Erfurt. Erdrückende Themen, religiöse Offenbarungen und ein Song von Prince. Christian Werner über Sinéad O’Connors Album „I do not want what I haven’t got“.

Wenn ein Album mit dem Gelassenheitsgebet von Reinhold Niebuhr beginnt, erwartet man keinen Millionenseller. Ist der zweite Song, „I am stretched on your Grave“, dann noch die Vertonung eines irischen Gedichts aus dem 17. Jahrhundert, angelegt als Meditation über dem Schlagzeug-Sample des James-Brown-Songs „Funky Drummer“, scheinen Chartsplätze und Mainstream-Hörgewohnheiten unerreichbar. Eigentlich.

Es sind Songs, die nicht auf das schnelle Vergnügen angelegt sind, die Sinéad O’Connor 1990 auf ihrem zweiten Album „I do not want what I haven’t got“ veröffentlicht, die schwere Themen mit den leichtfüßigen Mitteln der Pop-Musik transportiert. Die Platte verkauft sich bis heute sieben Millionen Mal.

O'Connor singt über persönliche Schicksalsschläge

Es sind intensive Songs, sehr intensive sogar. Etwa Track Nummer drei: „Three Babies“. Hier verarbeitet die irische Musikerin mehrere Fehlgeburten, ein Tabu-Thema, mit O’Connors eindringlicher Stimme mal verletzlich, mal kraftvoll gesungen. In „Black Boys on Mopeds“ thematisiert sie Rassismus, anhand eines damals aktuellen Beispiels in Großbritannien.

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Die noch relativ unbekannte Sängerin erhält für das Album prominente Unterstützung: Den Bass spielt Jah Wobble von Public Image Ltd., der im Mai 2023 verstorbene Andy Rourke (Ex-The-Smiths) greift ebenfalls zum Bass und zur Gitarre, die er sich mit Marco Pirroni (Siouxsie and the Banshees, Adam and the Ants) teilt.

Das Cover des Albums „I do not want what I haven't got“ von Sinéad O'Connor.
Das Cover des Albums „I do not want what I haven't got“ von Sinéad O'Connor. © Parlophone/Warner

Produzent Nellee Hooper war Mitglied des DJ- und Soundkollektivs The wild Bunch, aus dem später Massive Attack hervorgeht, und ist zum Zeitpunkt der Aufnahmen Teil der Band Soul II Soul, später produziert er Alben von Björk, Madonna und U2.

Der bekannteste Song O'Connors ist auf dem Album

Das sprichwörtliche Zugpferd der Platte ist freilich die von Prince geschriebene erste Single „Nothing compares 2 U“. Der Song und vor allem das Video dominieren Anfang des Jahres 1990 Charts und Musikkanäle: Die Sängerin, fast nur in Großaufnahme zu sehen, die sich mit ihrem geschorenen Schädel den gängigen Idealen entzieht und doch eine unbeschreibliche Schönheit ausstrahlt. Es fließen echte Tränen, allein die Stimme ist Emotion pur.

Prince hatte das Stück über seine Band The Family bereits 1985 veröffentlicht. Die Gruppe sollte weitere Musik des Workaholics veröffentlichen, Prince agierte nur im Hintergrund als Backgroundsänger und Produzent. The Family hat das Lied nie als Single herausgebracht, Ende des Jahres gab es die Band schon nicht mehr.

Ein Song bringt den Erfolg - und dann?

Sinéad O‘Connor nimmt sich den damals unbekannten Song und verändert das Arrangement. Das Lied ist für die Sängerin Fluch und Segen: Nie wieder wird sie ähnlich kommerziell erfolgreich sein, viele Menschen nehmen die Musikerin zeitlebens nur über dieses eine Stück war. Doch ohne die Aufnahme von „Nothing compares 2 U“ hätten ihre anderen Songs und mehr noch ihre politischen und gesellschaftlichen Anliegen nie eine so große Aufmerksamkeit erhalten.

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Und: Es ist nun ihr Lied. Keine andere Version, nicht einmal die 1993 veröffentlichte Fassung von Prince, erreicht je diese Intensität.

Die Musikerin und Aktivistin Sinéad O’Connor, die sich nach ihrer Konvertierung zum Islam Shuhada’ Sadaqat nannte, ist am 26. Juli 2023 mit 56 Jahren in London gestorben.

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Wir stellen in #langenichtgehört vergessene, verkannte oder einst viel gehörte Alben vor.