Berlin. Die Sanktionen gegen russische Oligarchen wegen des Kriegs in der Ukraine lassen sich nur schwer durchsetzen. Warum ist das so?

Wer ist unser wichtigster Eigentümer? Diese Frage konnte der weltgrößte Reisekonzern Tui wochenlang nicht beantworten. Als der russische Oligarch Alexej Mordaschow im Zuge der Ukraine-Krise Ende Februar auf der Sanktionsliste der EU landete, verschob der Hauptaktionär seinen 34-Prozent-Anteil in unbekannte Richtung.

Erst an diesem Freitag zeigt sich: Über ein Firmengeflecht kontrolliert Mordaschows Ehefrau 29,87 Prozent der Stimmrechte des Konzerns, heißt es in einer Finanzmarkt-Information.

Mit dem Konstrukt könnten die persönlichen Sanktionen gegen einflussreiche russische Staatsbürger womöglich ins Leere laufen. Nach Angaben von Tui prüft jedoch das Bundeswirtschaftsministerium den Fall nach dem Außenwirtschaftsgesetz – so lange bleiben die Stimmrechte gesperrt. Der Fall zeigt, vor welchen Schwierigkeiten die Behörden in Europa aktuell beim Aufspüren russischen Vermögens stehen.

Am augenfälligsten und schlecht zu verschleiern sind da noch die Yachten, die Statussymbole der Superreichen. Wobei „Yacht“ eigentlich der falsche Begriff ist. Eher handelt es sich bei der „Dilbar“ oder „Lady M“ um private Kreuzfahrtschiffe. „Dilbar“ hat 80 Personen Besatzung und zwei Hubschrauberlandeplätze, Wert: rund 600 Millionen Euro.

Wem die Schiffe genau gehören, ist oft unklar

Angeblich gehört das Schiff, das gerade in der Hamburger Werft Blohm+Voss liegt, dem russischen Milliardär Alisher Usmanow. Doch genau weiß man das auch in diesem Fall nicht. Laut „Spiegel“ ist als Besitzer ein Fonds auf den Cayman-Inseln eingetragen.

Auch Usmanow steht auf der Sanktionsliste der EU wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine. „Ab jetzt gehen keine Yachten mehr raus“, sagte der Hamburger Wirtschaftssenator Michael Westhagemann. Aber bewegt er sich damit nicht auf dünnem Eis?

Die 65-Meter-Yacht „Lady M“ von Alexej Mordaschow.
Die 65-Meter-Yacht „Lady M“ von Alexej Mordaschow. © imago/TheYachtPhoto.com | IMAGO/Giovanni Romero

Bankkonten, Investitionen, Immobilien: Die wirklichen Eigentümer verstecken sich oft hinter komplizierten Firmenkonstrukten. Dieser Umstand steht jetzt wieder auf der Tagesordnung, da die Vermögen von Milliardären aus dem Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin eingefroren werden sollen.

Transparenzregister erfüllt seinen Zweck bislang nicht

Durch die Sanktionen gegen russische Politiker und Unternehmer erhalten nun Vorhaben neue Dringlichkeit, die bereits im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien angelegt sind. Es geht darum, Kapitalanlagen aus kriminellen Geschäften und Steuerhinterziehung hierzulande aufzudecken, zu erschweren und zu verhindern. „Dazu vereinbarte Projekte im Koalitionsvertrag“ müssten „schnellstmöglich umgesetzt“ werden, mahnte Grünen-Fraktionsvize Lisa Paus unlängst.

Informationen über die Herkunft des angelegten Kapitals und seine wirklichen Besitzer spielen eine wesentliche Rolle. Stehen diese den Behörden, im besten Falle auch der Öffentlichkeit zur Verfügung, könnte das nicht nur helfen, Geldwäsche zu vermeiden, sondern auch Sanktionen gegen bestimmte Personen und Organisationen erleichtern. Mehr zum Thema:Superreich und überall zu Hause: Das sind Oligarchen

Eine Großbaustelle dabei ist das deutsche Transparenzregister. In diese zentrale Datei müssen sich prinzipiell alle juristischen Personen eintragen, etwa Unternehmen, Stiftungen und Investmentgesellschaften samt ihren sogenannten wirtschaftlich Berechtigten. Das bedeutet, dass die natürlichen Personen genannt werden müssen, die hinter einer Firma stehen, also die tatsächlichen Eigentümer. Noch sind diese Angaben teilweise lückenhaft.

Das liegt wohl teilweise an einer Übergangsfrist, die bis Ende 2022 reicht, andererseits wahrscheinlich auch an mangelnden Kontrollen durch die Behörden. Im Koalitionsvertrag jedenfalls heißt es: „Wir werden die Qualität der Daten im Transparenzregister verbessern, sodass die wirtschaftlich Berechtigten in allen vorgeschriebenen Fällen tatsächlich ausgewiesen werden.“ Weiterlesen: McDonald’s und Co. verlassen Russland: Behörden drohen

Ein Register für Immobilienbesitz gibt es bislang nicht

Ein weiterer offener Punkt ist das Immobilienregister. Paus fordert, es „zeitnah“ einzurichten. Derzeit liegen die Angaben über Grundstücke, Immobilien und ihre Besitzer noch verteilt bei Hunderten Amtsgerichten. Ein bundeseinheitliches Datenbankgrundbuch ist zwar im Aufbau. Die Ampel will aber noch einen Schritt weiter gehen.

„Wir werden das Datenbankgrundbuch mit dem Transparenzregister verknüpfen, um die Verschleierung der wahren Eigentümer von Immobilien zu beenden“, heißt es im Koalitionsvertrag. Denn „wo die Eigentümer nicht bekannt“ seien, da könne ihr Besitz „nicht eingefroren werden“, sagt Paus.

International gibt es ähnliche Bemühungen. Die Gruppe der großen westlichen Industrieländer (G7) hat eine Taskforce einberufen, um das Vermögen von reichen Russen einzufrieren und zu beschlagnahmen. „Wir werden alle russischen Persönlichkeiten ausmachen, die in Frankreich Besitztümer haben und die wegen ihrer Regierungsnähe zu den EU-Sanktionen hinzugefügt werden können“, erklärte auch der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire. Auch interessant:FC Chelsea – Unsichere Zeiten wegen Abramowitsch-Sanktionen

Die Kontrollorganisation Transparency begrüßt die Initiative. „Bemühungen zum Einfrieren und Beschlagnahmen von Vermögenswerten müssen international koordiniert und umgesetzt werden, da das Verstecken und Verschleiern von Eigentum keine Grenzen kennt“, sagt Hartmut Bäumer, Vorsitzender von Transparency Deutschland. Der Austausch sollte auch langfristig bestehen bleiben, fordert er.

Dieser Text erschien zuerst auf www.waz.de