr seiner Amtszeit stürzt Gianni Infantino in seine schwerste Krise als FIFA-Präsident. Die Schweizer Staatsanwaltschaft eröffnet ein Strafverfahren gegen den Nachfolger von Joseph Blatter. Nun ist der Fußball-Weltverband am Zug.

FIFA-Präsident Gianni Infantino gerät in der Schweizer Justiz-Affäre immer stärker unter Druck und steht nun auch selbst im Visier der Ermittler.

Die Schweizer Staatsanwaltschaft eröffnete ein Strafverfahren gegen den Chef des Fußball-Weltverbands und könnte die FIFA in die größte Krise seit der Skandal-Ära von Vorgänger Joseph Blatter stürzen. Dieser forderte umgehend auch verbandsinterne Ermittlungen und Konsequenzen.

"Der Fall ist klar. Jetzt muss auch die FIFA-Ethikkommission ein Verfahren gegen Gianni Infantino einleiten und ihn suspendieren", sagte Blatter der Deutschen Presse-Agentur. In dem Verfahren geht es um geheime Treffen zwischen Infantino und dem Leiter der Bundesanwaltschaft, Michael Lauber, wie die Aufsichtsbehörde über die BA am Donnerstag in Bern weiter mitteilte. Die Vorwürfe gegen Infantino lauten Anstiftung zum Amtsmissbrauch, Anstiftung zur Verletzung des Amtsgeheimnisses und Anstiftung zur Begünstigung.

Angeklagt wird auch ein ebenfalls bei den Treffen anwesender Oberstaatsanwalt. Infantino weist die Vorwürfe zurück. "Lassen Sie es mich noch einmal klarstellen: Die Treffen mit dem Bundesanwalt sollten zur lückenlosen Aufklärung beitragen", sagte der Schweizer einer FIFA-Mitteilung vom Nachmittag zufolge.

"Zum damaligen Zeitpunkt waren über zwanzig Verfahren gegen ehemalige FIFA-Mitglieder anhängig. Dieser wesentlichen Aufklärungspflicht auch im Sinne der FIFA bin ich nachgekommen und werde dies auch weiter tun. Dieses war immer mein Anspruch und davon lasse ich mich nicht abbringen." Die FIFA und Infantino kündigten an, "umfassend" mit den Behören zu kooperieren.

Dennoch könnte Infantino, der sich seit Amtsantritt im Februar 2016 stets als Erneuerer und Reformer präsentierte, vorübergehend auch Ungemach in seinem Amt als FIFA-Präsident drohen. Als die Schweizer BA 2015 ein Strafverfahren gegen den damaligen Weltverbandschef Blatter unter anderem wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung eröffnete, wurde dieser für 90 Tage durch die FIFA-Ethikkommission gesperrt. Das Verfahren läuft weiterhin.

Nun steht Infantino gut ein Jahr nach seiner Wiederwahl als FIFA-Präsident mehr denn je in Erklärungsnot. Die geheimen Treffen fanden 2016 und 2017 statt, während die Bundesanwaltschaft gegen die FIFA wegen Korruption ermittelte. Bei den Ermittlungen geht es unter anderem um die Vergaben der Fußball-WM 2018 an Russland und 2022 an Katar. Es bestünden "Anzeichen für ein strafbares Verhalten", hieß es von der BA.

Infantino sagte, dass sich FIFA-Offizielle "mit Justizbehörden in anderen Rechtssystemen auf der ganzen Welt getroffen" hätten und dies nie ein Problem gewesen sei. "Insbesondere in den USA hat diese Zusammenarbeit zu über 40 strafrechtlichen Verurteilungen geführt. Dementsprechend unterstütze ich den Justizprozess weiterhin voll und ganz."

Auch gegen Lauber soll nun ein Strafverfahren eröffnet werden. Er ist aber noch bis Ende Januar 2021 im Amt und deshalb vor Strafverfolgung geschützt. Deshalb beantragte der eigens eingesetzte außerordentliche Staatsanwalt beim Parlament die Aufhebung seiner Immunität.

"Er (der außerordentliche Staatsanwalt) kommt zum Schluss, dass im Zusammenhang mit den Treffen von Bundesanwalt Michael Lauber mit dem FIFA-Präsidenten und dem Walliser Oberstaatsanwalt Anzeichen für ein strafbares Verhalten bestehen", heißt es in der Mitteilung der Aufsichtsbehörde. Dabei gehe es um Amtsmissbrauch, Verletzung des Amtsgeheimnisses, Begünstigung und die Anstiftung zu diesen Tatbeständen. Es gelte die Unschuldsvermutung.

Bereits Anfang Juni hatte der Weltverband sämtliche Vorwürfe gegen Infantino zurückgewiesen. Der Schweizer "hat sicherlich nichts falsch gemacht, indem er Herrn Lauber getroffen hat. Es ist kein Vergehen, den Bundesanwalt zu treffen und solche Treffen sind nicht ungewöhnlich. Gianni Infantinos Motivation war, den Schweizer Behörden jegliche Unterstützung anzubieten", hieß es damals.

Lauber hat inzwischen für Ende Januar 2021 seinen Rücktritt eingereicht, nachdem die Aufsichtsbehörde ihn wegen der Treffen bereits gerügt und ihm eine Verletzung seiner Amtspflichten und unwahre Aussagen vorgeworfen hatte. Er wies die Anschuldigungen ebenfalls zurück.

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