Berlin. Arbeitsminister Heil will Arbeitgeber im Kampf gegen Schwarzarbeit schärfer kontrollieren. Unternehmen laufen Sturm gegen das Vorhaben.

Trotz gesetzlicher Lohnuntergrenze erhalten viele Beschäftigte keinen Mindestlohn: In 1715 Fällen ermittelte die Finanzkontrolle Schwarzarbeit im ersten Halbjahr des Vorjahres wegen Mindestlohnverstößen und verhängte fast 7,5 Millionen Euro Bußgelder.

Ein beliebter Trick bei manchen Arbeitgebern: Sie lassen ihre Beschäftigten länger arbeiten – für denselben Lohn. Diese Form der Mindestlohnverstöße könnte sich verschärfen, wenn die gesetzliche Lohnuntergrenze im Herbst auf zwölf Euro steigt, fürchtet Robert Feiger, Bundesvorsitzender der Indus­triegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt. „Die Gefahr, dass etliche Arbeitgeber es mit den tatsächlich geleisteten Stunden nicht so genau nehmen, wenn sie künftig zwölf Euro pro Stunde als neuen Mindestlohn zahlen müssen, ist groß“, sagte Feiger unserer Redaktion.

Arbeitsminister Hubertus Heil plant digitale Arbeitszeiterfassung

Im ersten Pandemiejahr 2020 ermittelte die Finanzkontrolle Schwarzarbeit in 4220 Fällen wegen Mindestlohnverstößen, im ersten Halbjahr des Vorjahres in 1715 Fällen. Rund jeder vierte Fall betraf dabei Baustellen, aber auch Branchen wie die Gastronomie und Hotellerie oder die Gebäudereinigung waren betroffen.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will die Arbeitgeber in diesen und acht weiteren Branchen, darunter Spediteure, Taxifahrer, Schausteller, Messebauer, Forstwirte, Wachleute, Prostituierte und die Fleischwirtschaft, künftig schärfer kontrollieren.

Arbeitszeit soll am selben Tag digital erfasst werden

Im Gesetzesvorhaben zum Zwölf-Euro-Mindestlohn und einer Anhebung der Minijob-Verdienstgrenze von 450 auf 520 Euro will Heil eine Pflicht zur digitalen Erfassung der Arbeitszeit verankern. Bisher müssen Arbeitgeber die Arbeitszeit der Beschäftigten binnen sieben Tagen erfassen – dies kann auch in Papierform erfolgen. Künftig soll alles digital geschehen – und noch am selben Tag.

Arbeitnehmervertreter begrüßen das Reformvorhaben. „Auf jeden Fall sollte im Gesetz klargestellt werden, dass die Arbeitgeber ihre Arbeitszeitaufzeichnungen nicht ,nach‘, sondern spätestens ,mit‘ Ablauf des Abrechnungszeitraums an die jeweiligen Beschäftigten übersenden müssen“, erklärte Anja Piel, Vorstandsmitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund, unserer Redaktion. So könnten Beschäftigte überprüfen, ob ihr Arbeitsentgelt korrekt berechnet werde.

Müssen jetzt Diensthandys angeschafft werden?

Neben dem Verhindern von Manipulationen bei der Arbeitszeitaufzeichnung will das Arbeitsministerium mit der Reform Bürokratie abbauen – eigentlich ein Punkt, der bei Firmen gern gesehen wird.

Doch die Unternehmen laufen Sturm gegen das Vorhaben. In einer Stellungnahme des Bundesinnungsverbandes des Gebäudereiniger-Handwerks, das unserer Redaktion vorliegt, wird das Vorhaben als „fernab der betrieblichen Realität“ bezeichnet. Wolle man das Vorhaben umsetzen, müssten entweder festinstallierte Terminals zum Einsatz kommen – in mehr als 100.000 Gebäuden, in denen die Reinigungskräfte tätig seien. Oder aber, man müsse Diensthandys anschaffen – für 700.000 Beschäftigte, heißt es in dem Papier.

Scharfe Kritik kommt auch aus dem Baugewerbe und dem Handel. Müssten in allen Branchen Diensthandys angeschafft werden, würden ab Oktober mehrere Millionen Beschäftigte mit mobilen Endgeräten ausgestattet werden.

Vorhaben sorgt innerhalb der Ampel-Koalition für Streit

„Eine digitale Dokumentationspflicht am selben Tag ist in bestimmten Branchen, in denen Beschäftigte verschiedene Kundeneinsätze haben, schlichtweg nicht praktikabel“, sagte Hans-Jürgen Völz, Chefvolkswirt des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, unserer Redaktion. Die Anschaffung der Geräte sei mit hohen Kosten verbunden, mahnte er.

Dieser Umstand sorgt auch innerhalb der Ampelkoalition für Zwist. SPD und Grüne wollen die Regelung durchsetzen, die FDP ist dagegen. „Aus fachlicher Sicht ist dieser Regelung nicht zuzustimmen“, sagte Pascal Kober, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, unserer Redaktion.

Die derzeitigen Pläne würden viele Betriebe vor „technisch und juristisch kaum lösbare Probleme“, stellen, sagte Kober. „Aus diesem Grund halten wir diese Regelung für nicht zumutbar und zweckmäßig.“ Stattdessen müsse man die Ermittlungsbehörden zur Kontrolle von Schwarzarbeit und zur Einhaltung des Mindestlohns besser ausstatten, schlug Kober vor.