Berlin. Mit den Sanktionen wollte der Westen den Rubelkurs drücken. Doch der Rubel steht höher als vor dem Ukraine-Krieg. Wie kann das sein?

Als Russland in die Ukraine einfiel, handelte man innerhalb der Europäischen Union schnell. Zwei Tage nach dem Überfall kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen harte Sanktionen an. Banken wurden vom internationalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen, Russlands Devisen wurden eingefroren. Erste Firmen zogen sich zurück.

Die Folgen des Krieges wurden für viele Russinnen und Russen spürbar. Vor den Bankautomaten bildeten sich lange Schlangen, der Rubel rauschte in die Tiefe. Konnte man eine Woche vor Kriegsbeginn noch für 1,17 Cent einen Rubel erhalten, hatte er sich dreieinhalb Wochen später im Wert halbiert.

Ukraine-Krieg: Rubel hat sich schnell aus Tief herausgearbeitet

„Der Rubel fällt, russische Unternehmenskurse brechen ein“, twitterte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) Anfang März. Ökonomen gingen von einem weiteren Wertverfall gepaart mit einer Hyperinflation in Russland aus. Das Kalkül vieler westlicher Staaten: Ein schwacher Rubel und eine hohe Inflation würden das Vertrauen in Russlands Präsident Wladimir Putin schwächen.

Rubelkurs auf höchstem Stand seit 2017

Doch der Plan scheint auf den ersten Blick nicht aufzugehen. Stattdessen hat sich der Rubel erholt und ist gar auf den höchsten Stand seit 2017 geklettert, für einen Euro bekommt man derzeit lediglich rund 67 Rubel. Seit seinem Tiefpunkt in der zweiten Märzwoche hat sich der Kurs wieder mehr als verdoppelt. Und auch die Inflation steigt nicht mehr so stark wie in den ersten Kriegswochen an. Wie kommt das?

„Der Westen hatte sicher auch auf einen abgewerteten Rubel, steigende Preise und damit auf eine zunehmende Unzufriedenheit in Russland spekuliert. Diese Strategie ist vorerst gescheitert“, sagt Stefan Grothaus, Währungsanalyst bei der DZ-Bank. Langfristig seien die Folgen noch nicht absehbar.

Russische Zentralbankchefin rettete Rubelkurs bereits 2014

Es scheint, als hätten die EU-Staaten eine Frau nicht auf der Rechnung gehabt: Elwira Nabiullina, Chefin der russischen Zentralbank. Schon nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim im Jahr 2014 war es der gebürtigen Tatarin gelungen, den Rubel vor dem Absturz zu bewahren.

Sie nutzte die Dollarreserven der Zentralbank, um den Kurs zu stützen. Darüber hinaus hob sie den russischen Leitzins drastisch an und schuf so einen Anreiz für die russischen Sparerinnen und Sparer, ihr Geld auf den Konten zu lassen.

Russlands Notenbankchefin Elwira Nabiullina hat mit einer Reihe von Maßnahmen den Rubel gestützt.
Russlands Notenbankchefin Elwira Nabiullina hat mit einer Reihe von Maßnahmen den Rubel gestützt. © imago images/SNA | via www.imago-images.de

Notenbankchefin soll Berichten zufolge um Rücktritt gebeten haben

Nabiullina, 2013 ins Amt gekommen, hebelte so die Sanktionen aus – und beeindruckte damit den Westen. Das britische Magazin „Euromoney“ ernannte sie zur Notenbankerin des Jahres. 2018 würdigte die damalige Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) und heutige Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, sie in den höchsten Tönen und verglich Nabiullina mit einer Dirigentin.

Unklar ist, welche Position die 58-Jährige zum Ukraine-Krieg bezieht. Die Finanznachrichtenagentur Bloomberg sowie das „Wall Street Journal“ berichteten über Rücktrittsgesuche nach Kriegsbeginn, die Putin aber abgelehnt haben soll – um sie stattdessen für eine dritte Amtszeit zu nominieren. Der Kreml bestreitet ein Rücktrittsgesuch.

Eine Reihe von Maßnahmen stützen den Rubel

Seitdem wird Nabiullina zum Graus für die europäische Sanktionspolitik. Zwar kann sie den Rubel kaum mit dem Verkauf von Fremdwährungen stützen. Denn die EU, die USA und andere westliche Staaten haben den Euro- und Devisenschatz zu großen Teilen eingefroren – selbst der russische Finanzminister Anton Siluanow musste im März einräumen, dass rund 300 der 640 Milliarden Dollar an Devisenreserven derzeit für Russland nicht nutzbar seien.

Trotzdem verfügt Notenbankerin Nabiullina über eine Reihe von Maßnahmen, die den Rubel auffangen. Sie hob den Leitzins von 9,5 auf 20 Prozent an. Russische Unternehmen müssen 80 Prozent ihrer Auslandsgewinne, etwa auf Energielieferungen, in Rubel umtauschen, das stützt die Währung zusätzlich. Ausländische Investoren dürfen zudem keine russischen Wertpapiere mehr verkaufen. „Die russische Notenbank hat aus russischer Sicht aber einen guten Job gemacht und diese Kapitalflucht verhindert“, sagt Grothaus.

Notenbank konnte den Leitzins wieder senken

Auch die Inflation habe die Notenbank in den Griff bekommen. Zu Kriegsbeginn stiegen die Verbraucherpreise um bis zu 2,2 Prozent – pro Woche. Derzeit steigen sie pro Woche um rund 0,25 Prozent. Die Notenbank konnte mittlerweile den Leitzins wieder auf 14 Prozent absenken.

„Die russische Zentralbank nimmt Schmerzen in Kauf, um einen Absturz des Rubels zu verhindern“, sagt Ulrich Leuchtmann, Devisenexperte der Commerzbank. Die Energieexporte hätten Russland geholfen, den Rubel stabil zu halten – zumal die Preise nach oben geschossen sind.

Devisenexperten: Der Rubel-Kurs wird manipuliert

Sind die Sanktionen also gescheitert? Leuchtmann sieht das nicht so eindeutig. Zum einen lasse sich der derzeitige Rubelkurs nur bedingt mit dem Kurs anderer Währungen vergleichen. Normalerweise wird am Devisenmarkt wie auch an der Börse die Zukunft gehandelt – es geht also um Spekulationen auf eine Wertentwicklung.

In Russland aber seien kaum noch spekulative Marktteilnehmer vorhanden. „Der Rubelkurs reflektiert den Ist-Zustand, aber keine Erwartungen der Zukunft“, sagt Leuchtmann. DZ-Bank-Experte Grothaus nennt den Rubelkurs gar ein „künstliches Produkt ohne Signalcharakter“, das in seiner derzeitigen Form an die Sowjetzeiten erinnere, als „der Rubelkurs nahezu willkürlich festgelegt wurde“.

Zum anderen zielen viele Sanktionen auf langfristige Folgen ab – und auf lange Sicht sei der Krieg für den Rubel schädlich, meint Commerzbank-Experte Leuchtmann. „Das Vertrauen ausländischer Investoren dürfte auf Jahre erschüttert sein.“