Berlin. Pappe statt Plastik. Europäische Verbraucherschützer haben getestet, ob Einweggeschirr aus pflanzlichen Stoffen auch besser sind.

Die Folgen sind alarmierend und für alle sichtbar: Jedes Jahr sterben Tausende Fische und Vögel qualvoll am Plastikmüll der Menschen. Die Europäische Union zieht nun eine weitere Konsequenz zur Reduzierung der gigantischen Abfallmengen. Zum Schutz der Meere und Tiere dürfen vom 3. Juli an in der EU keine Einwegprodukte mehr aus Plastik produziert werden.

Von dem Verbot sind unter anderem Trinkhalme, Geschirr, To-go-Becher und Besteck betroffen, aber auch Fast-Food-Verpackungen aus Styropor. Doch nun taucht ein neues Problem auf: In plastikfreiem Einweggeschirr aus Pappe, Palmenblättern oder Zuckerrohr stecken nach einer Studie europäischer Verbraucherschutzverbände häufig gesundheitsgefährdende Stoffe.

In jedem zweiten plastikfreiem Produkt stecken Schadstoffe

Mehr als die Hälfte (53 Prozent) von 57 getesteten Produkten wie Strohhalmen, Schalen und Tellern, enthielten demnach ungewünschte Stoffe über dem empfohlenen Richtwert. Darunter befinden sich auch potenziell krebserregende Stoffe wie ,ewige Chemikalien‘, die über viele Generationen in der Umwelt verbleiben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Europäischen Verbraucherschutzverbands BEUC.

In zwei Drittel der Proben (66 Prozent) wurden laut Studie „ewige Chemikalien“– wie fluorierte Verbindungen (PFAS) – gefunden, die geltende Richtwerte in den jeweiligen Ländern überschritten. PFAS werden unter anderem dafür verwendet, um Materialien wasser- und fettabweisend zu machen. Lesen Sie auch: Outdoor-Kleidung: Gut gegen Regen, schlecht für die Umwelt

In 27 Prozent der Proben wurden Chlorpropanol gefunden und in 28 Prozent Pestizidrückstände, heißt es in der Studie, die in Dänemark, Frankreich, Spanien und Italien erhoben wurde. Alle Stoffe stehen im Verdacht, krebserregend zu sein oder andere Gesundheitsschäden zu verursachen. Konkrete Hersteller oder Produkte werden in der Studie namentlich nicht genannt.

Plastikfrei: Verbraucherschützer müssen besser geschützt werden

„Viele Verbraucher freuen sich wahrscheinlich darüber, dass Einweggeschirr aus Plastik aus Supermärkten und Gastronomie verbannt werden. Das ist gut für die Umwelt und bedeutet weniger Plastikmüll in den Meeren“, sagt der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, unserer Redaktion. „Dass von den Alternativen aus Bambus, Zuckerrohr oder Pappe Gesundheitsgefahren ausgehen können, ist aber definitiv nicht im Interesse der Verbraucher. Die Politik muss Verbraucher hier besser schützen.“

Der vzbv-Chef fordert deshalb eine grundlegende Überarbeitung der EU-Rahmenverordnung über Lebensmittelkontaktmaterialien. „Verbote für besonders schädigende Stoffe und ein Zulassungsverfahren für alle Materialien mit Lebensmittelkontakt sind nötig“, fordert Müller. „Im Gegensatz zu Kunststoff sind diese scheinbar nachhaltigen Einwegprodukte nicht reguliert. Die Untersuchung zeigt, dass dies ein Einfallstor für erhebliche Gesundheitsgefahren ist.“ Auch interessant: Manta von Yvan Bourgnon – Ein Müllsammler auf hoher See

Jede Stunde fallen 320.000 Einwegbecher für To-go-Getränke an

Das Plastikproblem wird Europa unterdessen weiter beschäftigen: In der EU fallen pro Jahr 26 Millionen Tonnen Plastikmüll an. Allein in Deutschland werden jede Stunde 320.000 Einwegbecher für heiße Getränke verbraucht. Insgesamt stiegen die Kunststoffabfälle hierzulande nach jüngsten Zahlen des Umweltbundesamts 2017 um 3,9 Prozent auf 6,15 Millionen Tonnen – ein bisheriger Höchststand. Lesen Sie auch: Coca-Cola, Aldi & Co. setzen verstärkt auf Recycling