Erfurt. Thüringens SPD kritisiert die aktuelle Impfstrategie des Landes und legt ein eigenes Positionspapier zur Bewältigung der Corona-Krise vor.

In einem Positionspapier zur Bewältigung der Corona-Krise fordert der SPD-Landesvorstand einen Kurswechsel bei der Impfstrategie. „Die Thüringer Impfstrategie erweist sich im Ländervergleich als nicht effektiv genug. Die vorgenommene Priorisierung auf Personal im Pflege-und Gesundheitsbereich scheint nicht zu tragen, da vergleichbare Flächenländer mit anderen Strategien bereits mehr Menschen in diesen Bereichen geimpft haben“, heißt es darin. Alles Wichtige zur Corona-Pandemie in Thüringen lesen Sie in unserem Blog

„Die Gesundheitsministerin präsentiert immer mal wieder einzelne Maßnahmen. Sie betrachtet die Dinge isoliert. Wir haben jetzt ein ganzheitliches Konzept geschrieben“, sagt der SPD-Landesvorsitzende und Wirtschaftsminister Georg Maier dieser Zeitung.

Kritik am Vorpreschen von Ramelow

Ohne ihn namentlich zu nennen, findet sich in dem Papier auch Kritik am Vorpreschen von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) beim Pandemiemanagement, das nicht mit Kabinettsmitgliedern oder Partnern der rot-rot-grünen Minderheitskoalition abgesprochen war. Die Legitimationskette der politischen Entscheidungsebenen dürfe „nicht durch unabgestimmte Äußerungen der dort wirkenden Akteure durchbrochen werden. Dies führe zu weiterer Verunsicherung und Zweifeln an der Professionalität“.

„Thüringen darf beim Impfen nicht den Anschluss verlieren“, warnt Maier. Unbedingtes Ziel müsse es sein, bis zum Sommer mit einer Impfquote von 60 Prozent der Bevölkerung eine „Herdenimmunität“ zu erreichen. Dazu seien unter anderem nötig:

  • Anpassung der Impfstrategie von Thüringer Gesundheitsministerium und Kassenärztlicher Vereinigung; Koordination in einer Stabsstruktur der Landesregierung, stärkere Einbindung der Landkreise, um lokale Impfzentren besser zu steuern
  • Einrichtung größerer, barrierefreier Impfzentren unter Zuhilfenahme von Bundeswehr, THW, Feuerwehren und Rettungsorganisationen
  • Impfungen auch an Wochenenden und Organisation der Impfteams im Schichtdienst, um Öffnungszeiten von 6 Uhr bis 24 Uhr zu gewährleisten.

Wegen der prekären Situation, in der sich Familien durch die Corona-Pandemie befinden, ist im Positionspapier zudem die Forderung nach einem Familiengipfel verankert. Dafür macht sich vor allem auch die SPD-Landtagsfraktion stark. „Weil wir als Parlament wegen der Verschiebung der Landtagswahl nun länger in der Verantwortung stehen, müssen wir das jetzt unbedingt noch einmal größer auf die politische Agenda heben", sagt die Parlamentarische Geschäftsführerin Diana Lehmann.

Lehmann: "Eltern sagen, dass wir nicht wissen, was passiert."

Sie wisse um die Zerreißprobe, der viele Eltern erneut ausgesetzt sind – und um die zermürbende Ungewissheit, wie es nach dem 31. Januar weitergehen wird. „Eltern brauchen eine gewisse Planungssicherheit“, sagt Lehmann. Da es angesichts der noch immer sehr hohen Infektionszahlen eher unwahrscheinlich sei, dass bald alles wieder in gewohnten Bahnen läuft, wäre es aus ihrer Sicht ehrlicher, „den Eltern jetzt zu sagen, dass wir nicht wissen, was passiert, und dass die Einrichtungen möglicherweise bis Mitte März geschlossen bleiben“.

Die Tatsache, dass viele Kindergärten und Schulhorte aktuell zur Hälfte ausgelastet sind, obwohl andererseits viele Eltern kein gutes Gefühl dabei haben, ihre Kinder wegen der Infektionsgefahr in die Einrichtungen zu geben, zeige, dass die Eltern schlicht keine anderen Betreuungsmöglichkeiten finden. Hinzukomme, dass Kinder aus sozial schlechter gestellten oder bildungsfernen Familien nicht in der Betreuung sind und erneut durchs Raster zu fallen drohen.

„Deshalb müssen die Kommunen und Wohlfahrtsverbände als Träger der Kindergärten ebenso wie die Familienverbände vom Bildungs- und Sozialministeriums so bald wie möglich an einen Tisch geholt werden“, sagt die SPD-Abgeordnete. Es müsse darüber nachgedacht werden, Pädagogen früher als geplant zu impfen, um ihr Ansteckungsrisiko zu reduzieren, ihnen größere Sicherheit zu geben und damit den Weiterbetrieb der Einrichtungen zu ermöglichen.

Bei den am Mittwoch anstehenden nächsten Gesprächen von rot-rot-grüner Koalition und CDU müsse das der zentrale Punkt sein. Vom Familien-Gipfel sollten konkrete Aufträge an die Regierung ergehen.

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