Berlin. Mit einer neuen Lebensmittel-Ampel sollen Verbraucher erkennen, wie gesund ein Produkt ist. Der Bundesrat macht den Weg frei.

  • Seit dem 2. November sind auf Lebensmitteln zunehmend Nutri-Scores zu finden
  • Die Lebensmittel-Ampel auf der Vorderseite eines Produkts zeigt den Nährwert an
  • Bisher ist die Verwendung des Nutri-Score-Logos freiwillig
  • Die Verbraucherorganisation Foodwatch fürchtet, dass Hersteller ungesunder Produkte die Nutri-Scores nicht nutzen werden

Den umständlichen Blick auf die kleingedruckte Zutatenliste auf der Verpackung von Lebensmitteln können sich Verbraucher wohl künftig sparen. Denn seit dem 2. November sind in den Regalen zunehmend Produkte mit einem Farblogo zu finden.

Der so genannte Nutri-Score zeigt an, wie gesund und ausgewogen ein Produkt ist. Die Farbpalette reicht vom dunkelgrüne „A“ für eine besonders gute Zusammensetzung bis zum roten „E“ für eine eher ungünstige.

Nutri-Score: Bundesrat sorgt für Rechtssicherheit

Vereinzelt gab es diese Kennzeichnung schon zuvor, zum Beispiel auf mancher Tiefkühlkost. Doch erst am vergangenen Freitag hat der Bundesrat für Rechtssicherheit der Hersteller gesorgt. „Je besser der Score, desto mehr könnte das Lebensmittel zur ausgewogenen täglichen Ernährung beitragen“, erläuterte die Länderkammer, „während Lebensmittel mit einer ungünstigen roten Bewertung nur in Maßen verzehrt werden sollten“.

Wer genauer wissen will, wie viel Fett, Salz oder Zucker ein Produkt enthält, kann sich auf der weiterhin vorhandenen Zutatenliste auf der Rückseite der Verpackung informieren.

Verbraucherschützer und Ärzte forderten Lebensmittelampel

Damit endete zunächst ein jahrelanger Streit um die Einführung einer leicht verständlichen Ampelkennzeichnung. Ärzte und Verbraucherschützer forderten schon lange eine auf den ersten Blick erkennbare Information über den Gehalt von fertigen Pizzen oder Pastagerichten.

Doch die Industrie sperrte sich lange gegen eine Ampel, die es in Großbritannien bereits gibt. Die Hersteller befürchten eine Diskriminierung von einzelnen Produkten, obwohl diese in geringen Mengen konsumiert nicht gesundheitsgefährdend sind.

Dagegen wiesen vor allem die Kinderärzte immer wieder auf die bei Kindern grassierende Übergewichtigkeit und die Gefahr späterer Krankheiten durch eine falsche Ernährung hin. Auch Volkskrankheiten wie Diabetes und Bluthochdruck hängen häufig mit einer ungesunden Ernährung zusammen.

Nutri-Score ist bisher freiwillig

Der Nutri-Score ist ein Kompromiss, den französische Wissenschaftler ausgetüftelt haben. Im Gegensatz zur Ampel berücksichtigt dieses Punktesystem nicht nur den Gehalt an Salz, Fetten und Zucker, sondern bezieht weitere Elemente wie Eiweiß, Ballaststoffe oder Obst ein. Für jeden Anteil wird ein Punktwert ermittelt. Aus der Gesamtpunktzahl resultiert schließlich die Einordnung in eine der fünf Farben.

Die große Frage ist nun, wie viele Hersteller bei der Kennzeichnung mitmachen werden. Denn noch ist der Aufdruck des Logos freiwillig. Für eine Verpflichtung bedarf es einer europaweiten Regelung. Bisher haben nur Frankreich und Belgien den Nutri-Score eingeführt.

Lebensmittel-Industrie sieht Nutri-Score kritisch

Doch der Druck auf die Hersteller dürfte zunehmen, wenn sich gekennzeichnete Produkte besser verkaufen lassen als Gerichte ohne den Aufdruck. „Wir gehen davon aus, dass der Nutri-Score in den kommenden Wochen und Monaten vermehrt auf Eigenmarken der Handelsunternehmen zu finden sein wird“, sagt Franz-Martin Rausch vom Branchenverband des Lebensmittelhandels.

Die Industrie zeigt sich dagegen noch reserviert gegenüber der Ampel. Sie bemängelt eine ausreichende Berücksichtigung grundsätzlich gesunder Zutaten wie Pflanzenölen oder Vollkornprodukten. Auf rund 1.000 Produkten wird die Farbskala jedoch bereits eingesetzt. Das hat eine Marktbeobachtung der Hamburger Verbraucherzentrale ergeben.

Klöckner will sich für europaweit einheitliche Regeln einsetzen

Lange hat sich Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) gegen eine Ampel auf der Vorderseite der Verpackung gesträubt. Im vergangenen Jahr ließ sie schließlich verschiedene Kennzeichnungsmodelle von Verbrauchern testen. Am verständlichsten fanden die Konsumenten den Nutri-Score.

Damit war auch der Widerstand der Ministerin gebrochen. Heute findet sie das Logo gut. „Die Einführung ist ein wichtiger Schritt hin zu einem stärkeren Bewusstsein beim Lebensmitteleinkauf und gegen versteckte Dickmacher“, sagt Klöckner.

Mit zusätzlichen Informationen werde eine gesündere Ernährung ermöglicht. Von den Unternehmen erwarte sie nun „dass sie Farbe bekennen.“ Mit einer Kampagne will das Ministerium die Verbraucher über die Einführung und die Details der neuen Kennzeichnung informieren.

Auch will sich Klöckner auch für eine europaweit einheitliche Regelung einsetzen. Die deutsche Ratspräsidentschaft in diesen Tagen könnte dabei helfen. Bei der Sitzung des Agrarrats im Dezember will Klöckner eine gemeinsame Haltung der Mitgliedsländer der EU erreichen.

Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) plant eine Informationskampagne, um den Nutri-Score bekannter zu machen.
Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) plant eine Informationskampagne, um den Nutri-Score bekannter zu machen. © dpa | Roberto Pfeil

Verbraucherschutz: Foodwatch verlangt weitergehende Regelungen

Eine Harmonisierung des EU-Rechts fordert auch die Verbraucherorganisation Foodwatch. „So lange die Nutri-Score-Ampel nur freiwillig ist, werden die Hersteller unausgewogener Produkte sie nicht nutzen“, befürchtet Foodwatch-Expertin Luise Molling.

Die Organisation verlangt noch weitergehende Regelungen für eine wirksamen Kampf gegen Fehlernährung und Übergewicht. Dazu zählt vor allem eine Einschränkung des auf Kinder zugeschnittenen Marketings für ungesunde Lebensmittel. Auch Kinderärzte hatten bereits ein Werbeverbot für Produkte wie Milchschnitte, Ü-Eier und Kinderschokolade gefordert.

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