Gera. Bernhard Stengele und Kristopher Kempf versehen in Gera Carl Zellers „Vogelhändler“ mit diversen Nadelstichen

Die Operette bleibt ein harter Prüfstein. Hanebüchene Handlungen, flache Witze, nicht tot zu kriegende Musik, Figuren, die wider alle Vernunft Eindruck machen – wie soll man damit nur fertig werden? Am Theater Altenburg-Gera schlagen Bernhard Stengele (Regie) und Kristopher Kempf (Ausstattung) bei ihrer Inszenierung von Carl Zellers „Der Vogelhändler“ eine Art goldenen Mittelweg ein und haben damit Erfolg. Das zeigten nach begeistert aufgenommenen Vorstellungen in Altenburg auch die Premiere am Freitag und die Aufführung am Samstag im Großen Haus in Gera. Das vom Schauspiel kommende Duo Stengele/Kempf, das mit dem Stück erstmals im Musiktheater Fuß fasst, profiliert sich nicht gerade als glühender Anhänger des Operettenfachs, treibt es mit seinen klug kalkulierten Nadelstichen jedoch nicht soweit, dass dem eingefleischten Anhänger des Genres alle Freude genommen wird.

Das „Vogelhändler“-Geschehen ist eine Zumutung. Ein Landmädchen namens Christel von der Post will ihrem Verlobten, dem Tiroler Vogelhändler Adam, klammheimlich die Stelle des kurfürstlichen Zoodirektors verschaffen und gerät dabei an den jungen Grafen Stanislaus, der sich aus Geldnot als Kurfürst ausgibt. Adam, von dem Treffen erfahrend, wird eifersüchtig und macht nun der Bäuerin Marie den Hof, die in Wahrheit die Kurfürstin ist, inkognito unterwegs, um die Treue ihres Gatten zu prüfen. Es gibt jede Menge Zeter und Mordio, bis sich am Ende doch noch die Richtigen kriegen. Dass bei all dem Frauen die Fäden ziehen, die Klügeren und Aktiveren sind, wird in der Produktion des Theaters Altenburg-Gera rigoros genutzt, um eine Lanze für das schwache Geschlecht und den emanzipatorischen Gedanken zu brechen. Während die Männer bis zum Schluss in vorsintflutlichen Kostümen auftreten, werden Outfit und Auftreten der Weiblichkeit immer schicker und moderner. Die Entwicklung gipfelt im Schlussbild, als der überdimensionale Vogelbauer, den Adam aus seiner Heimat mitbrachte, wie folgt belegt ist: Oben thronen in schönster Freiheit die Kurfürstin, Christel und die reiche Adelaide. Unten „schmachten“ hinter Gitterstäben Adam, Stanislaus und der korrupte Hofjägermeister Weps. Das lässt man sich gefallen. Doch muss zu dem Zweck eine knallbunt eingekleidete und enthemmt kreischende Christel (Miriam Zubieta) sein oder das gute alte „Wie mein Ahnl zwanzig Jahr“ samt akkurat gespieltem Zithersolo (alternierend Thomas Baldauf/Steffen Hempel) perfide lächerlich gemacht werden?

Die Reihe der Überzeichnungen, die im ziemlichen Clinch mit der Musik liegen, ließe sich fortsetzen. Köstlich dagegen die Anleihen aus dem Hier und Heute, die bei der Prüfung Adams auf seine Eignung als Hofzoologe zum Tragen kamen. So fielen dem von János Ocsovai verkörperten Naturburschen beim Thema „Schwalbe“ als zentrale Stichworte prompt „Moped“ und „Videobeweis“ ein.

Wie einer zu dem Ganzen stehen mag: Musikalisch und schauspielerisch ist in Gera viel Gutes zu erleben. Thomas Wicklein am Pult erweist sich einmal mehr als Glücksgriff. Der erfahrene Kapellmeister vermag jedem Takt Leben einzuhauchen. Das Orchester geht gleichfalls in die Vollen, klingt taufrisch. Gesanglich stehen der kraftvolle, sauber artikulierende Tenor Timo Rößner (Stanislaus) und die bald anrührend gestaltende, bald dominant strahlende Anne Preuß (Kurfürstin) vorn. Charakterstudien vom Feinsten bieten Johannes Beck (Weps) sowie Kai Wefer und Ulrich Burdack als Professorenpaar Süffle/Würmchen.