Berlin. NRW-Minister Reul kritisiert Arbeitgeber, die Freiwilligen verbieten, das Büro zu verlassen. So ist die rechtliche Lage für Fluthelfer.

Tausende Freiwillige aus der ganzen Republik packen mit an: Technisches Hilfswerk, Freiwillige Feuerwehr, Deutsches Rotes Kreuz und weitere Hilfsorganisationen kämpfen gegen die dramatischen Folgen der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Fremden in einer Notlage zur Seite stehen: Das ist für die Helferinnen und Helfer selbstverständlich. Auch mitten in der Corona-Pandemie. Doch nicht immer haben sie Rückhalt im Job, wie eine deutliche Mahnung des NRW-Innenministers Herbert Reul zeigt.

Der CDU-Politiker kritisiert: Manche Arbeitgeber würden es Angestellten schwer machen, sich bei Einsatzkräften zu engagieren, „weil man ihnen nicht erlaubt, kurzfristig das Büro zu verlassen“. Die Folge: In plötzlichen Notsituationen fehle es an „erfahrenen Kräften“, so Reul im „Kölner Stadt-Anzeiger“.

„Früher haben die Handwerker im Dorf alles stehen und liegen lassen, wenn es galt, einen Brand zu bekämpfen“, sagte er mit Blick auf die Hochwasserkatastrophe und forderte ein „neues Bewusstsein bei den Arbeitgebern, wenn es um Freistellungen für den Katastrophenschutz geht“. Was ist dran an den Vorwürfen und was gilt für Helferinnen und Helfer? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Fluthelfer: Wie ist die gesetzliche Lage?

„Die Brandschutzgesetze regeln es klar in allen Bundesländern“, sagt Karl-Heinz Banse, Präsident des Deutschen Feuerwehrverbands (DFV): „Feuerwehrangehörige sind für den Einsatzfall vom Arbeitgeber freizustellen.“ Dazu zählten auch überörtliche Katastropheneinsätze, die teils mehrere Tage dauern.

Anja Weber, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in NRW, nennt Details aus dem Landesgesetz: Für die Dauer von Einsätzen, Übungen, Aus- und Fortbildungen entfällt die Pflicht zur Arbeits- oder Dienstleistung. „Lohnfortzahlung für Beschäftigte und Erstattungen für private Arbeitgeber sind ebenfalls klar festgelegt und teilweise durch tarifvertragliche Regelungen ergänzt“, sagt sie unserer Redaktion.

Hochwasser: Wo liegen die Probleme?

„Meiner Erfahrung nach haben wir mit privaten Arbeitgebern weniger Probleme; leider gibt es ab und an Hürden bei Beschäftigten im öffentlichen Dienst“, sagt DFV-Präsident Banse. „Hier appellieren wir dringend, die Feuerwehrangehörigen nicht nur jetzt für die bundesweit präsenten Großschadenslagen freizustellen, sondern dies auch für den alltäglichen Einsatz zu ermöglichen.“

Dies sei wichtig, damit auch in Zukunft tagsüber immer genug Feuerwehrleute zu den Löschfahrzeugen eilen können und die sogenannte Tagesalarmsicherheit gewährleistet ist. Banse: „Hier kann auch die Politik auf Arbeitgeber einwirken.“

Grundsätzlich leiden die Freiwilligen Feuerwehren bundesweit unter sinkenden Mitgliederzahlen. Ende 2018, so die jüngsten Zahlen, zählten sie 997.600 Mitglieder. Zur Jahrtausendwende waren es noch 1,07 Millionen. Mehr zum Thema: Warum hat Deutschland kein flächendeckendes SMS-Warnsystem?

Helfen im Hochwasser: Was sagen die Arbeitgeber?

Die Arbeitgeber reagieren verschnupft auf die Kritik des NRW-Ministers. „In solchen Notsituationen werden Betriebe, die dies irgendwie ermöglichen können, Mitarbeiter unterstützen, die helfen wollen. Dazu gehört auch die Freistellung von der Arbeitsleistung“, betont die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

Für viele Betriebe sei unbürokratische und schnelle Hilfe für die Betroffenen selbstverständlich. „Die Politik sollte sich hüten, diese Unterstützung zu diskreditieren“, betont der Verband. Gewerkschafterin Weber pflichtet bei: „Ich wundere mich schon über diesen Appell des Innenministers, denn die Sozialpartner kriegen das in der Regel sehr gut hin.“

Wie könnte die Lage der Freiwilligen verbessert werden?

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt fordert eine bessere Unterstützung für ehrenamtliche Helfer in den Katastrophendiensten. „Der Staat muss dafür Sorge tragen, dass niemand durch sein Engagement Nachteile erfährt, Belastungen ausgeglichen werden und die Freistellung der Helfenden durch den Arbeitgeber unkompliziert möglich ist“, sagt sie unserer Redaktion.

Sowohl die Helfenden als auch das Ehrenamt an sich müssten „materiell und strukturell gestärkt werden“, sagt Göring-Eckardt. Sie spricht sich für einen unbürokratischen Sonderfonds für Rettungs- und Katastrophendienste aus. Aus diesem soll Ersatz für im Einsatz verschlissene Ausrüstung oder fehlendes Material bezahlt werden. Mehr zum Thema:Hochwasser – welche Hilfen der Bund für Betroffene plant

Was können Helferinnen und Helfer tun, wenn es im Job Probleme gibt?

„Hier ist Feingefühl auf beiden Seiten gefragt“, sagt DFV-Präsident Banse. Für das Weiterlaufen des Betriebes sei es wichtig, schon vor dem Ernstfall über die generelle Möglichkeit eines Einsatzes zu sprechen, rät er. Im Optimalfall vereinbaren Angestellte mit ihrem Arbeitgeber Regelungen etwa zur Kommunikation.

„Es ist auch ein Unterschied, ob man nur ein paar Stunden weg ist, weil vor Ort ein Brand ist, oder über mehrere Tage in Überlandhilfe“, sagt er. DGB-Landeschefin Weber rät Beschäftigten, sich bei Problemen an Betriebsräte oder ihre Gewerkschaft zu wenden.