Washington. Elon Musk bricht auf Twitter mit den Demokraten. Dabei beschimpft der reichste Mann der Welt die Partei wüst - und ziemlich haltlos.

Elon Musk eifert seit einiger Zeit schon dem auf Twitter (noch) verbannten Ex-Präsidenten Donald Trump nach. Auch dessen Verständnis von Meinungsfreiheit war es, regelmäßig mit Kurz-Polemiken Empörungswellen loszutreten, Chaos zu säen, Wut bei Gegnern, Begeisterung bei Gleichgesinnten zu entfachen und daraus den Tagesbedarf an politischer Disruptions-Energie zu decken.

Am Mittwochabend hat der mit knapp 250 Milliarden Dollar reichste Mann der Welt, der gerade dabei ist, Twitter zu kaufen (oder auch nicht), hier für seine 92 Millionen Kurzmitteilungs-Abonnenten neue Maßstäbe gesetzt.

Elon Musk: „Demokraten sind die Partei des Hasses”

Der 50-Jährige nannte die Demokraten völlig kontextlos die „Partei der Spaltung und des Hasses” und kündigte an, künftig für die Republikaner, die Partei Trumps, zu stimmen. Sechs Monate vor den Zwischenwahlen ein ziemlicher Hammer für einen Mann, der bisher die Marschroute verfolgte: „Ich bevorzuge es, mich aus der Politik herauszuhalten.”

In einem Nebensatz kanzelte der für Elektroautos und private Raumfahrt-Unternehmungen bekannte Südafrikaner noch schnell die Elite-Uni Yale als „Epizentrum des geistigen Woke-Virus, das versucht, die Zivilisation zu zerstören”. Unter „woke” (übersetzt etwa „aufgewacht”) wird in den USA von der politischen Rechten alles Links-Progressive subsummiert – und verteufelt.

Musk hielt Donald Trump für „ungeeignet”

Seit Musks Beitrags, der bis Donnerstag-Morgen Ostküstenzeit knapp 600 000 „Herzchen” (Likes) bekam, drängt sich die Frage auf: Wie rechts ist der Mega-Milliardär – und was eigentlich treibt ihn?

Die Antwort fällt wie so oft bei Musk nicht eindeutig aus. Musk hatte in der Vergangenheit meist für demokratische Kandidaten gestimmt. Trump persönlich hielt er 2016 für „ungeeignet”, um Amerika zu führen. Heute will er, wenn er den Eigentümer von Twitter wird, den Rechtspopulisten wieder „zwitschern” lassen.

Elon Musk: Gegen Steuer und für extreme Freiheit

In seinem politischen Spendenverhalten war der Milliardär bisher ausgewogen. Von rund 1,2 Millionen Dollar, die er seit 2002 verteilte, bekamen Demokraten wie Republikaner nahezu gleiche Anteile.

Ideologisch hält sich Musk in gesellschaftlichen Angelegenheiten für „extrem liberal”, ansonsten aber für „finanziell konservativ”. Staatliche Interventionen, etwa bei Corona-Maßnahmen, bei gigantischen Konjunktur-Paketen oder Steuer-Erhöhungen für Super-Reiche, sind ihm, dem Libertären, prinzipiell ein Gräuel. Ebenso bürokratische Regelwerke, die seine unternehmerischer Freiheit einengen könnten.

US-Medien rätseln über Musks Vorwürfe

Wie Musk dazu kommt, die Demokraten als „Parteien des Hasses” zu titulieren – er erklärt oder belegt das an keiner Stelle – ist Beobachtern in US-Medien ein Rätsel. Deren Tenor: Sind es nicht die Republikaner, die bis heute einen Ex-Präsidenten stützen, der im Januar 2021 einen wütenden Mob in Washington de facto zum Staatsstreich animierte? Sind es nicht die seit Trump extrem nach Rechts abgedrifteten Konservativen, die in den Schulen einen Kulturkrieg führen, der fortschrittliches Denken über Rassismus und Geschlechterfragen bekämpft?

Nicht auszuschließen, dass Musk wie schon bei früheren Gelegenheiten mit seiner Attacke vor allem Wut kanalisieren und ablenken will. Wovon? Der von ihm großspurig angekündigte Twitterkauf hängt mindestens in der Schwebe. Musk will den vereinbarten Kaufpreis von 44 Milliarden Dollar nachträglich drücken. Die Börsenaufsicht SEC hat ihn auf dem Kieker, weil er einmal mehr gegen Transparenz-Auflagen verstoßen haben soll.

Tesla kämpft mit Rassismus- und Sexismus-Vorwürfen

Dazu kommt: Sein Prunkstück Tesla ist gerade aus aus dem Aktienindex S&P 500 ESG geflogen. Da geht es um Geldanlagen, bei denen Kriterien wie Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung eine Rolle spielen.

Tesla aber hat seit Langem mit Rassismus- und Sexismus-Vorwürfen, Beschwerden von Mitarbeitern über schlechte Arbeitsbedingungen in den Werken und gehäuft mit staatlichen Untersuchungen zu tödlichen Unfällen in Verbindung mit dem umstrittenen Fahrassistenten „Autopilot” zu tun – darum die Degradierung. Musk schäumt darüber, fühlt sich verfolgt und als Unternehmer drangsaliert. Wie er sich überhaupt von der Regierung von Joe Biden viel zu wenig gewürdigt fühlt, die es eher mit der traditionellen Autoindustrie und den dort angegliederten Gewerkschaften hat, die Musk aufs Herzlichste verabscheut.

Fazit: Musk ist politisch ein sehr flexibles Chamäleon, vor allem interessiert an einer Politik, die ihm und seinen Unternehmen finanziell hilft. Ob er wirklich die Republikaner wählt im Herbst – niemand weiß das heute.

Dieser Artikel erschien zuerst auf abendblatt.de.