Berlin. Nach vielen Problemen und einer langen Bauzeit wird heute der Hauptstadtflughafen BER eröffnet. Eine Bilanz des Katastrophenprojekts.

  • Am Samstag wird der Hauptstadtflughafen BER im kleinen Kreis eröffnet
  • Ursprünglich war die Inbetriebnahme bereits für 2011 geplant gewesen
  • Wegen zahlreicher Probleme und Baumängel wurde der Termin jedoch immer wieder verschoben

Der Hauptstadtflughafen ist fertig. Endlich. Am Samstag wird der BER nach 14 Jahren Bauzeit eröffnet. Wer schon drin war, ist begeistert. Doch der BER ist längst das Symbol für völlig aus dem Ruder gelaufene Staatsprojekte. Acht Fakten über das Pleiten-Pech-und-Pannen-Projekt:

Die Bauzeit des Hauptstadtflughafens BER

Es soll ganz schnell gehen. Baustart im September 2006, Start des ersten Fliegers im November 2011. Dass daraus zunächst Juni 2012 wird – Nebensache. Dann, vier Wochen vor Eröffnung, die Läden sind schon eingeräumt, der Dammbruch: Die Brandschutzanlage spinnt, heißt es offiziell. Eröffnung abgesagt.

Wenig später wird das volle Ausmaß von Baupfusch und Missmanagement deutlich. Immer mehr sicherheitsrelevante Probleme mit der Gebäudetechnik tauchten auf – gerade einmal die Hälfte soll wie geplant funktionieren.

Eine Untersuchung kommt zu dem Schluss: Der in 40 kleine Teilprojekte zerlegte Bau des Hauptterminals wurde kaum koordiniert und überwacht, ständige Änderungswünsche – um mehr Geschäfte unterzubringen, wurde etwa einfach eine zusätzliche Ebene eingezogen – rundeten das Chaos ab. Erst im April 2020 liegen alle Genehmigungen vor.

Hauptstadtflughafen BER: Die Kosten des Großprojektes

Bei Baubeginn ist der BER, der Berlin, Brandenburg und dem Bund gehört, mit zwei Milliarden Euro fast ein Schnäppchen. Jedenfalls im Vergleich zur letzten Schätzung von über sieben Milliarden Euro. Der jahrelange Leerstand kostet im Monat 20 Millionen Euro für Bewachung, Strom, Reinigung.

In der Corona-Krise schrammt die Betreibergesellschaft wegen eingebrochener Passagierzahlen am Rande der Insolvenz und braucht weitere Steuermillionen.

Nach 14 Jahren Bauzeit wird auf Deutschlands chaotischster Baustelle alles gut – der Hauptstadtflughafen BER eröffnet am Sonnabend.
Nach 14 Jahren Bauzeit wird auf Deutschlands chaotischster Baustelle alles gut – der Hauptstadtflughafen BER eröffnet am Sonnabend. © dpa | Patrick Pleul

Apropos Corona: Ohne Pandemie wäre der Hauptstadtflughafen schon heute viel zu klein. 36 Millionen Passagiere nutzten 2019 die Alt-Flughäfen Tegel und Schönefeld. Der Hauptstadtflughafen ist für 31 Millionen Fluggäste ausgelegt – und das auch nur dank des eilig in stilloser Industriebauweise errichteten Terminals 2. Ein Generalunternehmer hat es nahezu geräuschlos aus dem Boden gestampft.

Die Manager

Technikchefs, Chefplaner, Geschäftsführer: Am BER dreht sich das Personalkarussell schnell. Auf den gescheiterten Airportchef Rainer Schwarz folgt 2013 Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn. Im größten Chaos soll er die Dinge ordnen – hat aber kein glückliches Händchen. Mehdorn nennt immer neue Eröffnungstermine. „Irgendwann 2017“ heißt es zwischendurch mal. 2015 wirft er hin.

Nachfolger Karsten Mühlenfeld fällt 2017 wegen der Auswechslung des Technikchefs in Ungnade. Seither steht der frühere Berliner Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup an der Spitze.

Der Baupfusch

In Fachkreisen heißt sie „Monster“. Sieben Jahre hat es gedauert, die vermurkste Entrauchungsanlage zu bändigen. Überhaupt die Gebäudetechnik: Tausende Kilometer Kabel sind wild durcheinander verlegt. Der Tüv sieht 11.000 Mängel bei Sicherheitsstrom und -beleuchtung. Die Rohre der Sprinkleranlage sind zu dünn, 80 Prozent der Türen defekt. Schließlich fällt auf, dass Zigtausende Plastikdübel womöglich mit Brandschutzstandards kollidieren.

Das Licht

Am Stadtrand Berlins funkelt nachts ein Stern namens BER. 2013 zeigt sich: Das Tag und Nacht brennende Licht im menschenleeren Terminal lässt sich nicht abstellen. Die Leittechnik sei noch „nicht so weit“, heißt es. 2020 dann das Gegenteil: Eine Zeitschaltuhr macht es beim ersten Nacht-Testbetrieb zappenduster. Hunderte Komparsen stehen im Dunklen, bis ein Techniker herbeieilt.

Die Geisterzüge

Die Deutsche Bahn ist im im Herbst 2011 pünktlich startklar am BER. Seither hält sie die Flughafenstrecke mit viel Aufwand instand. Täglich rollt ein Dutzend Geisterzüge. Ohne diese „Entlüftungsfahrten“ würde der unterirdische Bahnhof verschimmeln. Die monatlichen Kosten wurden einmal auf zwei Millionen Euro geschätzt.

Die Rolltreppen

Es ist die jüngste Posse aus dem Kuriositätenkabinett BER. Wer per Bahn anreist, kommt sehr bequem ins Terminal. Vom Bahnsteig in die Abfertigungshalle sind es im besten Fall nur 50 Meter über zwei Rolltreppen. Das ist einmalig in Deutschland. Einmalig ist aber auch: Die Rolltreppen führen nur in eine Richtung.

Mehr zum Thema Luftfahrt:

Wer mit schwerem Gepäck am BER landet, darf um einen der drei Fahrstühle ringen – oder schleppen. Aufgefallen ist das erst vergangene Woche. Flughafenbetreiber und Deutsche Bahn zucken mit den Schultern.

Der Flughafen Tegel

Auch die Zukunft des Flughafens Tegel ist eine Posse. 2017 sind bei einem Volksentscheid 56,1 Prozent der Berliner für einen Weiterbetrieb. Der rot-rot-grüne Senat ignoriert das Votum – und besiegelt das endgültige Aus für Tegel.

Am Sonntag, 8. November, wird eine Air-France-Maschine nach Paris die Lichter ausmachen. Tegel liegt im früheren französischen Sektor Berlins – und mit einem Air-France-Flug nahm der Flughafen 1960 den Betrieb auf.

„Deutschland hat sich mit diesem Projekt blamiert“

„Beim Hauptstadtflughafen ist fast alles schiefgegangen. Deutschland hat sich mit diesem Projekt blamiert“ – so lautet das Fazit von Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahlerbunds. Die Politik habe sich völlig überschätzt und versäumt, einen Generalunternehmer zu beauftragen. Im Aufsichtsrat säßen zu viele Politiker und zu wenige Fachleute zur Überwachung des Projekts.

Und Holznagel blickt pessimistisch in die Zukunft: „Es ist zu befürchten, dass dieser Flughafen im Betrieb niemals schwarze Zahlen erreichen wird – und dass der BER ein dauerhaftes Zuschussgeschäft für den Steuerzahler bleibt.“