Berlin/Brüssel. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen droht empfindliche Niederlage – ausgerechnet beim wichtigen Naturschutzgesetz.

Weniger Pestizide, mehr Bienen, mehr natürliche Ökosysteme wie Feuchtgebiete und Grasland - das sogenannte Renaturierungsgesetz ist ein zentraler Punkt im großen Klimaschutzpaket von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Insbesondere Landwirte befürchten jedoch Verbote und Regeln, die im schlimmsten Fall die Bewirtschaftung weiter Flächen unwirtschaftlich machen könnte. Im EU-Parlament könnte das Vorhaben nun scheitern.

Denn die Christdemokraten im Europaparlament wollen gegen das Naturschutzgesetz stimmen. „Das ist ein schlechtes Gesetz, das überarbeitet werden muss“, sagte EVP-Fraktionschef Manfred Weber dieser Redaktion. „Die Nahrungsmittelsicherheit ist in Europa nicht umfassend gewährleistet. Die Nahrungsmittelpreise steigen stark.“ Das spürten die Menschen, die in den Supermarkt gingen. „In dieser Situation dürfen wir nicht mit europäischer Gesetzgebung die Produktion von Nahrungsmitteln reduzieren.“

Europaparlament: Weber will EU-Naturschutzgesetz zu Fall bringen

Weber bestritt grundsätzlichen Widerstand gegen den Green Deal, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden will. Es ist das Kernprojekt in von der Leyens Amtszeit. „Klimaschutz und Artenschutz sind die Schicksalsaufgaben unserer Generation. Deswegen unterstützt die EVP-Fraktion den Green Deal. Es ist auch unser Projekt“, sagte der CSU-Vizevorsitzende. „Von den 34 Gesetzen, die bisher vorgelegt worden sind, haben wir 32 wesentlich mitgestaltet und unterstützt – und bei zwei Gesetzen haben wir eine andere Meinung.“ Neben dem Naturschutzgesetz verweigerte die EVP dem Aus des Verbrennungsmotors die Zustimmung. Weber betonte: „Die Menschen müssen spüren, dass ihre Stimme in Brüssel gehört wird und nicht in den bürokratischen Mühlen untergeht.“

Der EVP-Vorsitzende sprach sich gleichwohl für einen Kurswechsel in der Politik der EU-Kommission aus. „Die letzten vier Jahre waren zurecht geprägt von der Umweltgesetzgebung. Die nächsten fünf Jahre werden eindeutig geprägt sein von Wettbewerbsfähigkeit und Jobs“, sagte Weber. „Wir erleben schon eine schleichende Deindustrialisierung Deutschlands und Europas. Der müssen wir uns entgegenstemmen. Wohlstand sichern – das wird das zentrale Thema.“

Klimaschutzpaket: Das will die Kommission

Die Kommission schlägt vor, bis 2030 für mindestens 20 Prozent der Flächen und Meeresgebiete in der EU eine Renaturierung zu veranlassen. Die entsprechenden Maßnahmen sollen die Mitgliedstaaten erarbeiten. Bis 2050 sollen dann alle „sanierungsbedürftigen Ökosysteme“ erfasst werden. Die Vorgaben sollen explizit nicht nur Naturschutzgebiete betreffen, sondern auch bewirtschaftete Flächen wie Wälder, Felder und auch städtische Gebiete.

Konkret sollen das Insektensterben gestoppt und die Populationen von Bestäubern wie Bienen bis 2030 wachsen. In Städten sollen unter dem Strich keine Grünflächen mehr verloren gehen und ihr Anteil bis 2050 ansteigen. Entwässerte Flussauen oder Moore sollen „wiedervernässt“ werden und Flüsse durch den Abbau physischer Hindernisse wieder frei fließen. Wälder sollen wieder natürlicher wachsen und etwa Totholz nicht mehr entfernt werden.

Nach Angaben der EU-Kommission sind über 80 Prozent der geschützten Lebensräume in der EU einem schlechten Zustand – Tendenz steigend. Dafür verantwortlich ist demnach neben dem Klimawandel vor allem vor allem die konventionelle Landwirtschaft mit übermäßigem Einsatz von Düngemitteln und Chemikalien. Viele Wälder in der EU sind nicht gesund, Meeresökosysteme leiden besonders unter der Klimaerwärmung.

Besonderen Fokus legt die Kommission auch auf Feuchtgebiete wie Moore, weil sie CO2 speichern und Wasser filtern. Alleine in den vergangenen zehn Jahren sind demnach 71 Prozent der Fisch- und 60 Prozent der Amphibienpopulationen zurückgegangen. (mit AFP)