Berlin. Rostige Bomben auf dem Meeresgrund setzen Giftstoffe frei. Die Umweltministerin plant ein Sofortprogramm zur Bergung der Altlasten.

Experten sprechen von tickenden Zeitbomben. Auf dem Meeresboden von Nord- und Ostsee verrotten seit Jahrzehnten Granaten, Minen, Bomben und Torpedos aus dem Zweiten Weltkrieg. Alleine in deutschen Gewässern wurden geschätzt 1,6 Millionen Tonnen dieser Kriegsmaterialien versenkt, statt sie zu entsorgen.

Manche Bomben rosten, sodass ihre Sprengstofffüllungen ins Wasser gelangen und damit zur Bedrohung für die Tier- und Pflanzenwelt werden können. Es handelt sich vornehmlich um konventionelle Munition, also Spreng- oder Brandmunition, die zumeist mit TNT oder weißem Phosphor befüllt ist. Hinzu kommen Tausende Tonnen chemischer Kampfstoffe wie Senfgas, Sarin oder Phosgen.

Umweltministerin Lemke will Kriegsmunition bergen lassen

Die neue Bundesumweltministerin Steffi Lemke will diese gefährlichen Altlasten in deutschen Gewässern nicht mehr akzeptieren und dringt darauf, die Weltkriegsmunition zu heben. „Wir wissen, dass durch die Zerfallsprozesse der Munition schon jetzt Giftstoffe freigesetzt werden“, sagte die Grünen-Politikerin unserer Redaktion. „So wurden in Muscheln schädliche Substanzen daraus nachgewiesen.“

Das Problem sei viel zu lange vernachlässigt worden. Jetzt müsse „so schnell wie möglich“ gehandelt werden, ist Lemke überzeugt. Einen Zeitpunkt, bis wann die letzte Bombe gehoben sei, konnte sie jedoch noch nicht nennen. Auch gibt es noch keine belastbare Kostenschätzung für das Vorhaben. Lemke betont die Dimension der Herausforderung: „Es geht nicht nur um Blindgänger. Im Auftrag der Alliierten wurden nach dem Krieg Tausende Tonnen Munition in der Ostsee versenkt, um sie unbrauchbar zu machen. Doch niemand weiß, wann, wo genau und was versenkt wurde.“

Sofortprogramm zur Bergung von Bomben und Granaten

Lemke erhofft sich bei der Hebung auch Unterstützung aus dem Verteidigungsministerium. Nach einem ersten Gespräch dazu mit der Verteidigungsministerin habe sie den Eindruck, dass Christine Lambrecht (SPD) bereit sei, „mit Ressourcen der Bundeswehr bei diesem Problem zu helfen“.

Die Ampel-Regierung will ein nationales Sofortprogramm zur Bergung der Munitionsaltlasten auf den Weg bringen. Bei der Entwicklung dieses Programms würden die Bundesländer aktiv eingebunden. „Ein Ziel des Programms ist unter anderem eine solide Finanzierungsgrundlage für die Bergungsmaßnahmen, um diese langfristig abzusichern“, sagte ein Ministeriumssprecher. Die Gespräche dazu liefen bereits innerhalb der Bundesregierung. „Beginnen soll die Bergung in Pilotregionen in der Ostsee.“

Dabei handele es sich um Regionen, die besonders von Altmunition belastet und gleichzeitig leicht zugänglich seien, um die früheren Kriegsmaterialien mit möglichst geringen Schäden für Umwelt und Gesundheit zu beseitigen. Sprengungen sollen möglichst vermieden werden. Sollte sich das Verfahren bewähren, könnten die Aktivitäten auch auf andere Regionen ausgeweitet werden, so das Umweltministerium.

Munition auf Meeresgrund stammt aus dem Zweiten Weltkrieg

Der überwiegende Teil der Munition in der Nord- und Ostsee stammt aus militärischen Operationen während des Zweiten Weltkriegs. Zudem versenkten die Alliierten am Ende und nach dem Krieg noch vorhandene Lagerbestände der deutschen Wehrmacht im Meer. Laut Thünen-Institut für Fischereiökologie wurde die chemische Kampfmunition in tiefen Bereichen der Ostsee (im Bornholm- und Gotlandbecken) und des Skagerraks versenkt, ein kleinerer Teil auch in flacheren Bereichen wie im Kleinen Belt. Die konventionelle Munition wurde unterdessen großräumig in der Ostsee verteilt und lässt sich damit auch in Küstengewässern finden.

Grundsätzlich sind die Küstenbundesländer für die Bergung und Beseitigung von Altmunition im Meer zuständig. Das Problem geriet zuletzt durch die verstärkte Nutzung der Meere zur Energiegewinnung und durch die Verlegung von Kabeln und Pipelines auf dem Meeresgrund in den Fokus. Dabei wurde immer wieder auch funktionsfähige Munition gefunden.