Berlin. Den Branchen der „Corona-Helden“ drohen Einbußen beim Einkommen. Laut einer Studie trifft es besonders Frauen und Alleinerziehende.

Es war im Frühjahr, als die Öffentlichkeit entdeckte, wie wichtig manche Berufsgruppen für das Funktionieren unseren Alltag sind. Beschäftigte etwa in der Pflege, in Supermärkten oder bei der Müllabfuhr erhielten stehende Ovationen von Balkonen herab und wurden als Corona-Helden gefeiert.

Einige Branchen zahlten ihren Mitarbeitern sogar einen Pandemie-Bonus, um sich für den Einsatz während des ersten Shutdowns zu bedanken. Doch auf lange Sicht werden die Beschäftigen dieser Branchen einer Studie zufolge in den kommenden Jahren das Nachsehen bei der Einkommensentwicklung haben.

Laut einer Berechnung der Bertelsmann Stiftung werden etwa im Gesundheits- und Sozialwesen im Jahr 2025 die Bruttojahresverdienste rund 4400 Euro unter dem Durchschnittseinkommen liegen, im Einzelhandel sogar um 10.200 Euro darunter. 2019 lag das Durchschnittsbrutto laut Statistischem Bundesamtes für Vollzeitbeschäftigte im Osten bei 41.534 Euro, im Westen waren es 52.803 Euro.

„Corona-Helden“ müssen mit geringem Lohnwachstum rechnen

Hauptgrund für die gedämpfte Lohnentwicklung in vielen Dienstleistungs- und Sozialberufen ist, vereinfacht gesagt, dass die Lohnsteigerungen in anderen Branchen in den kommenden Jahren deutlich höher ausfallen. Damit vergrößert sich der Abstand weiter, Berufsgruppen im Sozialen oder im Handel fallen zurück.

Das Lohnwachstum in den Branchen hängt mit der jeweiligen Produktivität zusammen. Wenn ein Wirtschaftszweig seine Produktionsleistung steigert, bedeutet das, dass die Beschäftigten mehr herstellen. Das führt zu höheren Umsätzen. Die Unternehmen können ihren Mitarbeitern in der Folge auch höhere Löhne zahlen.

Laut Bertelsmann Stiftung profitieren hiervon besonders Beschäftigte mit Spezialwissen. Sie können für ihre Arbeit höhere Gehälter aushandeln. In Branchen mit sehr hoher Tarifbindung wie etwa in der Industrie haben zudem die Gewerkschaften ein gewichtiges Wort mitzureden. Sie können bei Lohnrunden entsprechende Zuwächse aushandeln.

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Steigerung der Produktivität ist in der Pflege schwierig

Auch in kapitalintensiven Sektoren sind die Aussichten auf Einkommenszuwächse in den kommenden Jahren gut. Anders sieht es dagegen in arbeitsintensiven Branchen wie dem Gesundheitswesen oder dem Einzelhandel aus. Dort werde das Wachstum der Arbeitsproduktivität bis 2025 nur etwa halb so hoch ausfallen wie im Verarbeitenden Gewerbe und der Chemie- und Elektroindustrie.

Warum? Im Unterschied zu technisierten Wirtschaftszweigen, in denen sich etwa durch Digitalisierung die Leistung erhöhen lässt, können etwa Pflegekräfte nicht einfach doppelt so viele Menschen pro Stunde versorgen, wenn die Qualität stimmen soll.

Auch das Personal im Supermarkt kann nicht dreimal mehr Regale in der gleichen Zeit einräumen, Kellner nicht einfach viermal so viele Mahlzeiten in der selben Schicht servieren. Die Spielräume für eine Steigerung der Produktivität sind folglich geringer. Das bremst Lohnerhöhungen.

Inflation frisst die geringen Lohnzuwächse auf

Erschwerend kommt hinzu: Die geringen Lohnzuwächse, die es für diese Berufsgruppen gibt, „frisst die Inflation auf“, erklärte Torben Stühmeier, Studienleiter bei der Bertelsmann Stiftung. Bis 2025 wird das verfügbare reale Einkommen der unteren Einkommensgruppen demnach um etwa zwei Prozent zurückgehen, lautet die Prognose.

Der für den öffentlichen Dienst tariflich vereinbarte einmalige Corona-Bonus ändere an der Gesamtsituation nichts, erklärte Stühmeier und betont: „Es lässt sich voraussagen, dass das Coronavirus bestehende Ungleichgewichte eher noch verschärfen dürfte.“

Frauen und Alleinerziehende besonders betroffen

Denn besonders hart getroffen habe die Pandemie das Gastgewerbe und viele private Dienstleistungen. Hier arbeiten rund elf Prozent aller Beschäftigten, darunter überdurchschnittlich viele Frauen und Alleinerziehende. Die Branchen bezahlen im Vergleich niedrige Löhne – und angesichts der wirtschaftlichen Situation dürfte in den nächsten Jahren wenig Luft für deutliche Lohnsteigerungen vorhanden sein.

Um gegenzusteuern, fordert die Studie, Produktivitätssteigerungen auch in den arbeitsintensiven Branchen „auf die Agenda zu rücken“. Die Digitalisierung von Abläufen und Dokumentationen gerade in der Pflege biete noch reichlich Potenzial. Hiervon werden am Ende auch die Erwerbstätigen profitieren, so die Studie.