Berlin. KI kann im Kampf gegen die Folgen der globalen Erderwärmung helfen – doch mit Blick auf fossile Energien hat sie auch eine Kehrseite.

Ein bisschen unscheinbar kommt der schwarze Kasten daher, doch er soll bald Bemerkenswertes können: Aufgestellt in der Natur oder in Gärten und ausgestattet mit Kamera und einem Bewegungssensor, soll er Daten liefern über alles, was da so krabbelt und fliegt. KInsecta heißt das Projekt, an dem die Biologin Ilona Schrimpf und ihr Team in Reutlingen, südlich von Stuttgart, arbeiten.

Zusätzlich zur Kamera hat der Kasten auch ein Messgerät für die Frequenz des Flügelschlags fliegender Insekten. Und auch Daten zu Luftfeuchtigkeit, Lichteinstrahlung und Temperatur nimmt er auf. Das Gerät soll irgendwann helfen, Informationen darüber zu sammeln, wo welche Insekten leben und wie viele von ihnen. Noch steckt das Projekt in den Kinderschuhen. Doch in Zukunft soll das Multisensorsystem, wie der Kasten offiziell heißt, ohne menschliche Aufsicht in der Natur aufgestellt werden können.

Und wo die gesammelten Daten bisher noch auf SD-Karten gespeichert und händisch übertragen werden, sollen sie dann automatisch an eine Datenbasis gesendet werden, damit eine Künstliche Intelligenz sie auswerten kann. Das Modell dafür trainieren Schrimpf und ihr Team gerade. "Das läuft auch schon ganz gut – eine Wespe und eine Biene kann das System zum Beispiel schon zuverlässig unterscheiden."

Zahl der KI-Projekte im Kampf gegen die Klimakrise wächst

Mehr Informationen sind dringend nötig. Denn der Klimawandel hat auch Auswirkungen auf die Insektenwelt, sagt sie. "Insekten sind temperatursensibel. Wenn es wärmer wird, verschwinden einige Arten, andere breiten sich aus. Wir müssen diese Veränderungen beobachten." Und das geht besser, je mehr Daten zusammenkommen. "Wir hoffen, dass unser Projekt dazu beiträgt, die Auswirkungen der Klimakrise auf die Insekten besser zu verstehen", sagt Schrimpf.

KInsecta ist eines von einer wachsenden Zahl von Projekten, die versuchen, KI im Kampf gegen die Klimakrise einzusetzen. Nicht nur wenn es darum geht, die Verbreitung von Insekten zu erforschen, kann Künstliche Intelligenz hilfreich sein. Modelle, die große Mengen an Daten auswerten, darin Muster erkennen und Prognosen ableiten, können an vielen Stellen dazu beitragen, Veränderungen des Klimas besser zu verstehen, Emissionen zu vermeiden oder mit den Auswirkungen der Krise umzugehen.

Künstliche Intelligenz kann bereits eine Biene von einer Wespe unterscheiden.
Künstliche Intelligenz kann bereits eine Biene von einer Wespe unterscheiden. © dpa-tmn | Andrea Warnecke

So arbeiten Forscherinnen und Forscher schon jetzt mit Methoden Künstlicher Intelligenz in der Auswertung von Satellitenbildern, um Auswirkungen des Klimawandels besser verfolgen zu können. Auch in der Anpassung an die Folgen der Klimakrise kommt die Technologie zur Anwendung – ein Projekt in Dresden etwa arbeitet daran, mit KI Hitzeinseln in der Stadt nicht nur zu identifizieren, sondern auch vorherzusagen.

Intelligente Systeme können Verkehrswege optimieren

Potenzial für den Einsatz von KI im Kampf gegen die Krise gibt es an vielen Stellen, sagt Antonio Krüger, Geschäftsführer des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Etwa bei Unternehmen, die ihren Energieverbrauch so intelligenter steuern können.

Aber auch im Verkehr: "Wir können in Zukunft Navigationssysteme haben, die auf Fortbewegung auf verschiedene Arten ausgelegt sind, und die dann sagen, welche Kombination von Verkehrsmitteln an diesem Tag am meisten CO2 spart", sagt Krüger. "Vielleicht erst der Roller oder das Leihfahrrad, mit der Bahn weiter und dann ein Sammeltaxi – gerade die Mobilität auf dem Land kann sich dadurch ändern, wenn man Mobilitätsbedarfe besser vorhersagen und Ressourcen intelligenter verteilen kann."

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Auch beim Wissen um die Krise könne KI eine große Rolle spielen – durch ihren Einsatz im Bildungsbereich. "Da können KI-Modelle viel dazu beitragen, das Bewusstsein für das Problem zu stärken und gemeinsame Anstrengungen zu bündeln", erklärt der Forscher. Die Kommunikation über den Klimawandel – was jeder tun kann, wo Energie und CO2 gespart werden können – sei "absolut zentral."

Die FUNKE Zentralredaktion beleuchtet in einer Serie die Chancen und Risiken Künstlicher Intelligenz.
Die FUNKE Zentralredaktion beleuchtet in einer Serie die Chancen und Risiken Künstlicher Intelligenz. © iStock | iStock/FMG

Ob von der zunehmenden Verbreitung von Künstlicher Intelligenz unterm Strich das Klima profitiert, ist allerdings offen. Fortschritte bei Energieeffizienz bedeuten nicht zwangsläufig, dass der Energieverbrauch entsprechend zurückgeht. Stattdessen kommt es häufig vor, dass die gesunkenen Kosten der Produktion dazu führen, dass mehr produziert wird – die Einsparungseffekte werden also mindestens teilweise wieder aufgefressen. Man spricht vom Rebound-Effekt.

Fossile Konzerne nutzen KI – um mehr Öl und Gas zu fördern

Und es nutzen längst nicht nur diejenigen die Vorteile der Technologie, die Emissionen senken wollen. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace warnte schon 2020 in einem Bericht, dass auch Gas- und Öl-Konzerne zunehmend auf künstliche Intelligenz zurückgreifen würden, um ihre Förderung fossiler Brennstoffe zu steigern. Demnach nutzen Konzerne wie BP und Shell maschinelles Lernen unter anderem dazu, zuverlässiger neue Quellen für Öl und Gas zu erschließen und Pipeline-Kapazitäten besser zu nutzen.

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Und nicht zuletzt verbrauchen vor allem große Modelle, die mit sehr vielen Daten arbeiten, selbst viele RessourcenStrom, aber auch Hardware, die produziert werden muss. Insbesondere sogenannte generative Künstliche Intelligenz – wie etwa das Modell hinter dem Sprachprogramm ChatGPT – brauchen große Mengen an Rechenleistung.

Gerade moderne Verfahren maschinellen Lernens seien teuer, sagt Krüger. "Um ein großes Sprachmodell zu trainieren, braucht man große Rechenzentren, die über Wochen nichts anderes machen als an diesen Modellen zu rechnen." Man müsse deshalb sichergehen, dass man KI an der richtigen Stelle einsetze. "Sonst löst man kleine Probleme mit einer Methode, die das große Problem verschlimmert."