Berlin. Die EU arbeitet an einer neuen Abgasnorm. Die Automobilindustrie ist über die Pläne so erbost, dass es selbst dem ADAC zu weit geht.

Eigentlich könnte Hildegard Müller zufrieden sein. Seit einem Jahr steht sie an der Spitze des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). Geholt wurde die frühere Energielobbyistin, um den Wandel zur Elektromobilität voranzubringen.

Das geht schneller als gedacht. Mit Milliardenhilfen greift der Bund der Automobilindustrie unter die Arme, fördert den Ladesäulenausbau und zahlt für E-Autos bis 2025 satte Kaufprämien. Und das, obwohl die großen deutschen Autobauer wie VW, Mercedes und BMW trotz Pandemie hohe Gewinne erzielten. Ein Erfolg für Müller.

VDA kritisiert neue EU-Pläne scharf

Und doch ist die Autolobbyistin gereizt, was vor allem an Brüssel liegt. Dort berät die EU-Kommission über neue Abgasregeln, die ab 2025 gelten könnten. Ein Beratergremium unterbreitete bereits erste Vorschläge. Der Stickstoffoxid-Ausstoß soll drastisch heruntergefahren, die Messverfahren sollen angepasst werden, heißt es darin. Die Autoindustrie fürchtet so etwa das Aus für den Dieselmotor.

„Die EU-Kommission betreibt hier eine Verbotspolitik durch die Hintertür und will sich einer offenen und breiten Diskussion entziehen“, sagte Müller unserer Redaktion. Technisch seien die geplanten Vorhaben nicht zu schaffen. Und: „Was als nachhaltig verkauft wird, ist letztlich sogar klimaschädlich“, schimpft Müller. Denn viele Verbraucher würden ihre alten Fahrzeuge behalten, anstatt sich modernere Verbrennerautos zu kaufen.

VDA-Präsidentin Hildegard Müller befürchtet ein Verbot der Verbrennungsmotoren „durch die Hintertür“.
VDA-Präsidentin Hildegard Müller befürchtet ein Verbot der Verbrennungsmotoren „durch die Hintertür“. © imago images/Jürgen Heinrich

Gegenwind vom ADAC: Verkehrsclub mahnt Versachlichung der Diskussion an

Die Debatte sorgt allerdings sogar beim ADAC, dem mit mehr als 20 Millionen Mitgliedern größten Verkehrsclub Europas, für Irritation. „Wir erleben derzeit eine aufgeheizte Diskussion, die der Sache nicht angemessen ist und dem Ziel schadet“, sagte ADAC-Technikpräsident Karsten Schulze unserer Redaktion.

Der ADAC schert damit aus der Reihe der großen Automobilverbände aus. Neben dem VDA hatte auch der Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe die Pläne kritisiert. Der ADAC hingegen teilt gegen die anderen Lobbyverbände aus. „Hier reihen sich auch Weltuntergangsszenarien ein, die den Tod des Diesel- und Benzinmotors heraufbeschwören, bevor überhaupt ein konkreter Verordnungsentwurf vorliegt“, sagte Schulze.

ADAC sieht Anpassungen als notwendig an

Dabei ist auch der ADAC gegen ein Verbot von Verbrennungsmotoren, wie es einige Länder, darunter Japan, Großbritannien und Frankreich, bereits angeordnet haben. Nur werde oft übersehen, dass viele Neuwagen schon heute unter den bisherigen Grenzwerten liegen, so Schulze.

Er sei überzeugt, dass emissionsarme Verbrennungsmotoren eine Zukunft hätten. Zugleich begrüßte er mögliche Anpassungen, etwa die Einbeziehung gesundheits- und klimaschädlicher Gase sowie die Überarbeitung der Messverfahren. Der ADAC wünsche sich ein „klares Bekenntnis zum Verbrenner unter der Voraussetzung, dass dieser sauber ist, statt einer andauernden Verbotsdiskussion“, sagte Schulze.