Washington. Babymilchpulver ist in den USA knapp. Erste Kinder müssen ins Krankenhaus. Jetzt startet das Militär eine Luftbrücke aus Deutschland.

Rosinenbomber – nur diesmal in die andere Richtung: Um einem dramatischen Engpass bei spezieller Säuglingsnahrung in den USA Herr zu werden, lässt Präsident Joe Biden in dieser Woche weitere Nottransporte mit dringend benötigtem Babymilchpulver aus Europa nach Amerika fliegen.

Am Sonntag landete eine erste Militärmaschine, vom US-Drehkreuz Ramstein in Rheinland-Pfalz kommend, mit 33 Tonnen Ersatznahrung in Indianapolis. Die für Babys mit Kuhmilch-Allergie bestimmte Ware (Alfamino) stammt von Nestlé in Zürich. Laut US-Landwirtschaftsminister Vilsack können damit 9000 Säuglinge und 19.000 Kleinkinder eine Woche lang versorgt werden, für die es in den USA wegen der Schließung eines Werks des Marktführers Abbott so gut wie keine Versorgung mehr gibt.

Präsident Biden schaltete sich wegen des großen Unmuts, der über den Mangel in den USA herrscht, von seiner Asien-Reise aus in den Fall ein: "Unser Team arbeitet rund um die Uhr, um allen, die es brauchen, sichere Babynahrung zukommen zu lassen."

Erste Säuglinge wegen Mangel an Babypulver bereits im Krankenhaus gelandet

Dabei drängt die Zeit. Erste Säuglinge sind laut Medienberichten in den USA wegen Unverträglichkeitssymptomen (durch herkömmliches, für sie teilweise schwer verdauliches Babypulver) in Krankenhäuser eingeliefert worden. Mehr zum Thema: Bill Gates investiert in Muttermilch aus dem Labor

Das Weiße Haus, dessen Gesundheitsbehörde FDA das Abbott-Werk im Bundesstaat Michigan in Absprache mit dem Unternehmen wegen gefährlicher Verunreinigungen im Februar präventiv hatte schließen lassen, hat ein eigentlich für Kriegszeiten gedachtes Gesetz aktiviert ("defence production act"), um die Produktion von Babymilchpulver unbürokratisch zu beschleunigen.

Das Abbott-Werk soll in den nächsten Tagen wieder den Betrieb aufnehmen dürfen. Bis Supermarktregale aber wieder gut sortiert seien, erklärte das Unternehmen, werde es noch gut zwei Monate dauern.

Bis dahin soll auch die von Biden angeordnete "Operation Fly Formula" (Operation Babynahrung fliegen) dafür sorgen, dass Kleinkinder in den USA so gut wie möglich ernährt werden können. Solange keine kommerziellen Flugzeuge zur Verfügung stehen – wegen der Folgen der Corona-Pandemie ist die zivile Luftfracht nahezu ausgelastet –, will die Regierung weiter Militärmaschinen einsetzen.

Warum der Babymilchpulver-Mangel vor allem arme Familien betrifft

Abbott-Chef Robert Ford, dessen Unternehmen fast 45 Prozent Marktanteil hat, entschuldigte sich in einem Medienkommentar für die Misere: "Es tut uns leid für jede Familie, die wir im Stich gelassen haben, seit unser freiwilliger Rückruf den Mangel an Babynahrung in unserem Land verschärft hat."

Betroffenen Familien soll mit einem Fonds geholfen werden, der mit rund fünf Millionen Dollar (4,7 Millionen Euro) ausgestattet ist. Auch in Deutschland gab es vor drei Jahren Probleme mit verunreinigtem Babymilchpulver.

Aus seinem irischen Werk will Abbott in den nächsten Tagen regelmäßig Babymilchpulver einfliegen lassen, das eigentlich für den europäischen Markt gedacht ist. In den USA sind vornehmlich arme Familien von dem Mangel betroffen, weil Mütter es sich finanziell nicht leisten können, nach der Geburt monatelang zu Hause zu bleiben und ihre Babys zu stillen.