Erfurt. Es sollte wieder eine Konzept-LP werden, größer als „Tommy“. Doch The Who mussten ihr Album-Projekt eindampfen. Christian Werner über „Who’s next“.

Nur einer aus der Band hat tatsächlich an den Betonklotz gepinkelt: Einzig The-Who-Gitarrist und Band-Vordenker Pete Townshend hinterließ seine Marke bei dem spontanen Fotoshooting auf einer Abfuhrhalde eines Bergwerks bei Sheffield. Weil der Harndrang der anderen drei Bandmitglieder nicht stark genug war, behalf sich der Fotograf Ethan Russell kurzerhand mit Resten von Regenwasser.

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Ob nun ironischer Kommentar zur Popkultur, zum Leben oder Reminiszenz an Stanley Kubricks Film „2001: A Space Odyssey“: Das Cover von „Who’s next“ gilt als eines der bekanntesten der Rockgeschichte.

"Who's next" ist eigentlich Ersatz für ein größeres Projekt

Auch sonst weist die fünfte Platte von The Who keine schlechte Bilanz auf – für ein Ersatzalbum oder wie es Townshend formulierte, „ein Kompromiss-Album“:

  • Das Werk beschert der Gruppe 1971 mit „Baba O‘Riley“, „Behind blue Eyes“ und „Won’t get fooled again“ drei Hit-Singles,
  • es ist eines der ersten Rock-Alben, auf dem ein Synthesizer eingesetzt wird (etwa in "Baba O'Riley") und
  • es gilt als eine ihrer beliebtesten und besten Platten.
Das Cover des Original-Albums „Who's next“ von The Who. Der Himmel wurde nachträglich eingefügt.
Das Cover des Original-Albums „Who's next“ von The Who. Der Himmel wurde nachträglich eingefügt. © Universal Music
Das Cover der erweiterten Neuauflage des Albums „Who's next/Life House“ unterscheidet sich nur durch den ergänzten Schriftzug.
Das Cover der erweiterten Neuauflage des Albums „Who's next/Life House“ unterscheidet sich nur durch den ergänzten Schriftzug. © Universal Music

Eigentlich sollte die Platte „Life House“ heißen, ein Doppelalbum werden und seinen Vorgänger, das immens erfolgreiche Konzeptalbum, die Rockoper „Tommy“, übertrumpfen. Townshend ersinnt für das Konzept von „Life House“ die Geschichte einer dystopischen Welt mit Umweltverschmutzung, Klimakatastrophen und Lockdowns, die Menschen mit Unterhaltungsinhalten ohne störende Musik per Übertragungsanzügen ruhiggestellt.

Klassiker von The Who neu aufgelegt und erweitert

The Who bei einem Auftritt im
The Who bei einem Auftritt im "The Rainbow", London, 1971. © Trinifold Archive | Graham Hughes
Gitarrist Pete Townshend ist neben Sänger Roger Daltrey das einzige verbliebene Gründungsmitglied von The Who. Hier bei einem Konzert im Jahr 2016 in der Oberhausener Arena.
Gitarrist Pete Townshend ist neben Sänger Roger Daltrey das einzige verbliebene Gründungsmitglied von The Who. Hier bei einem Konzert im Jahr 2016 in der Oberhausener Arena. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg
Roger Daltrey von The Who gibt im Jahr 2011 Interviews auf dem roten Teppich beim 
Roger Daltrey von The Who gibt im Jahr 2011 Interviews auf dem roten Teppich beim "Steiger Award" in der Bochumer Jahrhunderthalle. © Funke Foto Services | Ingo Otto
The Who haben aktuell ihr Album
The Who haben aktuell ihr Album "Who's next" von 1971 wieder veröffentlicht - remasterd und erweitert um Aufnahmen, die seinerzeit eigentlich unter dem Titel "Life House" erscheinen sollten. © Universal Music | Universal Music
Daltrey (links) und Townshend stehen mit ihrer Band auch heute noch auf der Bühne, das Foto zeigt sie vor sieben Jahren in Oberhausen.
Daltrey (links) und Townshend stehen mit ihrer Band auch heute noch auf der Bühne, das Foto zeigt sie vor sieben Jahren in Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg
Peter Townshend war vor allem bei den frühen Konzerten von The Who berühmt für seine wilden Sprünge und die Windmühlenbewegung seines rechten Arms beim Gitarrenspiel.
Peter Townshend war vor allem bei den frühen Konzerten von The Who berühmt für seine wilden Sprünge und die Windmühlenbewegung seines rechten Arms beim Gitarrenspiel. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg
Pete Townshend im Jahr 2004 bei einem Konzert von The Who im Sydney Entertainment Centre. Es war ihr erstes Konzert in Australien seit 1968. Townshends Markenzeichen: Am Ende der Bühnenshow zertrümmerte er früher regelmäßig seine Gitarre.
Pete Townshend im Jahr 2004 bei einem Konzert von The Who im Sydney Entertainment Centre. Es war ihr erstes Konzert in Australien seit 1968. Townshends Markenzeichen: Am Ende der Bühnenshow zertrümmerte er früher regelmäßig seine Gitarre. © dpa | Engesser
The Who etwa zur Zeit von
The Who etwa zur Zeit von "Who's next" (von links): Pete Townshend, Keith Moon, Roger Daltrey und John Entwistle. © Universal Music | Trinifold Archive
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Kurz gesagt: Der Musiker nahm schon vor Jahrzehnten Entwicklungen wie das Internet, Virtual Reality und Lockdowns voraus, ebenso düstere Visionen, die viel später etwa in den „Matrix“-Filmen von anderen Künstlern ausformuliert wurden.

Townshend steht fast vorm Zusammenbruch

Die Vorbereitungen für das Projekt als Mischung aus Musik, Film und Live-Experiment ziehen sich ab 1969 über zwei Jahre, doch es scheint schier zu groß für die Band und nach einem Beinahe-Nervenzusammenbruch streicht Townshend Konzept und Umfang zu einem Rockalbum üblicher Konfektion zusammen. Heute lässt sich sagen: Auch das reicht aus für State-of-the-Art-Rockmusik seiner Zeit - und darüber hinaus.

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The Who - "Who's next/Life House"

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Nach mehreren Versuchen in den vergangenen Jahren, die Idee, das Konzept und die angefangene Musik von "Life House" doch irgendwie unter die Leute zu bringen, inklusive Box-Sets und einem Internet-Projekt, veröffentlichen The Who nun den definitiven Überblick über das Projekt: „Who’s next/Life House“ gibt es in mehreren Editionen.

Die umfassendste und umfangreichste ist eine aufwändige Box mit einer Blu-Ray, die neue Atmos- und 5.1-Surround-Mixe des Albums von Steven Wilson enthält sowie zehn CDs: 155 Tracks, davon 89 unveröffentlicht, teils neu gemischt mit Demos, Studio-Outtakes, und zwei kompletten Konzerten von 1971. Die Box enthält außerdem ein 100-seitiges gebundenes Buch, eine Graphic Novel, zwei Poster und Konzertprogramme, vier Anstecknadeln und ein Farbfoto.

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Wer es ein paar Nummern kleiner mag: Das Album erscheint auch als limitiertes Vierfach-LP-Set, als einfache Vinyl- und CD-Version sowie als Doppel-CD mit einer Auswahl der Demos, Live- und Sessionaufnahmen aus der großen Box. Auch diese exemplarisch einzeln herausgestellten Live-Versionen, etwa von „Won’t get fooled again“, zeigen beispielhaft, dass The Who Anfang der Siebzigerjahre in einem beeindruckenden Zenit standen.

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Wir stellen in #langenichtgehört vergessene, verkannte oder einst viel gehörte Alben vor.