Berlin. Immer mehr Bewerber nutzen Arbeitgeberbewertungsplattformen wie kununu oder Glassdoor. Für Firmen hat eine schlechte Kritik Folgen.

IT-Fachkräfte, aber auch Ingenieure und Handwerker können sich vielerorts in Deutschland ihren Arbeitgeber aussuchen. In der deutschen Wirtschaft sind allein 96.000 IT-Jobs nicht besetzt, bezifferte jüngst der Digitalbranchenverband Bitkom den Fachkräftemangel.

Und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) schätzte den Bedarf gerade erst auf rund 250.000 Fachkräfte, die sofort bei Firmen anheuern könnten. Laut Bundeswirtschaftsministerium sind 352 von 801 Berufsgattungen derzeit mit Fachkräfteengpässen konfrontiert – Tendenz steigend.

Bewerbung: Drei Viertel der Bewerber checken potenziellen Arbeitgeber an

Damit verändert sich der Bewerbungsprozess. Mussten sonst Bewerberinnen und Bewerber ihren Arbeitgeber überzeugen, warum die Firma sie einstellen sollte, dreht sich das Prozedere um. Immer öfter müssen Arbeitgeber erklären, warum sich Bewerber gerade für sie entscheiden sollten. Und immer mehr Bewerber checken ihren potenziellen Arbeitgeber im Internet ab.

Das ist das Ergebnis einer Studie eines interuniversitären Forscherteams aus Österreich. Die Ergebnisse der Studie liegen unserer Redaktion vor. Darin kommen die Forscher Katharina Pernkopf von der Universität Innsbruck, Markus Latzke von der IMC Fachhochschule Krems und Wolfgang Mayrhofer von der Wirtschaftsuniversität Wien zu dem Schluss, dass sich rund drei Viertel der Bewerberinnen und Bewerber über ihren künftigen Arbeitgeber auf Bewertungsplattformen informieren.

Bewerbung: Kununu und Glassdoor werden häufig genutzt

Für die Studie hatte das Berliner Marktforschungsunternehmen Trendence 1.647 Personen, die sich in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal beworben haben, nach ihrem Bewerbungsverhalten befragt. 1.212 Bewerber nutzten demnach Arbeitgeberbewertungsplattformen. Am häufigsten wird demnach kununu genutzt, das seit neun Jahren zu Xing und damit zur Hamburger Unternehmensgruppe New Work SE gehört, gefolgt vom deutschen Ableger der US-Plattform Glassdoor.

Solche Bewertungsportale werden der Studie zufolge meist genutzt, um sich über potenzielle Arbeitgeber zu informieren. Rund jeder dritte Bewerber checkt mittlerweile den Arbeitgeber ab, wenn ihm ein Jobangebot vorliegt.

„Bewertungsportale sind zum Ort der Wahrheit für Kandidatinnen und Kandidaten geworden und zwar über die gesamte Prozesskette einer Bewerbung und Einstellung – begonnen bei der Arbeitgeberrecherche über das Vorstellungsgespräch bis hin zur Entscheidung, ob ein Arbeitsvertrag unterschrieben wird“, sagte Professor Wolfgang Mayrhofer von der Wirtschaftsuniversität Wien.

Unter 2,5 Sternen entfällt die Bewerbung oft

Erhält ein Arbeitgeber nur bis zu 2,5 von fünf möglichen Sternen, reichen laut der Studie viele Kandidatinnen und Kandidaten erst gar keine Bewerbung ein. Fällt den Bewerbern auf, dass Aussagen von Arbeitgebern auf Karrierewebsites nicht mit den Einträgen auf Bewertungsportalen zusammenpassen, verzichtet rund die Hälfte der Kandidaten auf eine Bewerbung.

„Ein Arbeitgeber, der in seinen Stellenanzeigen mit ausgewogener Work-Life-Balance wirbt, bei kununu & Co. aber kritische Beiträge zu diesem Thema erhält, verhagelt sich die Glaubwürdigkeit gegenüber einem Großteil potentieller Bewerberinnen und Bewerber. Das kann sich in Zeiten des Arbeitskräftemangels eigentlich kein Unternehmen leisten“, sagte Katharina Pernkopf von der Universität Innsbruck.

Für Unternehmen erhöhe sich der Druck, authentisch in Richtung der Kandidatinnen und Kandidaten zu kommunizieren, sagte Markus Latzke von der IMC Fachhochschule Krems.

Bei Online-Vergleichsportalen ist Vorsicht geboten

Allerdings sind die Online-Vergleiche mit einer gewissen Vorsicht zu behandeln. Zum einen lassen sich auf Arbeitgeberplattformen Bewertungen anonym abgeben – die Beweggründe hinter einer Bewertung, egal ob besonders positiv oder negativ, sind nicht erkennbar.

Zum anderen beschäftigten viele Firmen mittlerweile Drittanbieter, die gegen missgünstige Kommentare juristisch vorgehen. In solchen Fällen sperren Bewertungsportale häufig schnell die Kommentare, um Gerichtsprozessen aus dem Weg zu gehen.

EU warnt vor falschen Bewertungen im Netz

Auch die EU warnte in der vergangenen Woche vor falschen Bewertungen oder Zerrbildern: Nationale Verbraucherschutzbehörden hatten 223 Internetseiten, die sich auf Kundenbewertungen spezialisiert haben – und damit ein deutlich breites Spektrum als nur Arbeitgeberbewertungsplattformen umfassen –, unter die Lupe genommen.

Bei fast zwei Dritteln seien die Kundenbewertungen nicht vertrauenswürdig, hatte die EU-Kommission mitgeteilt. Um welche Seiten es sich handelte, konkretisierte die EU nicht.