Berlin. Mit dem Oneplus 10 Pro will der Hersteller aus China Apple und Samsung erneut Konkurrenz machen. Ob das klappt, zeigt unser Praxistest.

Üppig ausgestattete Smartphones mit toller Verarbeitung zum immer noch fairen Preis: Der chinesische Hersteller Oneplus hat sich in den vergangenen Jahren eine stattliche Fangemeinde in der Android-Welt aufgebaut, auch in Deutschland. Sein neuestes Flaggschiff, das Oneplus 10 Pro, war bereits seit Januar in China erhältlich. Seit Anfang April nun ist das 10 Pro auch in Deutschland auf dem Markt. Anders als im Vorjahr steht das Pro für sich, das günstigere Basismodell hat Oneplus gestrichen.

Lobenswert: Die Preise beim Oneplus 10 Pro bleiben stabil – 899 Euro verlangt der Hersteller abermals für die Standardvariante mit 128 Gigabyte (GB) Speicher und 8 GB RAM Arbeitsspeicher. Für 100 Euro mehr erhalten Käuferinnen und Käufer auf Wunsch 256 GB Speicher und 12 Gigabyte RAM.

Die Fußstapfen sind durchaus groß: Der Vorgänger, das Oneplus 9 Pro, heimste im Vorjahr durchweg sehr gute Test-Noten ein und belegt noch heute Platz eins der Smartphone-Bestenliste der Fachzeitschrift „Connect“. Warum der aktuelle Nachfolger erneut oben mitspielen wird, aber den hohen Erwartungen nicht überall gerecht werden kann, verrät unser Praxistest.

Pro

  • tolle Haptik mit matter Rückseite
  • OLED-Display hervorragend
  • Leistung und Arbeitstempo sehr gut
  • gute Haupt- und Weitwinkelkamera mit vielen Kamera-Modi und Farbfiltern
  • rasantes Ladetempo
  • feiner Vibrationsmotor
  • Fairer Preis im Vergleich zum Wettbewerb

Contra

  • nur Detail-Verbesserungen zum Vorgänger
  • Weitwinkelkamera zum Vorgänger schwächer
  • Telezoom-Kamera ordentlich, aber weiter schwächer als Oberklasse-Konkurrenz
  • Speicher nicht erweiterbar
  • IP68 Zertifizierung gestrichen (Wasser- und Staubschutz)
  • kein Ultra-Breitband für die Nahbereichs-Suche
Über Eck: Das Oneplus 10 Pro kommt mit neu gestaltetem Kameramodul aus Keramik.
Über Eck: Das Oneplus 10 Pro kommt mit neu gestaltetem Kameramodul aus Keramik. © FMG | Maik Henschke

Oneplus 10 Pro im Praxistest: Neue Optik nur auf der Rückseite

Wer erhofft hatte, Oneplus würde sich zur Feier der zehnten Generation etwas Besonderes ausdenken, dürfte enttäuscht sein: Zumindest von vorn sieht das 10 Pro nahezu exakt aus wie sein Vorgänger. Die Größe bleibt bei 6,7 Zoll (rund 17 Zentimeter Diagonale), der Bildschirm ist seitlich dezent in den Aluminiumrahmen gebogen.

Oben links sitzt das erfreulich kleine Kameraloch (Punch-Hole) für die Selfie-Kamera. Links im Rahmen die Lauter-Leiser-Wippe, rechts der An-Aus-Knopf und der Oneplus-typische, äußerst praktische Schiebe-Regler (Alert-Slider), mit dem man schnell zwischen Klingelton, Vibrationsalarm und lautlos wechseln kann. Optisch neu ist nur die Oberseite, die nun flach statt abgerundet gestaltet ist.

Dass man nicht den Vorgänger vor der Nase hat, wird beim Blick auf die Rückseite schnell klar: Das Kameramodul ist komplett neu gestaltet. Die drei Kameralinsen und der Blitz sitzen nun in einem dunkel spiegelnden Kamerastreifen aus Keramik, der sich auffällig von der Rückseite in den Rahmen hinein wölbt. Das Design erinnert an Samsungs Galaxy-S-Reihe.

Bei der Rückseite hat sich Oneplus für samtig-mattes Glas entschieden. Neben einer schwarzen Farbvariante gibt es die blassgrüne unseres Testmodells, die ausgesprochen wertig aussieht und zudem angenehm und kaum rutschig in der Hand liegt. Dennoch gehört es zu den eher großen Smartphones auf dem Markt. Die tolle Haptik wird unterstrichen durch den nochmals angenehmeren Vibrationsmotor.

Modellpflege beim Oneplus 10 Pro: Sanfte Verbesserungen und zwei Rückschritte

Insgesamt betreibt Oneplus beim 10 Pro Modellpflege, heißt: Statt großen Neuerungen finden sich kleinere Verbesserungen an mehreren Stellen, vieles wird vom bewährten Vorgänger übernommen. An zwei Stellen leistet sich der Hersteller aber sogar einen Rückschritt:

Denn anders als beim Vorgänger verzichtet Oneplus diesmal auf die Zertifizierung nach IP68. Somit ist nicht länger geprüft, ob das Gerät tatsächlich sicher gegen Wasser und Staub geschützt ist. Oneplus versichert zwar, dass sich am Schutz nichts geändert habe und der Schritt rein aus Kostengründen erfolgt sei. Trotzdem: Bei einem Flaggschiff dieser Preisklasse können Käufer heute IP68 erwarten.

Zweiter Rückschritt ist die Ultraweitwinkel-Kamera. Die gehörte beim Vorgänger noch zu den besten auf dem Markt. Diese hat Oneplus „verschlimmbessert“: Sie kann zwar nun einen noch breiteren Winkel erfassen (150 statt 123 Grad), dafür erreicht sie nicht mehr ganz die Qualität aus dem Vorjahresmodell. Die nun mögliche Fish-Eye-Optik benötigen Hobby-Knipser im Alltag dagegen wohl höchstselten.

Bildschirm des Oneplus 10 Pro erneut auf Spitzenniveau

Trotz aller Kritik: Mit dem Oneplus 10 Pro erhalten Käuferinnen und Käufer erneut ein Spitzen-Smartphone, das preislich immer noch leicht unter der Konkurrenz von Samsungs S22-Reihe oder Apples iPhone 13 Pro liegt.

Der 6,7 Zoll große, hochauflösende Bildschirm (1440 x 3216 Pixel bei 525 PPI Pixeldichte) gehört weiterhin zu den besten im Oberklasse-Bereich. Das OLED-Display ist erneut knackscharf, kontrastreich, farbgetreu und ausreichend hell. Es verfügt zudem über die LTPO-Technologie der 2. Generation, heißt: Es kann je nach Inhalt zwischen 1 und 120 Bilder pro Sekunde (Hertz) darstellen und so laut Hersteller bis zu 25 Prozent Akku sparen. Unbewegte Inhalte wie Text oder der Sperrbildschirm verbrauchen also weniger Strom, dafür wird beim Scrollen oder Spielen hochgedreht und alles sieht extrem flüssig und geschmeidig aus.

Neu: Der Fingerabdrucksensor rutscht etwas höher und ist bequemer zu erreichen. Er reagiert genauso flott wie im Vorjahr. Besitzer werden in keiner Sekunde Probleme mit dem Arbeitstempo bekommen. Denn Oneplus verbaut den derzeit schnellsten Prozessorchip abseits von Apple: Qualcomms Snapdragon 8 Gen 1. Der Chip soll laut Hersteller 60 Prozent mehr Grafikleistung und 20 Prozent mehr Prozessorleistung mitbringen. Damit sind Anwender auf dem neuesten Stand der Technik. Wer häufiger am Handy spielt, wird von Tempo und Grafikleistung angetan sein. Der Klang der Stereo-Lautsprecher bei Musik und Filmen kann wie beim 9 Pro durchaus überzeugen.

Kamera des Oneplus 10 Pro ist gut bis sehr gut

Und was hält die Kamera-Ausstattung unter dem neu gestalteten Modul? Sie hinterlässt im Alltag einen insgesamt guten bis sehr guten Eindruck: Die Hauptkamera (50 Megapixel [MP]) ist die sehr gute des Vorgängers. Die Telezoom-Linse (8 MP) bleibt ebenso unverändert, was aber schade ist. Die Aufnahmen von weiter entfernten Objekten mit bis zu 3,3-fach optischer Vergrößerung sind zwar in Ordnung – waren aber schon im Vorjahr die Schwachstelle im Vergleich mit anderen Herstellern. Hier hätte man sich ein Nachbessern gewünscht.

Die Ultraweitwinkel-Kamera (48 MP) ist unterm Strich enttäuschend: Denn abgesehen vom größeren Maximalwinkel ist der Sensor nun kleiner und damit weniger lichtstark. Das Ergebnis sind etwas weniger Schärfe und blassere Farben. Zudem wurde der Makro-Modus für Nahaufnahmen gestrichen.

Oneplus 10 Pro mit Elementen von Hasselblad

Dafür setzt Oneplus die Zusammenarbeit mit dem schwedischen Edel-Kamerahersteller Hasselblad fort. Das macht sich jedoch erneut nur bei der Farbwiedergabe und der Kamerasoftware bemerkbar. So werden Bilder aller drei Linsen erstmals mit bis zu 10 Bit Farbtiefe dargestellt. Bedeutet: Sie können theoretisch eine Milliarde Farben verarbeiten, der Hersteller wirbt daher mit einer „Billion Color Solution“.

Letztlich sollen Farbabstufungen so noch sanfter ausfallen. Fotografiert man etwa einen Sonnenuntergang, sind die Übergänge zwischen den Rot- und Orangetönen noch etwas feiner – etwas für Detailversessene und Profis. Das gilt auch für das neue „RAW+“-Format, das mehr Möglichkeiten beim Nachbearbeiten bietet. Punkten kann das Oneplus 10 Pro erneut durch zahlreiche Einstellmöglichkeiten im detailreichen Kamera-Menü. Der Auslöse-Knopf ist im Orange von Hasselblad gehalten, der Auslöse-Ton soll genauso klingen wie bei den Kameras der Schweden.

Unterm Strich gelingen Aufnahmen bei Tageslicht fast durchweg sehr gut mit schön neutralen Farben – solange man die Zoomlinse sparsam einsetzt. Bei Dämmerung und nachts gehören die Aufnahmen dank des Nachtmodus im Vergleich noch zu den besseren, kommen aber nicht ans Google Pixel 6 Pro heran. Selbstporträts sehen jetzt besser aus, denn die Frontkamera löst mit 32 MP nun doppelt so hoch auf wie beim 9 Pro. Filmaufnahmen sind in 4K (bis 120 Frames pro Sekunde) und sogar 8K Auflösung möglich und profitieren von der guten Bildstabilisierung der Kamerasoftware.

Spitzen-Bildschirm: Das Display des Oneplus 10 Pro hinterlässt erneut einen überragenden Eindruck. Die Frontkamera links oben löst doppelt so hoch auf wie beim Vorgänger.
Spitzen-Bildschirm: Das Display des Oneplus 10 Pro hinterlässt erneut einen überragenden Eindruck. Die Frontkamera links oben löst doppelt so hoch auf wie beim Vorgänger. © FMG | Maik Henschke

Oneplus 10 Pro: Akku aufladen im Rekordtempo

Der Akku erhält etwas mehr Leistung (5000 statt bisher 4500 Milliamperestunden) und ist dem Preis angemessen: Er hielt im Alltag fast immer problemlos bis mindestens zum Schlafengehen, kann aber nicht mit der Batterie der aktuellen iPhones mithalten.

Dafür kann man sein Oneplus erneut im Rekordtempo wieder aufladen: Mit starken 80 Watt werden die beiden eingebauten Akkus zeitgleich befüllt, wenn das Gerät am mitgelieferten Netzteil hängt. In nur 15 Minuten ist die Batterie wieder bei 60 Prozent, womit man über den Tag kommen kann. Vollladen dauert ebenfalls nur rund 32 Minuten. „SuperVooc“ nennt der Hersteller diese verbesserte Ladetechnik. Kabelloses Laden ist mit 50 Watt möglich (rund 45 Minuten pro komplette Ladung), auch das ist lobenswert. Für dieses Wireless Charging ist aber extra Zubehör nötig. Ultra-Breitband für die Nahbereichs-Suche von Objekten bietet das 10 Pro anders als vergleichbare Modelle noch nicht an.

Oneplus 10 Pro wird nicht zu Oppo

5G-Mobilfunk wird unterstützt. Als Betriebssystem ist Googles aktuelles Android 12 in der neuesten Version vorinstalliert. Beim Menüdesign setzt Oneplus wie in den Jahren zuvor auf die eigene Oberfläche Oxygen OS. Diese ist extrem flüssig, bietet schöne Animationen und punktet mit vielen Möglichkeiten der Personalisierung. Damit gleicht sich Oneplus vorerst nicht, wie gemunkelt, optisch der Muttermarke Oppo an, die zum selben BBK-Konzern wie Oneplus gehört und in Deutschland wohl zur Premiummarke aufgebaut wird. Der Hersteller verspricht drei große System-Upgrades und vier Jahre Sicherheits-Updates.

Fazit: Oneplus 10 Pro macht leichten Sprung nach vorn

Wie lange sich Oneplus, das mit der Nord-Reihe auch sehr gute Mittelklasse anbietet, noch im hochpreisigen Bereich halten kann, wird die Zukunft zeigen. Käuferinnen und Käufer erhalten mit dem Oneplus 10 Pro in jedem Fall ein stark ausgestattetes Smartphone mit toller Haptik zum noch fairen Preis, das behutsam verbessert wurde – aber an zwei Stellen unnötig spart. Besitzer des Oneplus 9 Pro müssen keinesfalls zum Nachfolger wechseln. Wer sparen möchte, kann auch bedenkenlos zum Vorgänger greifen.

Spekuliert wird, dass Oneplus im Laufe des Jahres noch ein besser ausgestattetes Ultra-Modell vorstellt. Vielleicht hat man sich deshalb mit allzu vielen Verbesserungen zurückgehalten.

Dieser Artikel erschien zuerst auf www.abendblatt.de