Berlin. Die Massentierhaltung gilt als ethisch fragwürdig und als wesentlicher Verursacher sogenannter Klimagase. Nach einem Vorschlag des Tierschutzbunds diskutiert die Politik: Sind für bessere Haltungsbedingungen mehr Steuern auf Fleisch nötig?

Ein viertel Kilo Hackfleisch? 1,11 Euro, bitte. 100 Gramm Leberwurst? Macht 49 Cent. Ein Blick auf aktuelle Angebote von Supermärkten zeigt: Fleisch und Fleischprodukte sind häufig sehr billig. Zu billig, finden Tierschützer und Politiker von SPD und Grünen. Sie wollen mit höheren Abgaben für eine nachhaltigere Tierhaltung sorgen. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Debatte:

Worum geht es?

Angestoßen hat die Diskussion der Deutsche Tierschutzbund. Angelehnt an einen Vorschlag, der derzeit in der Klimapolitik debattiert wird, forderte Verbandspräsident Thomas Schröder: „Parallel zur CO2-Steuer brauchen wir auch eine Fleischsteuer.“ Mit den Einnahmen daraus könnte der Umbau der Ställe finanziert werden. „Pro Kilo Fleisch, Liter Milch oder Eierkarton sind das nur wenige Cents“, erklärte Schröder. Er rief Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) dazu auf, eine umfassende Nutztierstrategie vorzulegen. „Wir müssen festlegen, wie es in 20 oder 30 Jahren in den Ställen aussehen soll“, sagte Schröder. Die notwendigen Umbaumaßnahmen in der Landwirtschaft müssten gefördert werden. Umweltverbände weisen außerdem darauf hin, dass die Nutztierhaltung in ihrer aktuellen Form nicht nur aus Tierschutz-, sondern auch klimapolitischer Sicht problematisch ist.

Was sagen die Befürworter?

Bei Fachpolitikern gleich mehrerer Fraktionen stößt der Vorschlag auf offene Ohren. Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, hat eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch ins Spiel gebracht. Die solle dann zweckgebunden für mehr Tierwohl eingesetzt werden. Auch der SPD-Fachpolitiker Rainer Spiering hält eine Erhöhung auf 19 Prozent Mehrwertsteuer für einen „möglichen Weg“. Bislang ist Fleisch mit dem reduzierten Mehrwehrsteuersatz von sieben Prozent belegt. Albert Stegemann, Sprecher der Unionsfraktion für Agrarpolitik, ist grundsätzlich offen für höhere Steuern. Eine eigene Fleischsteuer müsste aber „zwingend als Tierwohlprämie genutzt werden, um die Tierhalter in Deutschland beim Umbau zu unterstützen“. Der Weg zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung koste Milliarden, die die Landwirte nicht allein tragen könnten.

Was sagen die Gegner?

„Nicht überzeugend“ findet die Idee EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU): Bei sozial schwächeren Haushalten habe Fleisch einen größeren Anteil am monatlichen Warenkorb als bei einkommensstärkeren. Daher sei der Vorschlag „sozial fragwürdig“, sagte Oettinger unserer Redaktion. Er rate außerdem „von nationalen Sonderlösungen dringend ab“, da Fleisch im benachbarten Ausland auch bei höheren Steuern in Deutschland gleich billig bleiben würde.

Auch Agrarpolitiker von Grünen und SPD bekommen Gegenwind aus den eigenen Parteien. Grünen-Chef Robert Habeck sagte der „Süddeutschen Zeitung“, eine „isolierte Betrachtung von Einzelsteuersätzen“ sei nicht sinnvoll. Wer etwas ändern wolle, müsse das gesamte Mehrwertsteuersystem umbauen. Handlungsbedarf sieht Habeck trotzdem. Auch Carsten Schneider, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD, erklärte die Position von Parteikollege Spiering schnell zur „Einzelmeinung“. „Wir wollen keine Erhöhung der Mehrwertsteuer, und schon gar nicht für Lebensmittel“, sagte er unserer Redaktion. „Deshalb wird es sie auch nicht geben.“ Linke, FDP und AfD sind ebenfalls gegen die Idee.

Die Branche selbst lehnt eine Fleischsteuer ohnehin ab. „Nicht der Fiskus, sondern die Landwirte brauchen Mittel und Unterstützung für eine Weiterentwicklung der Tierhaltung“, sagte der Generalsekretär des Bauernverbandes, Bernhard Krüsken. Weder dem Wohl der Tiere noch dem Klimaschutz sei gedient, wenn deutsche Bauern „weiter in mehr Tierwohl investieren und der Markt sich preisgünstig aus anderen EU-Ländern mit niedrigeren Tierwohlstandards versorgt“, sagte Krüsken. Auch der Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie (BVDF) ist gegen eine höhere Steuer auf Fleisch und argumentiert mit sozialer Gerechtigkeit. „Hier droht eine weitere Abgabe, die eine finanzielle Belastung insbesondere für Menschen mit wenig Einkommen darstellt und anschließend irgendwo versickert“, sagte BVDF-Geschäftsführer Thomas Vogelsang.

Was würde eine höhere Steuer für Verbraucher bedeuten?

Noch einmal ein Blick auf die aktuellen Angebote: Würden bei einem Kilo Schweinenacken, der bei einem aktuellen Steuersatz von sieben Prozent 6,69 Euro kostet, zukünftig 19 Prozent Steuer fällig, läge der Preis bei 7,44 Euro. 100 Gramm Leberwurst würden statt 49 Cent 55 Cent kosten, für ein Kilo Hähnchenkeulen würden statt 4,98 Euro dann 5,53 Euro fällig.

Welchen Einfluss hat die Fleischproduktion aufs Klima?

Die Massentierhaltung hat einen erheblichen Effekt auf die globale Erwärmung, heißt es in einem Entwurf des Berichts des Weltklimarates IPCC, der an diesem Donnerstag veröffentlicht wird. Demnach stammt fast ein Viertel der weltweit vom Menschen verursachten Klimagase aus der Land- und Forstwirtschaft. Dabei spielt Methan eine zentrale Rolle: Das Gas entsteht vor allem im Magen der Wiederkäuer und ist in der Atmosphäre 25-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid. Der IPCC-Report kommt zu dem Schluss, dass Methan in der Landwirtschaft für die Hälfte der weltweiten Emissionen verantwortlich ist. Die Hauptquellen: Massentierhaltung und Reisanbau. In Deutschland, so das Umweltbundesamt, war die Landwirtschaft 2018 für etwa sieben Prozent aller ausgestoßenen Treibhausgase verantwortlich.

Im Klimakabinett wird darüber diskutiert, wie die Landwirtschaft dazu beitragen kann, die Klimaziele zu erreichen. Umweltverbände argumentieren, dass mehr Klimaschutz nur mit kleineren Tierbeständen möglich ist. Ministerin Klöckner begrüßt die Diskussion „darüber, was uns mehr Tierwohl wert ist“. Einer „Schnitzelsteuer“ kann ihr Ministerium nichts abgewinnen.

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